INHALTSVERZEICHNIS


Vorwort
Helli Wagner-Glanzmann

Einleitung
Dr. med. J. Wunderli

1. Kapitel
Vom Sinn und Ziel des Lebens


2. Kapitel
Die Entfaltung des Bewußtseins


3. Kapitel
Yoga und der Pfad nach oben

4. Kapitel
Heilige und Weise

5. Kapitel
Spezielle östliche Methoden
Von der Bedeutung und Hilfe des Mantra
Übe, erlebe und verwirkliche
Die Meditation

6. Kapitel
Sexualität und Sublimation

7. Kapitel
Über den Okkultismus

8. Kapitel
Hindernisse und Schwierigkeiten

9. Kapitel
Das reine Herz

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Mensch, was du liebst,

in das wirst du verwandelt werden -

Gott wirst du, liebst du Gott

und Erde, liebst du Erden.

Angelus Silesius

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Vorwort


Die Mystiker Indiens haben die letzten Höhen der Evolution erreicht und im täglichen Leben die vollständige göttliche Erfahrung gemacht, ohne zu denken wie Newton und Einstein, ohne zu schreiben wie Racine und Goethe, ohne zu sprechen wie Cicero, ohne zu analysieren wie Aristoteles, ohne zu malen wie Raffael und ohne zu komponieren wie Johann Sebastian Bach. Sie bilden eine Klasse für sich. Heute aber scheint Indien seinen heiligen Söhnen neue Dimensionen zu erschliessen. Lassen wir Swami Vivekananda, Swami Ramathirtha und Swami Sivananda beiseite und betrachten wir Sri Aurobindo oder Swami Omkarananda, dessen Worte, aus seinem reichen Gottbewußtsein gesprochen, den Inhalt dieses Buches bilden. Sie sind in reichem Maße intellektuell durchsetzt. Diese Ausrüstung hat sich aber als großer Wertfaktor erwiesen, als Mittel zur Weitergabe ihrer inneren intuitiven Wahrnehmung und Erfahrungen. Auf der Ebene des verworrenen und komplexen menschlichen Bewußtseins scheint die Evolution anderen Gesetzen zu gehorchen, als denen welche der modernen Biologie und Wissenschaft bekannt sind.

Schon im Alter von 14 Jahren machte Swami Omkarananda verschiedene erste mystische Erfahrungen. Zwei Jahre später verließ er - unter dem Eindruck dieser Erfahrungen - in totaler Abkehr von allem Weltlichen sein Elternhaus im Süden Indiens. Er zog gegen Norden und suchte im Himalayagebiet die Umgebung, die er brauchte. So konnte er ausschließlich und absolut seinen Studien obliegen, konnte seine Praktiken und Experimente durchführen und seine Erfahrungen in Tantra, Yoga, Vedanta und anderen Formen der alt-indischen, mystisch-okkulten Mittel und Wege zu hoher göttlicher Vollkommenheit erreichen.

Ein halbes Jahr später weihte ihn ein weltberühmter Meister und Weiser in den Heiligen Orden Sri Sankara's ein, denn er sah in dem Jüngling aussergewöhnliche Reinheit des Herzens und Weisheit. (Sankara ist der bedeutendste indische Philosoph, Mystiker und religiöser Reformer des vierten Jahrhunderts.) - Der Junge Mann erhielt das Mönchsgewand und den neuen Namen Sri Swami Omkarananda - Saraswati. Danach blieb er volle 20 Jahre in jenem Kloster der Himalayaregion, das der Sitz einer internationalen Organisation zur Ausbreitung von Wissen im Zusammenhang mit einem göttlichen Leben ist.

Diese 20 Jahre waren unermüdlichen, streng überwachten Erforschungen im Bereich des göttlichen Bewußtseins gewidmet. Sie führten den jungen Mönch durch göttliche Gnade von einer Erleuchtung zur anderen. Sie brachten Swamis unermüdliche, selbstlose Dienste für jene Organisation durch die Herausgabe von einigen Dutzend Büchern in englischer Sprache, welche Kraft ihrer Qualität und Quantität für jeden anderen Menschen eine Lebensarbeit bedeutet hätten. Diese Jahre ermöglichten Swami Omkarananda auch intensive Studien in allen modernen Wissensgebieten, einschließlich Psychologie, Erziehung, Psychoanalyse, Parapsychologie, Soziologie und Politik. Er arbeitete an diesen Studien im Bemühen, das Beste in diesen mit den zentralen geistigen Zwecken und Zielen des Menschen in eine Einheit zu bringen. - Im Jahre 1954 wurde Swami Omkarananda von der Yoga-Vedanta Wald-Universität (jetzt Akademie) der Grad eines Meisters der Philosophie verliehen. Ein Jahr später wurde er als Mitglied des « International American Institute» gewählt: das Resultat tiefer Bewunderung für seine Mitwirkung und seinen bemerkenswerten Beitrag durch seine Schriften und seinen Überblick über die grundlegenden Prinzipien des Erziehungsprozesses über die ganze Welt hin und durch die Jahrhunderte hindurch bis in unsere Zeit.

Nach Lesen eines von Swami Omkaranandas Büchern sagt Prof. Dr. Gebhard Frei: «Heute bilden die vom Materialismus, Mechanismus, Positivismus und von einer engstirnigen Evolutionstheorie vorgebrachten Argumente ein brennendes Problem. Ich verbrachte kürzlich eine Woche am Kongreß und im internationalen Institut für Philosophie und beobachtete, wie diese Tendenzen nicht nur die Philosophie des Kommunismus beherrschen, sondern auch die Gedankengänge vieler westlicher Denker. Für sie schafft die Philosophie dieses indischen Weisen - deren Grundlagen und Anwendung, wie sie Swami Omkarananda zeigt - ein machtvolles Gegengewicht. - In meiner Eigenschaft als Präsident der Schweiz. Philosophischen Gesellschaft, einer Korporation, welcher Vertreter der philosophischen Fakultäten der Universitäten von Genf, Lausanne, Neuenburg, Bern, Basel, Zürich und Freiburg als Mitglieder angehören, und in meiner Eigenschaft als Präsident der Internationalen Parapsychologischen Gesellschaft sowie als Mitglied anderer wissenschaftlichen Vereinigungen halte ich mich für kompetent, eine Meinung auszusprechen. Erst als ich den ersten Band des großen zusammenfassenden Werkes in drei Bänden von Swami Omkarananda gelesen hatte, gingen mir die Augen auf für die wahre Größe und Bedeutung dieses indischen Gelehrten, Wissenschafters, Weisen und Lehrers. Die Vergleiche Omkaranandas zwischen Sivananda und Plato, Kant, Leibnitz, Schleiermacher und anderen Philosophen sind sehr wesentlich für ein besseres Verständnis zwischen dem Osten und dem Westen. » Nach einem tiefen Studium von Swami Omkaranandas ersten drei Werken schreibt ein intellektueller Führer in Santiago, Südamerika, Dr. Edward de Bittencourt: « Omkarananda verfügt über die intellektuelle Kraft, die literarische Gewandtheit, die geistige Brillanz und den kulturellen Hintergrund, welche nötig sind, um den meisten modernen Herausforderungen gerecht zu werden. » Von Indiana, USA, haben wir folgendes Zeugnis über Swami Omkarananda von Dr. Florence La Fontaine, Ph. D.: « Der junge Weise Indiens hat ein Wesen, gekennzeichnet durch transzendentale Zartheit und Empfindsamkeit, durch eine Weisheit, welche seine Jahre übersteigt. Er ist zu sehr geschult für sein Alter und überrascht die westliche Elite ebensosehr durch seine Kultur höchster Ordnung, wie durch sein Genie im klassischen literarischen Ausdruck in allen dessen vielseitigen Formen. Die Vorsehung hat ihn, wie mir scheint, mit jeder Vortrefflichkeit beschenkt. Er bringt eine wertvolle, kostbare Botschaft für unsere Zivilisation. »

Was uns an Swami Omkarananda am meisten interessiert, sind weder seine wertvolle Botschaft an unsere Zivilisation, noch irgend eine der Facetten seiner Größe, die ebensosehr in seinem täglichen Leben, als auch durch die Urteile der führenden Intelligenzen dieser Welt zum Ausdruck gelangen. Ich habe keinen speziellen inneren Anteil an dem lauten Beifall, der Omkaranandas Genialität gezollt wurde. Ebenso berührt mich seine erstaunliche Fähigkeit, auf jedes Problem, jedes Gebiet Licht zu werfen und Menschen auf allen Lebensstufen und in allen Verhältnissen Führung zu geben, nicht im Innersten. Meine tiefste Bewunderung gilt den Fällen, in welchen Swami Omkaranandas selbstlose göttliche Gebete für Kranke, Leidende, Trauernde, Verlassene und Unglückliche Trost und Hilfe brachten und noch bringen. Mein Interesse gilt der Art, wie er in den Herzen der Menschen den Glauben an die allgegenwärtige, allmächtige und allwissende Gottheit entzündet, der Art, wie er in den meisten von uns das grosse Vertrauen in die angeborene Würde und Göttlichkeit des menschlichen Lebens weckt. Es gilt der Art und Weise, wie es nur ihm, der in der göttlichen Gnade lebt, möglich ist, durch Akte der Einweihung den geistig Suchenden unter uns die unfehlbaren geistigen Techniken der Gotterfahrung zu übermitteln für jede Phase und Form unseres täglichen Lebens in einer so geschäftigen Stadt wie Zürich.

Es ist meine Überzeugung, daß diese nur wenigen, Tag um Tag geäusserten Worte Swami Omkaranandas, welche Dr. Jürg Wunderli nun hier veröffentlicht, uns tiefe Inspiration, eine neue Vision des Lebens, eine neue Hoffnung, neue Kraft und ein neues Licht schenken werden.


Frau H. Wagner-Glanzmann

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Einleitung

Swami Omkarananda ist ein einfacher, gotterfüllter Mönch aus dem Himalayagebiet.

Als Kind schon ausgezeichnet durch eine ungewöhnlich brennende Sehnsucht nach dem Wirklichen und durch eine außerordentliche Gabe der Intuition, verließ er schon mit 16 Jahren sein Elternhaus und suchte für höhere geistige Verwirklichung die Himalayaumgebung auf. Ein halbes Jahr später erhielt er die Mönchsweihe durch einen sehr großen Meister der Gottverwirklichung und blieb nachher während 20 Jahren in dessen Ashram (Kloster) als rastlos schaffender, demütiger Diener seines Meisters, absorbiert durch höhere geistige und mystische Praktiken und unermüdlich arbeitend für das geistige Wohlergehen der Menschheit.

Durch eine gütige Fügung kam Swami Omkarananda im Frühjahr 1965 in die Schweiz und blieb einige Monate bei uns. Anfangs mochte man der angekündigten Ankunft des Swami einige Skepsis entgegenbringen. War das nicht ein Mensch, welcher noch nie seinen Heimatboden verlassen und sich seit 20 Jahren in meist strenger Abgeschiedenheit in seinem Kloster aufgehalten hat? Ob er wohl fähig wäre, zu uns Europäern über unsere europäischen Probleme zu sprechen? Ob er wohl fähig wäre, beispielsweise über Geld- und Eheprobleme zu reden, wo er doch nie in seinem Leben mit Derartigem konkret in Berührung kam? Und wie würde er als Inder mit unseren westlichen geistigen Problemen und den Anliegen des Christentums fertig werden?

Selber erwog ich in meinem Herzen solche Gedanken und befürchtete ein wenig, es werde ein lebensfremder und abgeschlossener Asket kommen, der uns höchstens interessante Dinge über indische Philosophie erzählen könnte. Wer als Wanderer und Sucher den geistigen Pfad betritt, ist vor Enttäuschungen nicht gefeit, und so soll es auch sein. Der Pfad ist sehr schmal und der falschen Propheten sind gar viele. - Was für merkwürdige Leute befinden sich unter denen, welche sich als Lehrer auf dem geistigen Pfad bezeichnen! Wie viele bleiben auf der vorletzten oder einer noch tieferen Stufe stehen, und wie viele finden wohl wunderschöne Worte und können damit vielleicht Menschen begeistern, leben aber selber nicht entsprechend ihren Worten!

Wie vielen geistigen Lehrern sind wir begegnet, welche außerordentlich gelehrt diskutieren können, aber keine echte Gotterfahrung besitzen; wie viele Bücher haben wir gelesen, die nur trockene Buchweisheit verkünden und nicht von Herz zu Herzen zünden! Dabei kommt mir eine Geschichte von Ramakrischna in den Sinn. Einige Männer gingen in einen Mangogarten. Sie beschäftigten sich damit, die Äste, Zweige und Blätter der Mangobäume zu zählen, ihre Farbe, Größe und Form zu registrieren, miteinander zu vergleichen und hernach fein säuberlich alles aufzuschreiben. Nach getaner Arbeit ereiferten sie sich in einer gelehrten Diskussion über ihre Forschungsresultate. Einer unter diesen Männern aber war klüger als alle andern. Er kümmerte sich nicht um die Diskussionen und begann stattdessen eine saftige Mangofrucht zu verspeisen. Swami Vivekananda, der berühmteste Schüler von Ramakrischna, meint dazu: « Und hat er nicht gut daran getan? Überlassen wir also das Blätter- und Ästezählen den anderen. Diese Art von Arbeit hat ihren Platz, doch nicht im Gebiet des Geistes. Nie wird man unter diesen <Blätterzählern> einen wahrhaft religiösen Menschen finden. »1)

Andere wiederum meinen, nach den ersten kleinen Erkenntnissen, die sie gesammelt und nach den ersten kleinen Schritten, die sie selber getan, seien sie ausgerüstet als geistige Lehrer. Stimmt dann das, was sie sagen, keineswegs überein mit dem, wie sie sind und wie sie leben, so geben sie zur Antwort: «Es ist nicht notwendig, daß der Wegweiser den Weg selber geht; es genügt, daß er ihn weist.» Das ist keineswegs richtig. Das Wesentliche am wegweisenden Menschen ist nicht so sehr das, was er sagt, sondern das, was er selber ist. Darum sind Reinheit des Herzens, selbstlose Liebe und lebendige Gotterfahrung unbedingte Voraussetzungen für jeden, der auf dem geistigen Gebiet lehren will.

Solcherlei Gedanken beschäftigen mich also bei der Ankunft von Swami Omkarananda. Aber dieser indische Mönch erwies sich als ein Mensch, der alle meine Dimensionen überschritt und alle Zweifel und Fragezeichen wie ein Sturmwind hinwegfegte. Als erstes mußten wir staunen über die grenzenlose Demut und Bedürfnislosigkeit dieses Menschen. In der Haltung der vollendeten Demut trat er uns entgegen und bat uns, seine Dienste entgegenzunehmen. In einem Brief schrieb er: «Ich bin Ihr kleiner Diener. Bitte braucht meine bescheidenen Dienste völlig und zu irgend einer Euch passenden Zeit!» Swami Omkarananda hat dieses Versprechen wortwörtlich erfüllt. Seine Audienzen und Beratungen dauerten von morgens früh bis abends spät und gar nicht selten bis nach Mitternacht, Tag für Tag. Keine Bitte schlug er ab, jederzeit war er da und stellte sich bedingungslos zur Verfügung. Wissen wir, was das heißt: sich bedingungslos zur Verfügung stellen?

Bei Swami Omkarananda wird es uns in kristallklarer Deutlichkeit bewußt, was wahre und echte Demut ist. Nicht gemeint ist damit jegliche Art von Unterwürfigkeit, jegliche Demütigung vor den Menschen als Mensch. Der wahrhaft demütige Mensch ist nämlich nicht demütig vor dem Menschen als Person, sondern er beugt sich vor Gott, den er in jedem Antlitz erblickt. Der Grund der Demut liegt absolut nicht im Menschlich-Persönlichen, sondern nur im Göttlichen. Der demütige Mensch hat gelernt, seine eigene Person hinten anzustellen und sich ganz dem Göttlichen hinzugeben. Er hat aber auch gelernt, dieses Göttliche in allen Menschen, ja überhaupt in jeglichem Ding zu sehen.

Die Demut ist also nur eine Folge dessen, daß ein Mensch gelernt hat, Gott überall zu sehen und überall zu lieben. Nur von dieser allumfassenden, ja beinahe ekstatischen Gottesliebe aus, wird das wahre Wesen der Demut begreifbar.

Damit hängt zusammen, daß uns Swami Omkarananda in seinen Briefen, Gesprächen oder Vorträgen stets als «gnadenvolle Engel» oder als «höchst verehrungswürdige Söhne und Töchter Gottes » bezeichnet. Manchen mag das im ersten Augenblick etwas irritiert haben, und es gab sogar Menschen, welche diese Verehrung auf ihre Person bezogen. Das ist aber absolut falsch. Omkarananda schreibt einmal: «Auch für mich sehen alle Menschen wie normale Personen aus. Aber als die Wahrheit meines ganzen inneren Seins ist jeder Mensch völlig göttlich, erfüllt von der selbstleuchtenden, selbstgenügenden Vollkommenheit der allgegenwärtigen, allmächtigen, allwissenden Gottheit.»

Omkarananda sieht also nicht unsere Person, sondern hinter die Person und hinter das persönliche Ich. Dort aber sieht er die vollkommene Gottheit, dort sieht er das lebendige Reich Gottes, das inwendig in uns ist2), dort sieht er eine uferlose Schönheit und vollendete Reinheit, die unbeschreibbar ist.

Wir haben von der allumfassenden Gottesliebe gesprochen, als den wahren Grund echter Demut. Diese Liebe sucht in jedem Ding, in jeder Erscheinung und in jeder Begebenheit einzig und allein Gott. Diese Liebe verehrt in allem Geschaffenen, im bescheidensten Pflänzlein so gut wie im größten Genius, im unscheinbaren Kieselstein so gut wie im ganzen Universum, den einen allmächtigen Schöpfer. Diese Liebe brennt vor Sehnsucht nach dem allgegenwärtigen und allmächtigen Vater, welcher sich in allem Sein, Werden und Vergehen offenbart. Von dieser Liebe haben alle Heiligen und Erleuchteten gesprochen. Ist es nötig, einige dieser Aussprüche hier erklingen zu lassen ? Ich tue es dennoch, weil es nicht viel gibt, das uns inniger zur rechten Betrachtung und Einkehr helfen kann als das inspirierte Wort eines Heiligen oder Weisen:

Meister Eckhart schreibt einmal: «Von der Liebe her empfängt jedes tüchtige Werk die Kraft, den Menschen zu Gott zu bringen. Denn die Liebe, sagt Dionysius, ist solcher Natur, daß sie den Menschen wandelt in das, was er liebt. Darum soll der Mensch also sein, daß all sein Leben Liebe sei. »

Sri Aurobindo, ein kürzlich verstorbener indischer Meister, spricht jene erstaunlichen Worte: «Für die, die Gott lieben, ist das Gespött der Welt wilder Honig und die Steine, die der Pöbel wirft, wie Sommerregen auf einen heißen Körper. Denn bist nicht Du es, der da spottet und steinigt, und bist nicht Du in dem Stein, der uns trifft und verletzt?» Oder jene andern Worte: «Leben ! Leben ! Leben ! höre ich die Leidenschaften rufen. Gott ! Gott! Gott! ist die Antwort der Seele. Solange du das Leben nicht als Gott siehst und liebst, solange ist das Leben selbst eine versiegelte Freude. Er liebt sie, sagen die Sinne. Doch die Seele sagt: Gott! Gott! Gott! Dies ist die Formel des Daseins, die alles in sich schließt.»3)

Swami Omkarananda ist ein Mönch und Mystiker. Zu beidem gehört dem Wesen nach die Askese. Und ein Asket ist Omkarananda allerdings! Freilich, davon verspürt man zunächst wenig. Wer etwa glaubte, einem lebensfremden, selbstquälerischen oder gar fanatischen Asketen gegenüberzutreten, wurde bald eines Besseren belehrt. Omkarananda strahlt nichts als Ruhe, Frieden und Liebe aus. Seine Augen blicken voller Güte, den Mund umspielt ein sanftes Lächeln und sein Gemüt ist voll grenzenloser Offenheit und Weite. Kein Problem, und möge es noch so menschlich allzumenschlich sein, ist ihm zu gering, um darauf mit aller Sorgfalt und Liebe einzugehen. Den Liebeskummer eines jungen Mädchens behandelt er mit genauso großer Geduld, Aufgeschlossenheit und Hingabe wie etwa Fragen, welche die Meditation betreffen.

Diese Nachsicht und Geduld, diese liebevolle Hingabe und das unglaubliche Verständnis für alles und jedes, ist bei Omkarananda vereinigt mit einer beispielslosen Härte gegen sich selber. In ihm begegnet uns ein Mensch, welcher bis an die einsamen letzten Grenzen der Selbstzucht und der Selbstverleugnung gegangen ist. Man hat den Eindruck, daß er seinen körperlichen Wünschen und Regungen überhaupt keine Beachtung schenkt. Ebenso wenig Bedeutung mißt er seinen Gefühlsäußerungen bei. Alles ist bei ihm auf das Eine ausgerichtet und daneben wird alles andere vollkommen bedeutungslos. Hier ist ein Mensch, welcher uns die Worte Aurobindos mit einer geradezu unfaßbaren Radikalität vorlebt: «Eine bloße Idee, ein nur intellektuelles Suchen nach etwas Höherem, wie intensiv das Interesse des Geistes es auch ergreifen mag, richtet nichts aus. Das Herz muß sich darauf werfen als auf das Eine, das zu begehren ist, und der Wille als auf das eine, das getan werden muß. Denn Wahrheit des Geistes ist nicht nur zu denken, sondern zu leben, und sie zu leben verlangt eine einige, einzig auf eines gerichtete Zielstrebigkeit des Menschen. »4)

Die echte Askese bezweckt nichts anderes, als daß die Seele leer werde von allem Rost und Schmutz, leer von allem ichbezogenen Denken und Fühlen, so leer, daß Gott mit seiner ganzen Herrlichkeit in die Seele einziehen kann. Die falsche Askese dagegen betreibt Kasteiung und Selbstabtötung gewissermaßen als Selbstzweck, indem das Mittel zum Ziel selber wird. Wohl gehören beispielsweise Fasten und nächtliches Wachen zu einem mystischen Leben, und die unglaubliche physische Bedürfnislosigkeit von Omkarananda versetzte uns immer wieder in Erstaunen; rein menschlich gesehen scheint es unmöglich, daß ein Mensch während Monaten nur 2-3 Stunden des Nachts schläft und sich von einem kaum vorstellbaren Minimum ernährt. Aber so sicher Omkarananda diese Bedürfnislosigkeit lebt, so sicher sind diese Dinge nicht das Wesentliche. Denn die Askese ist letzten Endes immer ein geistigmentaler Akt, eine Ausrichtung des ganzen Menschen auf die eine Grundrichtung und ein mutiges, konsequentes Verlassen all dessen, was nicht dazu gehört oder hinderlich ist.

Omkarananda hat uns dazu folgendes Gleichnis erzählt: Was tut ein Mann, dessen Haus in Flammen steht ? Sucht er etwa nach den Pantoffeln seiner Frau oder dem Lippenstift seiner Tochter ? Nein, er rafft in höchster Eile alles zusammen, was am notwendigsten und wertvollsten ist, und schafft es aus dem brennenden Hause. Gleichermaßen sollen wir in höchster Eile uns auf das ausrichten, was einzig notwendig und wertvoll ist im Leben, nämlich das Göttliche.

So beispielslos hart, konsequent und zielgerichtet also Omkarananda gegenüber sich selber ist, so verständnisvoll und liebevoll erweist er sich gegenüber seinen Mitmenschen, gegenüber den Ratsuchenden, Verzweifelten und Fragenden. Dieses Verständnis für unsere jeweilige Situation und für unsere Schwächen schließt aber nicht aus, daß er mit nimmermüder Konsequenz immer wieder zur Nachfolge aufgerufen hat:

«Das Leben ist ein großartiger Weckruf für uns alle, ein Weckruf, das Gottesbewußtsein zu erfahren; denn unsere Sicherheit, unser Schutz und unsere Kraft kann nirgends gefunden werden als im Gottesbewußtsein. Wir können Tag um Tag den Sinnenvergnügen nachgehen, aber nichts wird uns befriedigen; denn unsere Befriedigung kann nur vom Gottbewußtsein herkommen, welches unbegrenzt ist. Wir können uns Mühe geben, den Körper in Ordnung zu halten. Wir können danach bestrebt sein, in einem luxuriösen Palast zu wohnen, aber die Furcht des nahenden Todes wird uns trotzdem erschrecken, bis wir eben im Gottbewußtsein leben. Und in diesem Gottbewußtsein ist die ewige Liebe und die Überwindung der Furcht vor dem Tode.

Es ist eine Schande, wenn wir unser Leben zubringen mit kleiner und schwacher Liebe, mit Neid und Antipathien. Es ist eine Schande, wenn wir gegenüber den Möglichkeiten in uns das Leben mit kleinen Leiden und kleinen Vergnügen leben. Es ist ein Unrecht, wenn wir unsere Zeit vergeuden im Kampf um die Ansprüche unserer kleinen egoistischen Persönlichkeit. Deshalb laßt uns als menschliche Wesen, als Kinder Gottes, als Erbe der unendlichen Mächte und Wunder, hungern und dürsten nach der vollen Entwicklung des göttlichen Bewußtseins. Laßt uns das Gottbewußtsein erfahren, bevor uns die Tage, Monate und Jahre unter den Händen entschwinden. Laßt euch durch nichts stören oder ablenken. Weitet euch aus in der Liebe zu Gott. Vermehrt eure Güte, macht eure Tugend noch tugendhafter und eure Reinheit noch reiner. Sehnt euch tief nach den Schätzen des Himmels. Dann werdet ihr erleben, daß sich das Buch des Wissens in euren Herzen auftut. »

Dieser Aufruf zur Gottverwirklichung, oder, was dasselbe ist, zur Erfahrung des Gottbewußtseins, ist nichts anderes als der Aufruf zur Nachfolge Christi. « Wenn jemand mit mir gehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es retten.»5) Und: «Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich,ist meiner nicht wert, und wer Sohn und Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert.»6)

Hier schließt sich der Kreis: Nur durch die Selbstverleugnung, nur durch das Leerwerden der Seele vom persönlichen Ich, kann sich das göttliche Bewußtsein in die Seele herabsenken. Wer aber sein Leben der Sinnenfreude, des Neides und Hasses, der Abneigung und Eifersucht, des Machtstrebens und Egoismus hinweggeworfen hat, wird ganz bestimmt das wahre Leben in der göttlichen Liebe und im unendlichen Frieden finden.

Freilich gehört zur Gottverwirklichung, daß die Ansprüche des Körpers zurückgestellt werden. Der einzig richtige Weg dazu ist die Sublimation. Das gilt ganz besonders von der Sexualität, von welcher im 6. Kapitel ausführlicher die Rede ist. Es ist das große Verdienst der modernen Tiefenpsychologie, dass Licht in das unbewußte Seelenleben gebracht wurde. Von großer Bedeutung ist vor allem die Erkenntnis, daß die Verdrängung keine Lösung darstellt, weil sie die Grundlage für die Entwicklung der Neurosen schafft. Der ins Unbewußte verdrängte Trieb schafft sich auf Umwegen einen Auslauf und bricht in Form von neurotischen Symptomen durch. Schon Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, erkannte dagegen die wichtige Rolle der Sublimation. Unter Sublimation versteht man in der tiefenpsychologischen Sprache die Fähigkeit, die Triebenergie für andere, höhere Zwecke und Ziele so einzusetzen, daß der ursprüngliche (sexuelle) Trieb seine Befriedigung in einer Äußerung findet, die nicht mehr sexuell ist, sondern sozial und moralisch höher bewertet wird.7)

Aber der Begriff « Sublimierung » ist hier zu eng gefaßt. Er krankt, wie Swami Omkarananda sagt, am Fehler der gesamten Tiefenpsychologie, welche glaubt das gesamte Seelenleben auf das Bewußte und Unbewußte einschränken zu können. Denn es gibt auch einen überbewuessten Zustand im Menschen, eine Fähigkeit, sich nach oben zu öffnen, eine Fähigkeit zur Intuition und Inspiration. Dieses große Licht im Menschen kann sogar zu Offenbarungen und mystischen Erfahrungen führen und stellt das Bindeglied zwischen Transzendenz und Immanenz dar. Immer wenn die Seele sich vertrauend und hingebend nach oben öffnet, immer wenn das Göttliche in die Seele herabsteigt, werden Saiten in uns angeschlagen, die nicht dem Unbewußten angehören, aber ebensowenig der gewöhnlichen Bewußtseinssphäre, sondern eben etwas sind, das wir Überbewußtsein nennen.

So bedeutet Sublimation nicht nur Befriedigung der Triebenergie «in einer Äußerung, die sozial und moralisch höher bewertet wird», sondern daß die ganze Energie des Menschen geradlinig nur noch auf das Eine, auf Gott hin, ausgerichtet wird. Was aber heißt das?

Swami Omkarananda hat das einmal an einem Beispiel erläutert. Angenommen, so sagte er, er sei verliebt in ein junges Mädchen. Eine Zeit lang geht alles gut, und der Wunsch nach erotischem Erleben wird befriedigt. Dann aber verläßt ihn das Mädchen. Ist nun der Wunsch kleiner geworden ? Im Gegenteil, größer noch als zuvor! So ist also dies nicht der Weg, um Meister über sein Wunschleben zu werden. Der einzige Ausweg besteht darin, daß der Swami sich über alle Maßen in Gott verliebt. In Ihm nun sieht er das Mädchen; in Ihm erkennt er die Frau. Die Liebe zwischen Mann und Frau, die intensivste und gewaltigste Form der menschlichen Liebe, wird verwandelt zur göttlichen Liebe. Gott selber wird zum Gatten oder zur Gattin. So gibt es für Omkarananda keine Männer und Frauen mehr auf der Welt; denn sie alle sind für ihn leuchtende Manifestationen der einen Gottheit. Es gibt nur noch eine Geliebte und eine Gattin, nur noch einen Geliebten und einen Gatten; alle Liebe zwischen Mann und Frau und Frau und Mann wird dem Herrn dargebracht, als dem einzigen Ziel aller Liebe in der Welt. Gott wird zum geliebten Gatten und zur Gattin, zur Mutter und zum strahlenden Kinde; denn alle Liebe gründet und endet in Ihm. Das ist die wahre Sublimation ! Es wäre nun allerdings ein großes Mißverständnis, daraus zu folgern, daß die ganze Menschheit ein mönchisches Leben führen sollte. Jeder soll an seinem Platze groß werden. Eine in Reinheit und gemeinsamem Streben nach Einheit geführte Ehe ist absolut kein Hindernis auf dem geistigen Wege. Aber während normalerweise der junge Mann in seiner Freundin das Mädchen und der Ehemann in seiner Gattin die Frau erblickt, so sieht der Schüler auf dem geistigen Pfade nichts anderes als die Offenbarung der göttlichen Liebe, den Ausdruck der Göttlichkeit, welcher das eigene innere und göttliche Herz tief entflammt hat. 8)

Swami Omkarananda besitzt eine unglaubliche Fähigkeit, auf jeden Menschen und seine speziellen Probleme einzugehen. Sein psychologisches Feingefühl, seine intuitiven und inspirativen Gaben sind außerordentlich hoch entwickelt. Zwei Menschen können mit dem scheinbar gleichen Problem zu Omkarananda gehen; sie werden zwei ganz verschiedene Antworten bekommen, weil hier in einer sehr differenzierten Art und Weise auf die Probleme eingegangen wird. Jeder Mensch erhält die Antwort, welche seiner Stufe und seiner Situation entspricht; was für den einen gut ist, braucht es nicht unbedingt für den andern zu sein. Omkarananda versteht es, weit tiefer in die menschliche Seele hineinzublicken, als das mit noch so großen psychologischen Tests und Fachkenntnissen möglich wäre. Und was das so ungemein Tröstliche, Erhebende, ja direkt Erschütternde bei jeder Begegnung mit Omkarananda ist: er erblickt in den Tiefen unserer Seele nicht nur Konflikte und einander entgegengesetzte Tendenzen, nicht nur den nackten Egoismus und ein abgründiges Triebleben im Unbewußten. Freilich, all dies sieht er auch, und er wäre der letzte, welcher die fundamentale und oft erschreckende Bedeutung des unbewußten Seelenlebens verkennen würde. Dazu gehört beispielsweise, daß er es wie kaum ein Zweiter versteht, Träume, jene Produkte des Unbewußten, auf ihren tiefsten Sinn und Inhalt hin zu deuten.

Trotzdem also Omkarananda das alles nicht verborgen bleibt, sieht er in uns letztlich und eigentlich nur eine Offenbarung des göttlichen Bewußtseins. Er spricht uns als Söhne und Töchter des einen Vaters an. Er hält einen Zauberspiegel vor unsere Augen und sagt: Seht, so seid ihr in eurem innersten Wesen. Nun seht zu, daß sich dieses innere Licht vollständig in euch entfalte. Dieses Thema kommt hauptsächlich in den ersten beiden Kapiteln zur Sprache. Was uns Swami Omkarananda sagt, ist weder eine psychologische, noch eine philosophische Theorie. Es ist die reine Wahrheit, welche jenseits aller Theorien, aber auch jenseits aller nationalen und konfessionellen Schranken liegt. Vor allen Dingen ist es aber eine erlebte Wahrheit. Kein Satz Omkaranandas, den er nicht selbst erlebt, erfahren und erlitten hätte! Gelegentlich hat er selber davon gesprochen: «Alles, was ich jetzt gesagt habe, ist Wahrheit auf Grund dessen, was ich erfahren habe und erfahre. Gott hat mir in meinen Meditationsstunden die Tiefe und Realitat seiner Existenz gezeigt; Christus hat mich befreit vom menschlichen Gemüt und den körper lichen Begrenzungen und mich erhoben zu den großen Wohnungen der Ewigkeit. Er hat alle Zellen meines Wesens mit seiner Kraft und der unbeschreiblichen Freude getränkt. Er hat mein ganzes inneres Wesen durch alle die höheren Welten hindurch geführt.»

Oder ein anderes Mal: «Ich würde niemals mit euch über die Unsterblichkeit sprechen, wenn ich sie nicht selber so und so oft erfahren hätte. Ich würde niemals vom unbegrenzten Frieden zu euch sprechen, wenn ich ihn nicht immer und immer wieder erlebt hätte, bis er zum konstanten Faktor meines Lebens geworden ist. Alles, wovon ich in diesen vielen Tagen gesprochen habe, sind die Resultate und Erfahrungen meines Lebens. Diese Erfahrungen sind immer wieder bewiesen worden in meinem täglichen Leben. Sie sind aber nicht mein Vorrecht; sie können auch euch angehören. » Dazu gehört nun aber, daß auch wir das Göttliche tatsächlich erfahren und es im alltäglichen Leben verwirklichen und nicht nur darüber sprechen oder davon schwärmen. Wenn jemand in einer gesegneten Stunde Omkarananda einen guten und positiven Brief schreibt, wird er sich gewiß sehr darüber freuen; aber, wird er dann sagen, viel wichtiger als noch so schöne und gutgemeinte Briefe, ist es, wenigstens einen Zehntel davon auch in schwierigen Alltagssituationen zu verwirklichen. Darum ist all das, was in den kommenden Kapiteln Omkarananda zu uns spricht, ein eindringlicher Aufruf zum Erwachen, Erleben und Verwirklichen. Darum geht an den ernsthaften Leser die nachhaltige Bitte, diese Blätter nicht als eine Art geistiges Lese und Erbauungsbuch zu betrachten, sondern als eine Aufforderung zum täglichen Gebet und zur täglichen Meditation, zur harten Arbeit an sich selber.

Der Verwirklichung kommen wir nur näher, wenn wir nicht stillestehen. Wie oft aber möchten wir stehen bleiben und überhören dabei den Aufruf zum Weitergehen! Gerade Menschen, welche schon einige Fortschritte gemacht haben, erliegen gerne dieser Gefahr. Ganz besonders sind es mystische Erfahrungen, welche zum Fallstrick werden können. Das ist menschlich gesehen verständlich; denn welcher Mensch erfreute sich beispielsweise nicht an einer schönen Vision ?

Mystische Erfahrungen sind manchmal gewiß sehr nützlich und stellen, wenn ich so sagen darf, willkommene Zulagen auf dem mystischen Pfade dar. Aber so oft geschieht es, ganz besonders in okkulten und mystischen Gruppen, daß diese Zulagen zur Hauptsache werden, und die Hauptsache - die dienende Selbsthingabe an Gott - zur Nebensache.

Vor einigen Jahren hatte ich einen Traum, der mir mit einer wunderbaren Klarheit und Transparenz den eigenen Lebenspfad aufzeigte. Still bewahrte ich diesen Traum in meinem Herzen und voll Freude ging ich hin zum Swami, um ihm meinen Traum zu erzählen. Im Geiste stellte ich mir vor, wie er nachher anerkennend und bekräftigend darüber sprechen würde. Was geschah aber ? Omkarananda hörte sich meine Schilderung geduldig wie immer an und gab dann zur Antwort: «Das ist nicht wichtig. Vergiß diesen Traum. Aber setze all deine Energie dafür ein, wie du demütiger, reiner und gütiger werden kannst!»

Gleicherweise betonte Omkarananda, speziell im Kapitel über den Okkultismus, wie verkehrt es ist, mit all unseren Kräften den okkulten Erscheinungen nachzujagen, wo doch im Grunde nur eines nottut.

Darum: Wache auf und gehe immerzu voran . . . !

Ich habe davon gesprochen, daß uns Omkarananda keine Ansichten oder Theorien mitgegeben hat, sondern erlebte Wahrheit. So stellt sich die Frage: Was für ein Mensch ist das, der solches erlebte und erfuhr ? Es ist wohl am besten, wenn wir hier Omkarananda selber zum Worte kommen lassen:

«Wenn sich das menschliche Herz entwickelt hat zu außergewöhnlicher Kraft, wenn sich unser Gemüt in seinem Hunger und Durst nach dem Gottbewußtsein aufgelöst hat, wenn unsere äußeren Augen nichts mehr konstatieren, wenn unsere Ohren offen sind und dennoch nichts hören, wenn in unserem inneren Bewußtsein Angst, Unruhe und negative Tendenzen verschwunden sind, wenn alles in uns sich sehnt nach dem Göttlichen und dieser Zustand während Tagen, Monaten und Jahren beibehalten wird, dann wird die unbekannte Gottheit anfangen, sich kundzutun. Dann wird die formlose Gottheit eine Form annehmen; dann wird eine Stimme ertönen aus dem stimmlosen Unendlichen; dann wird ein Etwas neben uns spürbar, mit dem wir in Kontakt treten und sprechen können. Es geschieht durch Gnade, daß wir die Mysterien, die Rätsel der zeitlosen Unendlichkeit, kennenlernen . . .» Es geschieht durch Gnade, sagt Omkarananda. Diese Gnade aber öffnet sich dem Menschen, welcher in höchster Eile und grosser Aufmerksamkeit danach trachtet, ein «Leben in der Welt, aber nicht von der Welt»9) zu führen.

«Jede Arbeit, die wir von diesem Tage an tun, ist Seine Arbeit. Alle Worte, die wir von diesem Tage an sprechen, sind Seine Worte. Wir haben keinen eigenen Willen mehr außer Seinem Willen. Wir haben kein Gemüt mehr, außer Seinem Gemüt. Wir sehen nichts, während wir alles sehen. Wir wünschen uns gar nichts mehr von außen, weil Sein endloser Friede, Seine Wonne und Sein Glück in uns sind.»

Körperliche und seelische Schmerzen werden in diesem Zustand wohl wahrgenommen; aber sie vermögen die innere göttliche Seligkeit absolut nicht zu beeinflussen:

«Es ist mir unmöglich, mich leidend zu finden, während mein ganzer Körper schmerzt. Es ist mir unmöglich, etwas Böses zu sehen, obwohl es durchaus da sein kann. Denn während wir hier auf Erden leben und alle menschlichen Pflichten erfüllen, sind wir immerzu in Ihm und erfüllt von Ihm.»

Und weiter noch: «Ich habe keine Programme, keine Pläne, keine Ziele. Wenn etwas scheinbar durch mich bewirkt wird, dann ist es Sein Tun. Meine Kraft, mein Alles ist er. Seine Gnade genügt mir vollkommen. Es gibt für mich keine Geheimnisse, weil dieses innere Wissen nicht mein Wissen, sondern Seine Kenntnis ist. Wer mich verehrt, verehrt nicht meine Persönlichkeit, sondern Ihn, und wer mich beleidigt, beleidigt Ihn und nicht mich... Hunderte Male habe ich Seine Arme und Augen gesehen, mit dem Ergebnis, daß ich sie heute jederzeit erlebe, unter allen Umständen und in allen Zuständen des Lebens.»

Den Schlüssel zu diesen Worten finden wir im JohannesEvangelium, in Jesu Abschiedsrede: «. . . Glaubst du nicht, daß ich im Vater bin und der Vater in mir? Die Worte, die ich zu euch rede, rede ich nicht von mir aus. Der Vater aber vollbringt in mir wohnend seine Werke. »10)

Je mehr sich für einen Menschen die Gnade des Gottbewußtseins öffnet, desto mehr wird er jenes große Geheimnis erfahren, daß Gott «in ihm wohnend seine Werke vollbringt.» Denn «wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch selbst vollbringen, und noch grössere dazu!»11)

Haarscharf ist die Grenze zwischen wahren und falschen Propheten. Es gibt nur ein untrügliches Zeichen: Der gottgesandte Diener lebt in größter Bescheidenheit und Bedürfnislosigkeit. Sein Wesen ist voller Demut und Hingabe. Er strahlt unendliche Kraft, Frieden und Liebe aus. Sein eigenes Ich ist abgestorben, weil nur noch das göttliche Du in ihm lebt.

Solch ein reiner und demütiger Diener Gottes ist Swami Omkarananda.

Dieser Diener Gottes, Swami Omkarananda, ist nun zu uns gekommen. Er hat zu uns gesprochen; er hat uns belehrt; er hat uns geliebt und er hat unter uns gelebt. Daß dieser einfache Mönch aus dem Himalayagebiet kam, ist unwichtig. Wichtig ist nur eines: daß dieser Mensch eine einzigartige Kenntnis vom göttlichen Leben besitzt und diese Kenntnis geradlinig und kompromißlos in seinem Leben verwirklicht. Omkarananda wird uns damit zum echten Wegweiser, zum Führer und «großen Bruder» für alle Wanderer ans andere Ufer.

Freilich, wer nur in den Niederungen lebt und noch nie etwas von den Höhen vernommen hat, wird kaum verstehen, was das Wandern ans andere Ufer bedeutet. Ich möchte dies anhand eines Beispieles erklären:

An Herbst und Wintertagen sind Stadt und Landschaft oft in einen undurchdringlichen Nebel eingehüllt. Oben aber, auf der Höhe, löst sich der Nebel langsam auf, und die ganze Klarheit eines tiefblauen Himmels mit einer alles überstrahlenden, alles vergoldenden Sonne öffnet sich über uns. Wenn nun ein Mensch nie etwas anderes erlebte als die neblige Niederung, so besäße er keine Kenntnis von der Sonne. Er lebte zufrieden sein Leben im Tale und verspürte kein Verlangen nach den Höhen. Genau so ist es auf dem geistigen Wege. Wer nie Gott berührte, wird ratlos und verständnislos der Sehnsucht nach der göttlichen Sonne gegenüberstehen. Er wird sein Leben leben, das Leben in seiner ihm gemäßen Sphäre. Wer aber auch nur einmal aus jenem Nebel emporgestiegen ist und die Sonne erblickt hat, wird diese Sonne nie mehr vergessen.

Wer auch nur einmal von der göttlichen Allschönheit berührt wurde, trachtet mit allen Kräften danach, diese Berührung wieder und wieder zu erleben oder aber er wird todunglücklich.

Nehmen wir an, eine Biene habe sich schon von tausenderlei Blumen genährt. Nun lernt sie eines Tages einen Nektar kennen, der alles, was sie bisher kostete, weit in den Schatten stellt und von einer unsagbaren Reinheit und Köstlichkeit ist. An den folgenden Tagen leidet die Biene große Qualen, weil sie ihren Nektar nicht mehr findet; denn alles andere schmeckt ihr nun fad und billig.

Jeder Mensch, der einmal vom göttlichen Nektar gekostet hat, gleicht dieser Biene. Mag er sich noch so sehr bemühen, wieder sein gewöhnliches Leben zu leben, er kann jenen Nektar doch nimmermehr vergessen. Er muß sich auf die Wanderung nach jenem Nektar aufmachen, obschon er weiß, wie beschwerlich, steinig und dornenvoll diese Wanderung ist. Er wird leiden; aber der größte Schmerz und das größte Opfer können jenen Nektar nicht vergessen machen.

Solcherart ist der Weg an das andere Ufer. Eine Gnade aber ist es, wenn uns ein Bruder wie Omkarananda auf diesem Wege vorangeht.

Es sei mir am Schlusse gestattet, kurz auf die Entstehungsweise dieses Buches hinzuweisen. Swami Omkarananda hat während seines Schweizer Aufenthaltes viele Vorträge, Einführungen und Besprechungen gehalten, die allesamt von Frau Hanna Herrmann, Winterthur, simultan ins Deutsche übertragen wurden. Frau Anni Wuhrmann, Winterthur, hat den größten Teil dieser Reden stenographisch aufgenommen und mir zur Verfügung gestellt. Ihnen und allen anderen, die mir in irgend einer Weise bei der Arbeit geholfen haben, möchte ich von Herzen danken.

Von dem großen gesammelten Material konnte natürlich nur ein kleiner Teil hier berücksichtigt werden. Swami Omkarananda hat mir in außerordentlicher Großzügigkeit völlig freie Hand gelassen. So habe ich versucht, das mir am wichtigsten Scheinende auf neun verschiedene Kapitel aufzuteilen, wobei teilweise (wie besonders im 3. und 4. Kapitel) größere zusammenhängende Vorträge, teilweise einzelne Bruchstücke verwendet wurden. Der Wortlaut entspricht weitgehend der deutschen Übersetzung, abgesehen von stilistischen Änderungen.

Und so hoffe ich, daß Omkaranandas Wort auch in dieser Form in die Herzen dringt und reiche Früchte trägt. Denn mit ihm kam ein Licht in die Täler, auf dass sich neue Lichter entzünden.

Beim Propheten Jesaja (Kap. 60,1) lesen wir jenen eindringlichen Aufruf, jene grandioseVerheißung: «Mach dich auf, werde Licht; denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn strahlt auf über dir. » Vor über zweieinhalbtausend Jahren wurden diese Worte an das künftige Zion, an das neue Jerusalem gerichtet. Heute werden wir sagen, dass dieser Aufruf und diese Verheißung ganz persönlich an jeden Einzelnen unter uns gerichtet sind.

Davon künden die nun folgenden Worte von Swami Omkarananda.

Jürg Wunderli

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1. Kapitel
Vom Sinn und Ziel des Lebens

Tief verehre ich die Gottheit, die in deinem Herzen wohnt. Spürst du ihre Anwesenheit, die in dir gegenwärtig ist ? Wir sind alle Kinder Gottes. Du bist die gesegnete Verkörperung Seiner Macht und Seiner Liebe. Jesus Christus kann gesehen werden, Er kann zu dir sprechen und du kannst mit Ihm gehen. Seine Liebe für dich ist unbegrenzt, und Seine Segnungen sind ohne Ende. Gerade jetzt ist Er ganz bei dir. Er hat tausend Augen zu sehen und tausend Ohren zu hören. Er ist allmächtig, allgegenwärtig und allwissend. Christus ist die höchste Gottheit. Er ist immer bei dir. Diese Gottheit, die dir hilft und dich überall hin begleitet, ist auch der Schöpfer von Millionen anderen Welten, die Er ebenso liebt und segnet. Die Erfahrung Seiner Gegenwart ist auch für dich zugänglich, und zwar in diesem Moment. Je mehr du diese Erfahrung machst, desto gesegneter wird dein Leben werden. Was könnte dich daran hindern? Nichts als das Gebundensein an all die Kleinlichkeiten in deinem Leben. Du entgehst diesem göttlichen Bewußtsein, je mehr du in deine egoistischen Tendenzen, Gefühle und Interessen verstrickt bist.

Je tiefer du in diesem Gottesbewußtsein verwurzelt bist, desto erfüllter wird dein Leben. Je mehr du versinkst in das Gottbewußtsein, desto unerschöpflicher wird deine Kraft, desto unbegrenzter dein Wissen, desto allumfassender deine Liebe. Je größer deine Hingabe, desto rascher vollzieht sich deine innere Entwicklung, desto größer wird deine Weisheit. Wenn du in Christus bleibst, kannst du Wunder wirken. Wenn du aber in deinem eigenen Ich bleibst, bist du begrenzt in deiner Güte, begrenzt in deiner Kraft, begrenzt in deinem Denken. Ein Leben, das du nur in deiner Sinnenwelt lebst, das deinen Gefühlen ausgeliefert ist, und das den menschlichen Neigungen geschenkt wird, ist ein Leben der Begrenzung. Je näher du Ihm kommst, desto erfüllter wirst du von Kraft und Energie. Je mehr du deine Gedanken und Gefühle erhebst, desto reicher wirst du Seine Gaben empfangen können. Im Kontakt mit Ihm wird alles möglich. Aber wenn du dich entfernst von Seiner göttlichen Schönheit, Kraft und Herrlichkeit, dann versinkst du in die Mangelhaftigkeit und Hilflosigkeit.

Deshalb sollst du mit großer Dringlichkeit darangehen, dein Leben zu vervollkommnen und dich von Seiner Gnade und Seiner Kraft erfüllen lassen. Überall ist es dir möglich, dein Leben zu einem Leben im Christusbewußtsein zu gestalten, seiest du im Haus, im Büro oder sonst in irgend einem andern Bereich des Alltags.

Dieses Christusbewußtsein ist für dich in jedem Moment zugänglich, in allen Lebensumständen, in allen Lebensmöglichkeiten. Ich will dir die letzte Wahrheit sagen: In Wirklichkeit existiert überhaupt nichts anderes als das Christusbewußtsein. Aber jedesmal,wenn Christus nicht in deinen Empfindungen, in deinem Denken ist, verleugnest du Ihn, und du verlierst Ihn. Jedesmal wenn du mit deiner ganzen Hingabe die Verbindung mit Ihm suchst, kann sich dein Gemüt heben zu Seinem Gemüt, dein Denken und Fühlen zu Seinem Denken und Fühlen, und dein ganzes Wesen kann sich von Seinem Wesen durchströmen lassen. Wenn du nur einen kleinen Fortschritt machst, wirst du erfahren, wie nah du Christus bist und wie Er dir alles offenbaren will. Christus wird dich nicht nur durch eine Offenbarung, eine Erleuchtung führen, sondern durch Hunderte von Erfahrungen. Ich habe mich bemüht, mich für die vielen Pflanzen und Blumen in Europa zu interessieren. Aber jedesmal, wenn ich eine Blume ansehe, lächelt mir das Antlitz Christi entgegen.

Wenn irgendwo in der Welt meiner Person eine Leistung zugeschrieben wird, muss ich sagen, daß nicht ich, sondern Christus in mir es vollbracht hat. Wenn die Menschen zu mir kommen und mir von ihren übernatürlichen Erfahrungen berichten, welche sie in Verbindung mit mir gemacht haben, muß ich sagen, daß nicht ich, sondern Christus in mir es getan hat. Christus vollbringt unbeobachtet in der Stille nicht nur einige Wunder und Offenbarungen, sondern Tausende.

Die Gnade Gottes führt dein Leben bereits der größeren Reinheit, der größeren Gnade und der größeren Heiligkeit entgegen. Halte dein Streben und deine Bemühungen aufrecht, und du wirst erfahren, wie Christus sich dir zuneigt. Du bist dem Herzen des allbarmherzigen und liebenden Christus sehr nahe. Morgen wird es dein Vorrecht, dein Friede und dein Glück sein, das Christusbewußtsein zu erlangen und es weiterzutragen zu den andern.

Dieses Christusbewußtsein wird uns nicht vorenthalten werden, bis alle eins sind mit dem Vater im Himmel. Es gibt nichts Schlechtes in deinem Leben. Du mußt danach trachten, das Christusbewußtsein hineinzuziehen in all das, was du empfindest, in all das, was du denkst und in die Art, wie du lebst. Wenn du dich in dieser Weise bemühst, werden deine Fähigkeiten vergrößert, deine Energien wachsen, und du wirst ein immer größerer Diener werden. Sei dir immer bewußt, daß dieses Christusbewußtsein dich führen, dir helfen und dich immer segnen wird. Wenn du nun dieser Linie entlang gehst, was geschieht? Unbemerkt und allmählich wirst du eines Tages erleben, daß Christus mit dir geht. Von diesem Tage an werden deine Augen kein Übel und nichts Böses mehr sehen. Von diesem Tage an wirst du, wem immer du begegnen magst, Christus in dieser Person begegnen. Von diesem Tage an wird dein Herz erfüllt werden von dem Geiste der Barmherzigkeit und der Liebe. Von diesem Tage an wird dein Leben eingetaucht sein in die göttliche Liebe und Weisheit. Von diesem Tage an wird dir alles möglich sein, aber nicht durch dich in deiner Person, sondern durch Christus in dir. Von diesem Tage an ist dein Leben voll Friede, es wird gesegnet, ruhig und göttlich sein. Von diesem Tage an ist deine Gegenwart göttlich und inspiriert und wenn jemand dich achtet, ehrt und liebt, dann liebt er eben nicht dich, sondern Christus in dir. Dieser Tag aber und dieses Erlebnis ist dein unmittelbares Schicksal. Und jede kleinste Bemühung, die du in dieser Richtung unternimmst, wird reich belohnt werden. Denk daran, du bist jetzt in Ihm! Und du magst laufen, wohin du willst, du bist immer noch in Ihm. Ohne Sein Licht ist alles dunkel, aber du bist in Seinem Licht.

Wenn alles in dir zerbrochen scheint, ist nichts zerbrochen, weil Er alles wieder zusammenheilt. Du magst noch so Tränen vergießen über dein Unglück und deine Unzulänglichkeiten, all dies hat keine Wirklichkeit in Ihm.

Welches ist die schnellste Art, die Gottverwirklichung zu erlangen?

Die Art ist verschieden, je nach Person. Die einen erreichen die Gottverwirklichung durch die Mächte ihres Herzens, andere durch tiefe Kontemplation. Für jene, die im täglichen Leben ihrer Arbeit, sei es im Büro oder sonst irgendwo, nachgehen, ist dies der leichteste Weg zu dienen im Namen Gottes. Für wieder andere ist die Musik das Mittel der Gottverwirklichung. Aber auch die Pflege anderer Künste ist ein Weg zur Verfeinerung des Wesens. Wieder andere können all diese Methoden kombinieren. Immer aber geht es um eine intensive Liebe zur Gottheit, zur göttlichen Gnade und Schönheit. Es geht aber auch um das Bestreben, das Ego in dir zu überwinden, indem du die Gottgegenwart im Mitmenschen erkennst. Wenn du die Liebe zu Gott verbindest mit dem Dienst am Mitmenschen, wirst Du noch rascher vorankommen. Denn jede kleinste Bemühung, jeder Wunsch, jeder Plan, jeder gute Gedanke wirkt sich auf dein Vorwärtskommen, auf dein Weiterschreiten aus. Deine Fortschritte äußern sich im inneren Frieden, den du empfindest, in der Ruhe und Güte, die du ausstrahlst, in der großen Liebesfähigkeit, die von dir ausgeht. Du darfst nie aufhören, gut und positiv zu denken! Denn nur dadurch erfolgt dein Fortschritt, und zwar naturgemäß. Denke schärfer; analysiere genauer und logischer. Kontrolliere dich und alles um dich herum; schalte deine kleinlichen, egozentrischen Gefühle um in große, gute und reine Gedanken ! Kämpfe mit deinem Egoismus nicht in der Dunkelheit. Betrachte alles von der hellen, schönen und lichtvollen Seite. Versuche immer und immer wieder, deine Gaben und Kräfte zu entfalten, das allein wird dir schon zur großen inneren Freude.

In dir ist ein unendliches Bewußtsein. Dieses Bewußtsein aber ist dasselbe Bewußtsein, welches die unendlichen Welten um uns und über uns beseelt. Der Gott des Lichtes, der Liebe und der Vollkommenheit in dir, ist der Gott, der in allen Menschen und überall ist. Diese allsehende, allwissende und allmächtige Gottheit ist gegenwärtig in der ganzen Natur. Der Raum, der für dich leer ist, ist voll der unendlichen Mächte des Gottbewußtseins. Wenn du dich nach oben öffnest, wirst du die endlosen Segnungen des Göttlichen empfangen. Es sind ja viele Methoden da, und ich bitte dich, noch viel mehr nach Gott Ausschau zu halten. Du mußt daran denken, daß Gott eine unerschöpfliche, unbegrenzte Macht ist, welche Trillionen von Menschen in Erscheinung gebracht hat. Gott ist die unbeschreibliche Schönheit, die in dir selber ruht. Gott versteht dich, reagiert und antwortet auf deine Fragen. Wenn die Stunde der Erleuchtung durch dieses wunderbare göttliche Wesen kommt, dann bringt dir Gott zum Beispiel an deine Türe einen heiligen Menschen. Und dieser Mensch wird dir helfen, Gott tief zu erleben. Oder Gott bringt dir ein großes, inspirierendes Buch. Und wenn du wirklich intensiv nach der Erkenntnis Gottes trachtest, kann Er dir einen Traum oder eine Vision schenken, die dein Wissen und deine Liebe bedeutend erweitern.

Über das Reich Gottes 12)

Das Reich Gottes ist die allwissende, allumfassende, leuchtende Gottheit. Es kann nicht gekauft werden, weil es kein irdisches Ding ist. Es ist hier um uns und in uns, denn es ist ein unendliches Gottbewußtsein. Richte einen Holzhaufen und wirf mich in dieses Feuer. Auch hier wird das Reich Gottes in mir und um mich herum sein. Führe mich zum Hause einer schlechten Frau und sage, hier wohne eine sündige Dirne, so werde ich das Reich Gottes auch in diesem Herzen erleben. Führe mich in irgend eine Straße oder zu irgend einem Menschen, das Reich Gottes wird sich mir überall offenbaren. Jeder Punkt im Weltall ist voll vom Reiche Gottes. Nur dort ist das Reich Gottes nicht, wo es sich um die Welterfahrungen und Weltversuchungen handelt. Aber das Reich Gottes ist immer in mir, immer in dir und nicht nur in mir und in dir, sondern in uns allen.

Das Reich Gottes ist nicht eine Sache des Erkaufens, sondern der Erfahrung. Je mehr unser Herz erblüht in der Liebe zu Christus, je mehr sich unsere Augen und unser Gemüt zu Seiner Schönheit erheben, je mehr unsere Gefühle rein sind und unsere Taten beladen mit dem Bewußtsein Seiner göttlichen Gegenwart, je mehr die Tugenden in uns, das Mitleid und die Barmherzigkeit erwachen, umso näher sind wir dem Reiche Gottes. Das Reich Gottes kann nicht gekauft werden in der Art, wie wir Dinge kaufen, aber es kann gekauft werden, indem wir uns ihm weit öffnen. Es kann nur gekauft werden durch unsere unbegrenzte, alles umfassende Liebe zu Christus. Es kann nur gekauft werden, indem wir uns vollständig Seinem Willen, Seiner Gnade, Seiner Vollkommenheit hingeben. Das Reich Gottes ist eine Angelegenheit der lebendigen Erfahrung. Solange wir unwissend sind, solange wir verstrickt sind in unseren Begrenzungen, werden wir das Reich Gottes nirgends sehen, sondern nur Sünde und Unzulänglichkeit.

Reinheit und Einheit

« Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.»13)

Reinheit: Sei mit dem Wort Reinheit sehr vorsichtig. Wenn du dir vorstellst, dass du reinen Herzens bist, wirst du Gott nicht sehen. Wenn du sogar sehr reinen Herzens bist, wirst du Gott nicht sehen. Du bist rein in der Art, wie weit deine Vorstellung von der Reinheit reicht, aber du bist nicht so rein, wie Gott es verlangt. Denn nur das, was in den Augen Gottes Reinheit ist, kommt hier in Frage. Wenn du denkst, daß du rein bist und dir deine Reinheit genügt, machst du einen großen Fehler. Wenn deine Reinheit mit menschlichen Augen gesehen genügend wäre, ist es vielleicht doch nicht die Reinheit, die Gott verlangt. Es gibt so viele Menschen auf der Welt, die wir als rein betrachten, und doch haben sie Christus nie gesehen. Daß diejenigen, die reinen Herzens sind, Christus schauen, ist wahr. Die Frage ist nur: welche Art von Reinheit schaut Christus? Es handelt sich um die Reinheit, wie Gott sie versteht, nicht wie du sie verstehst. Gib Gott nicht die Reinheit, die dich befriedigt. Gib Ihm die Reinheit, die Er von dir verlangt. Die Art von Reinheit aber, die Er von dir verlangt, wird sich entwickeln, je mehr du mit Ihm eins wirst. Die Art von Reinheit, welche Er von dir verlangt, wird sich entwickeln, wenn du dich Ihm zuwendest, mit deiner ganzen Kraft, Hingabe und Liebe. Deine menschliche Reinheit ist ein Mittel und ein Weg. Sie ist eine Hilfe, damit Gott dir Seine Reinheit zeigen und erweisen kann. Seine Reinheit aber ist die Bedingung, um die Einheit mit Gott erfahren zu können.

Einheit: Einheit ist dort, wo du eins bist mit dem höchsten göttlichen Bewußtsein in dir. Es gibt keinen Punkt im Raume, wo nicht dieses Christusbewußtsein da wäre. Es gibt kein menschliches Wesen, das nicht in sich selbst Christusbewußtsein hätte. Dieses Bewußtsein ist immer in uns. Dieses Bewußtsein sieht auch alle dieienigen, die noch konstant schlafen. Es ist sogar vollkommen in denjenigen Menschen, welche es zulassen, von ihren tierischen Instinkten regiert zu werden. Ohne dieses Christusbewußtsein können wir weder leben noch atmen noch uns bewegen. Das Christusbewußtsein ist die Grundlage unseres Lebens. Es ist das Licht deines Lebens, die Seele deiner Seele, das Bewußtsein deines Bewußtseins.

Nenne diese allwissende, allmächtige, allleuchtende Macht Christus, Christusbewußtsein, heiliger Geist oder sonst irgendwie, der Name spielt keine Rolle. Aber wisse, daß dieser Geist oder dieses Bewußtsein immer eins ist mit der höchsten Gottheit, mit dem Vater im Himmel. Dieser Geist oder dieses Bewußtsein ist überall und in allen Wesen. Aber nur einige erleben Ihn, und die andern fliehen vor Ihm. Christus ist wie die Sonne am Firmament. Die Sonne scheint ebenso auf den Wolkenkratzer wie auf den Palast und die Hütte des armen Mannes. Häuser mit Glasdächern sind erfüllt von Sonne und Licht, aber Häuser mit Ziegeln lassen keinen Sonnenstrahl hindurch. Obschon also die Sonne überall ist, gibt es Häuser, die das Licht durchlassen und andere, die die Sonne nicht durchlassen.

Gleichfalls ist Gott gegenwärtig in allen Wesen, ob sie höher oder niedriger, gut oder böse sind. Aber die Heiligen offenbaren Ihn und die Unheiligen schlafen. Die Verwirklichung der Einheit in der absoluten Reinheit ist dein Ziel. Wir sind alle eins im Geiste, aber nicht eins im Gemüt, nicht eins in unseren Gefühlen und nicht eins in unseren Körpern. Der ganze innere Geist in uns sehnt sich nach dieser Einheit. Aber der Mensch, der durch das Drängen des sexuellen Instinktes weggezogen wird von dieser Sehnsucht, umarmt die Frau und erliegt dieser Leidenschaft. Deshalb kann die Einheit nicht erlangt werden dadurch, dass wir einen andern Menschen in den Armen halten, wohl aber kann sie in der Tiefe deines Wesens erreicht werden, in deinem Verstehen, in deiner Liebe und in deinem Trachten nach Vollkommenheit. Du mußt wissen, daß die Vereinigung der Körper diese Einheit nicht zustande bringen kann. Die Einheit muß in deinen Gedanken, Gefühlen, Bestrebungen, kurz, in deinem ganzen geistigen Sein stattfinden. Sobald du die Gotterfahrung der Einheit gemacht hast, bist du sofort eins mit allen Menschen, allen Wesen und allen Elementen. Und wenn du das erreicht hast, besitzst du ein kosmisches Bewußtsein, eine universelle Weisheit und eine göttliche Liebe.

Der eine Herr und die vielen Namen

Christus ist identisch mit der höchsten Gottheit. Als Christus auf Erden war, konnte Er nur eine spezielle Art Arbeit ausführen. Aber in sich hatte Er eine so tiefe Erfahrung des Unendlichen und war derart vollkommen im Gottbewußtsein, daß keine Arbeit für Ihn unmöglich war, sofern Er es nur wünschte. Es gab keine Vollkommenheit des Vaters im Himmel, die Er nicht auch haben konnte, wenn Er sie wollte. Es gab keine Möglichkeit der höchsten Gottheit, deren Er nicht auch fähig gewesen wäre, wenn Er es wünschte. Deshalb kann die Rettung der Welt durch Christus kommen, aber nicht notwendigerweise durch Christus allein. Denn Christus ist nicht der Sklave Seines eigenen Namens oder der Persönlichkeit. Als ich mich in tiefer Liebe und Verehrung der Mutter Maria zuwandte, da kam Christus zu mir und verlangte Seine Verehrung und Seine Liebe. Als ich mich in Liebe Allah hingab, stand Christus neben mir. Und wenn ich in irgend eine indische Gottheit versunken bin, dann stehen Christus und die Mutter Maria neben mir. Deshalb sollte die Errettung der Menschheit durch Christus kommen, aber nicht durch Christus, wie wir Ihn verstehen. Christus, der zum Mohammedaner kommt in seiner mystischen Erfahrung, ist auch Christus. Wenn die Mutter Maria neben dir steht und ihre Schönheit, Reinheit und Herrlichkeit enthüllt, dann kannst du sicher sein, daß auch Christus dabei ist. Das höchste Christus-Bewußtsein kann und will zu dir kommen als Jesus14).

Aber auch wenn ein Mohammedaner erfüllt ist von seiner Gottheit, die er Allah nennt, können wir sicher sein, daß Christus anwesend ist, jedoch nicht in der Persönlichkeit, wie wir Ihn sehen.

Stets mußt du dich der einfachen und absoluten Wahrheit erinnern, daß Christus immer eins ist mit dem Vater im Himmel. Was spielt es für eine Rolle, ob wir sagen Vater oder Christus? Was kommt es darauf an, ob wir Ihn Gott, Allah oder Christus nennen? Es ist alles dasselbe.

Sogar wenn wir Jesus Christus aus unserem Leben entfernen und nur an den Vater im Himmel denken, wird Christus dabei sein. Es ist nicht so, daß Christus nur in der Form, wie wir Ihn erleben, gegenwärtig ist, sondern Er kann ebenso gegenwärtig sein in Allah bei den Mohammedanern. In welcher Form sich Gott auch offenbaren mag - du erlebst Christus. Und wenn du zu Christus allein gehst, wirst du doch den Vater berühren und erfahren.

Von der Notwendigkeit der kirchlichen Unterweisung

Frage: Sollen wir bei der Erziehung unserer Kinder die übliche kirchliche Unterweisung weglassen, um die noch neutrale Kinderseele frei von einem bestimmten religiösen Weg zu erziehen?

Antwort: Gerade wenn wir alle Verkehrsregeln kennen und gute Autofahrer sind, wäre es ganz unweise, der Regierung nahezulegen, auf die üblichen Verkehrsbezeichnungen auf den Straßen zu verzichten. Es wäre unklug, die Stoppsignale an den Kreuzungen zu entfernen. Genau so ist es bei der Erziehung. Gerade wenn unsere Reinheit, unsere Weisheit und unsere jetzige Erkenntnis uns befähigen, dem geistigen Pfad ohne Dogma und ohne spezielle Unterweisung zu folgen, so heißt das absolut nicht, daß alle andern in der Lage wären, diesen Weg zu gehen. Deshalb sind alle kirchlichen Gruppen, Konfessionen und Sekten mit bestimmten Richtlinien notwendig. Die Kirche ist eine organische Notwendigkeit des menschlichen Individuums. Niemals werden wir die traditionellen Gebete der Kirche aus dem Wege schaffen können; denn die jetzt in der Kirche verwendeten Gebete sind wertvoll und zeitlos. Es ist auch nicht weise von uns, zu denken, daß das Kind nicht durch die Erfahrungen hindurch muß, die wir jetzt hinter uns gelassen haben. Vielleicht ist das Kind nicht so entwickelt wie wir und braucht deshalb alle Weg- und Stoppzeichen. Umgekehrt mag es auch der Fall sein, daß wir im Grunde diesen Weg der Kirche noch nötig haben, aber unsere Kinder ihn vielleicht nicht mehr brauchen. Es kann sein, daß unsere Kinder reiner und innerlich weiter entwickelt sind als wir. In diesem Falle wären natürlich unsere kirchlichen Vorschriften unnötig für sie.

Aber selbst dann, wenn die kirchlichen Unterweisungen nicht mehr notwendig sind für uns, sollen wir sie verehren und hochachten. Wir haben die Sonne, und wir haben das Tageslicht. Aber wenn wir einen Gottesdienst durchführen, zünden wir dann nicht eine Kerze an? Würde eines von uns aufstehen und sagen, nein, es sei ja noch hell? Es kann sein, daß wir die Stufe erreicht haben, da die Sonne selber aus uns leuchtet und wir die Kerze nicht mehr brauchen. Aber was hindert uns daran, dennoch in die Kirche zu gehen und die Belehrungen entgegenzunehmen? Wenn wir aufhören zur Kirche zu gehen, könnten dann die weniger Entwickelten nicht in Versuchung kommen, auch nicht mehr in die Kirche zu gehen, und damit das nicht zu hören, was sie nötig haben?

Ich verehre eure Gottesnähe und eure Aspiration, der Vollkommenheit näher zu kommen. Ich verstehe auch, daß ihr imstande seid, Gott zu erfahren, wo immer ihr seid. Aber das ist kein zwingender Grund, weshalb ihr euch von der Kirche entfernen sollt; denn ihr sollt eure Reinheit, eure Gottesnähe mit in die Kirche bringen, und ihr sollt deshalb Gott noch viel stärker erleben als die andern. Es ist gut, wenn wir uns an die bestehende Ordnung halten, weil diese kirchliche Ordnung für so viele Menschen notwendig ist und unser Verhalten ein Ansporn sein wird für die andern, um diesen Bestimmungen auch zu folgen. Wenn wir uns von der Kirche entfernen, wird das ein Argument sein für die Atheisten, und es wird andere, wirkliche Gottliebhaber in Versuchung bringen, der Kirche den Rücken zu kehren.

Nun mag es aber Fälle geben, wo wir den Eindruck haben, daß wir die absolute Freiheit brauchen, wo die Bedürfnisse Gottes in unserem Herzen uns im Geheimen sagen: Entferne dich von der Kirche, weil ich dich sofort brauche im Haus oder im Wald, weil ich dich sofort brauche für eine geheime Verbindung mit mir in der Einsamkeit, durch Musik, durch ein persönliches Gebet oder durch irgend eine Gott-inspirierte Meditation. In diesen Fällen wird es für uns wesentlich sein, daß wir uns nicht an eine kirchliche Belehrung oder Vorschrift halten. Aber wenn wir diese Stufe erreicht haben, dann soll das alles in absoluter Stille geschehen, und unser Innerstes soll darüber schweigen zu den anderen Menschen. Trotzdem wir dann nicht zur Kirche gehen und uns nicht nach den Dogmen der Kirche richten, werden wir gegenüber der Kirche und ihren Vorschriften loyal bleiben.

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2. Kapitel
Die Entfaltung des Bewußtseins

Das Reich der Gnade und unendlichen Freude ist nicht von dieser Welt. Aber jenes Reich unterhält und stützt diese Welt. Jenes Reich ist die Substanz, aus der dieses irdische Reich gemacht ist. Und dieses irdische Reich ist ein begrenzter Ausdruck jenes Reiches, das voll Wunder ist. Was wir aber auch immer an Begrenzungen, Mißlingen und Versagen erleben mögen in diesem begrenzten Dasein, in diesem Reich der Erde und der Materie, so ist jenes Reich Gottes allvollkommen. Jenes Reich ist absolutes Wissen, das in seinem Wesen unbeschreibbar ist. Jenes höhere Reich beherrscht dieses Reich, stützt und unterhält es. Die Erfahrung der großen Mystiker und vor allem die Erfahrung Jesu Christi hat uns gezeigt, daß jenes Reich nicht von dieser Welt ist. Aber zugleich ist uns auch klar gemacht worden, daß dieses Reich hier, in welchem wir Schmerz und Leiden, Krankheit und Unvollkommenheit erleben, daß dieses irdische Reich des Versagens doch nicht ganz abgeschnitten ist von dem Reich Gottes.

Die Erkenntnisse der höheren modernen Physik führten zu den Schlußfolgerungen, daß die Materie in Energie aufgelöst wird. Die Wissenschafter, die zugleich Philosophen sind, haben die Materie und Energie als Gedanken erklärt. Dadurch wird die Wissenschaft in vermehrtem Maß idealistisch und sie versucht nun, die materielle Welt auf Grund nichtmaterieller Prinzipien zu erklären. Dies ist ein Mittel für uns, unsere Erforschung bis ins jenseitige Gebiet zu übertragen. Der Gedanke an sich ist wertlos, wenn wir nicht das Bewußtsein in Betracht ziehen, aus dem der Gedanke entspringt. Wenn der Gedanke ein Produkt des Bewußtseins ist und die Materie ein Produkt des Gedankens, dann wird vorausgesetzt, daß das Bewußtsein und der Gedanke irgendwie mit der Materie verbunden sind. Wir kommen zur Schlußfolgerung, daß das Bewußtsein die Materie unterhält und sich innerhalb der Materie befindet. Deshalb ist die Materie an sich nicht außerhalb des Bewußtseins. Von der Materie her erkennen wir die Natur und innerhalb der Natur werden wir des Lebens bewußt. In den Lebensformen ist etwas, was eine Art primitives Gemüt darstellt, ein grundlegendes Bewußtsein, das sich später organisiert als ein funktionierendes Gemüt. Also war das Bewußtsein im Anfang; aus dem Bewußtsein ist die Materie entsprungen, und die ganze Natur ist auf der Materie aufgebaut. In der Natur haben wir die Lebensphänomene, und innerhalb dieser Lebensphänomene ist etwas, was wir das Wirken des Gemütes nennen, und unter diesen Lebensorganismen sind wir eine Art. Innerhalb dieser Lebensform sind wir Erben des Gemüts. Wir erleben die Welt um uns herum durch unsere Sinne, durch unsere Haut und durch unser Gemüt.

Wir wollen zurückgehen auf das Bewußtsein, welches die Basis ist von allem, was wir besprochen haben. Dieses Bewußtsein war am Anfang. Wir müssen daran denken, daß dieses Bewußtsein etwas Unbeschreibliches, Unzerstörbares, Ewiges ist. In seinen unendlichen Wirkungsmöglichkeiten geht es weit über unser Verstehen und Erfassen hinaus.

Nun wollen wir das Wesen des Bewußtseins prüfen. Wenn dieser Raum, wenn Raum und Zeit dem Bewußtsein entsprungen sind, ist es uns dann irgendwie möglich, das Wesen dieses unendlichen Raumbewußtseins zu verstehen? Dieses Bewußtsein, das unser Verstehen übersteigt und jenseits der Möglichkeit unseres Verständnisses liegt, ist eigentlich im Grunde die Quelle alles dessen, was wir erfahren. Es ist dieses unendliche, unbeschreibbare Bewußtsein, das alle die Trillionen von Welten zur Erscheinung gebracht hat. Nachdem es Zeit und Raum und alle die verschiedenen Weltalle projiziert hat, ist es zugleich innerhalb von diesen Welten und außerhalb und über diesen Welten, überall. Wenn dieses unendliche Bewußtsein ein Meer oder ein Ozean ist, dann sind unsere meßbaren Raumverhältnisse wie ein Eisberg innerhalb dieses Ozeans, und dieser Eisberg ist das Resultat des Ozeans gewesen; er befindet sich im Ozean, und der Ozean ist zugleich wieder der Eisberg und trotzdem viel größer und weiter als der Eisberg. Genauso verhält es sich mit dem ungeheuren Raum um uns herum, und allem, was wir darin sehen, die Himmel, die Sterne, die Pflanzen, Tiere und wir selber. Gerade so, wie der Ozean den Eisberg hält, während er zugleich der Eisberg ist, wird diese Welt unterhalten und gestützt als das unendliche Gottesbewußtsein.

Wir haben zwei Reiche, das Reich des Ozeans und das Reich des Eisberges, den Ozean des unendlichen Gottbewußtseins und das Reich, das wir erleben durch unsere Sinne innerhalb von Zeit und Raum. Die Kraft, der Wert und die Mächte dieses Lebens liegen im Reich der Himmel, im Gottbewußtsein, genau so wie der Eisberg und seine Eigenschaften innerhalb des Ozeans liegen. Kehren wir aber zu uns selber zurück. Wir haben ein Gemüt; wir haben ein Ego. Wir sind eine starke, selbstsüchtige Persönlichkeit. Nicht nur ist der Ozean, das Gottesbewußtsein, abgeschnitten von unseren Gedanken und Gefühlen, und wir haben in all unseren Erfahrungen den Begriff der Trennung des Inneren vom Äußeren; wir erleben durch unser Ego, durch die Sinne und durch das Gemüt auch die Ursache all unserer Trennungen. Die Fähigkeiten unseres Gemütes und unseres persönlichen Ich sind so begrenzt, daß alle die Erfahrungen sich innerhalb von Zeit und Raum bewegen. Und diese Erfahrungen sind größtenteils materieller Art. Unsere Erfahrungen sind manchmal falsch, manchmal nur die halbe Wahrheit, oder irgendwie verzerrt. Wir haben uns so stark von der eigentlichen Wirklichkeit abgeschnitten, daß sie uns nur noch illusorisch erscheint. Wir leben in einer Welt, die wir selber erschaffen haben, und welcher Art ist diese Welt der eigenen Schöpfung? Es ist die Welt der eigenen Schwäche, der Krankheit, des Leidens, des Todes und der Mißerfolge. Diese Art Welt, wie wir sie erleben, ist ganz verschieden von dem Reich der Himmel oder dem Reich Gottes. Ist nun der Eisberg etwas Andauerndes, Ewiges ? Nein, der Eisberg ist nicht ewig und nicht andauernd. Nur der Ozean ist immer da. Wenn es Sommer wird, ist der Eisberg nicht mehr sichtbar. In der gleichen Weise ist unsere Welt der Sorge, Ungewißheit, der Sünde und des Leides etwas, was nicht andauernd ist, es ist etwas, was überwunden, besiegt und weggenommen werden kann.

Alles, was wir hier erleben, ist nicht andauernd und kann verwandelt werden in das Gottesbewußtsein. Wenn wir das Unglück des Menschen betrachten, den Hass, der manchmal zur Geltung kommt, die Unwissenheit, die sogar durch die Bücher noch gefördert wird, die Ungerechtigkeit, die ein Mensch dem andern zufügt, wenn wir all das Unvollkommene und Traurige auf Erden sehen, dann kann wirklich ein Mystiker, der die Christuserfahrung macht, aus vollem Herzen sagen: Diese Welt ist nicht meine Welt.

Wir sind nun an dem Punkt angelangt, wo wir deutlich die beiden Königreiche unterscheiden können. Es geht da um die Wahrheit, um die beiden Königreiche von denen die Bibel spricht. Wir haben auch gesehen, daß dieses erste unvollkommene effektive Reich Beziehungen hat zum Königreich der Himmel. Trotzdem wir nun in diesem unvollkommenen Königreich leben, sagt die Bibel: «Das Königreich der Himmel ist in Euren Herzen. »15) So wie der Ozean innerhalb des Eisberges ist, befindet sich das Königreich Gottes in euren Herzen. Der Ozean des unendlichen zeitlosen raumlosen Reiches ist in euren Herzen. Wenn wir diesen Punkt erreicht haben, dann sind wir erwacht, dann schlafen wir nicht mehr in Bezug auf die Realität. Deshalb besteht der erste Schritt darin, dem unendlichen Gottesbewußtsein nahe zu kommen, eben dieses große Erwachen zu erleben.

Worin besteht dieses Erwachen? Es geht um das verstärkte Bewußtsein der Tatsache, daß das Reich Gottes in uns, um uns und über uns ist. Welches ist unser Erwachen in Bezug auf den Eisberg? Der Eisberg weiß nun, daß er ein Bestandteil des Ozeans ist und daß der Ozean in ihm selber ist. Der Eisberg wird sich der Tatsache bewußt, daß er keine getrennte Individualität besitzt neben dem Ozean. Der Eisberg weiß, daß jeder Versuch, ihn als ein vom Ozean getrenntes Objekt darzustellen, eine falsche Annahme ist. Er weiß einerseits, daß ein großes Schiff ihn in Stücke zerreißen und zerstören kann, anderseits, daß er ein Bestandteil des Ozeans und daher unzerstörbar ist. Und dieses Wissen des Eisberges ist seine Kraft und Errettung. Dieses Wissen des Eisberges befreit ihn von der Furcht und Begrenzung. Wenn der Tag kommt, wo der Eisberg ganz sicher ist, daß er durch den Ozean gestützt, daß er im Ozean ist und zum Ozean gehört, dann ist das sein großer Tag des Erwachens. Und das ist der große Schritt in seinem Leben in Bezug auf seine Wiedervereinigung mit dem Ozean. Deshalb sagt die Bibel: «Diejenigen, die schlafen, sollen erwachen. »16) Wir alle mit unserer Intelligenz und Geschicklichkeit, unseren Fähigkeiten und Kräften und unseren stolzen Besitztümern, unserer Jugend und unserer Gesundheit und allen unseren andern Aktivposten, wir alle sind schlafend. Wir sind unwissend oder kennen nicht die großen Schätze in uns und um uns herum. Wir sind vollständig unwissend in Bezug auf den ungeheuren Ozean, der uns stützt, hält und unsere Unterlage und Basis bildet. Wir schlafen absolut in Bezug auf das Königreich der Himmel in uns. Wir schlafen in Bezug auf das Gottesbewußtsein, welches die Stütze unserer Intelligenz ist, welches unsere Liebe im Herzen aufrecht erhält und unser Leben hält. Darum sagt uns die Bibel, daß wir als Schläfer erwachen sollen. Unsere Aufgabe besteht darin, das Christusbewußtsein zu erleben. Dieses Erwachen ist eben das Erwachen zum Christusbewußtsein. Ein bloßes Erwachen ist noch nicht genügend. Wir müssen einen zweiten Schritt machen. Wir müssen erwachen, um all die Hindernisse und Begrenzungen zu erkennen, welche uns nicht erlauben, zur Erfahrung des Gottesbewußtseins zu kommen. jedes Hindernis, das sich unserer Erweiterung entgegenstellt, jede Wand, die da steht vor unserem Wissen und jedes Idol, das uns hemmt, unsere Liebe zu erweitern und jede Begrenzung, die uns zur Materie und zum Körper hinbindet, alle diese Begrenzungen müssen zerbrochen werden. Sie sind die Begleiterscheinungen dieser Erde, sie gehören zum Reiche des Cäsars. Darum sagt die Bibel: « Gebt dem Cäsar, was des Cäsars ist. »"17)

Welches sind die Münzen, die wir dem Cäsar geben sollen? Alle die Hindernisse: Unsere Krankheit, Leiden, Sorgen, Mißlingen, das sind die Münzen des Cäsars und diese sollen uns nicht mehr gehören, dann sind wir Söhne und Töchter der allmächtigen Gottheit. Das ganze Meer des Gottbewußtseins ist in uns. Wir sind unsterbliche Könige und unsere Würde, Göttlichkeit, ist so groß wie die des Vaters, und der Vater ist unendlich vollkommen. Nachdem wir nun alles hergegeben haben, was uns eigentlich nicht gehört, sagt uns die Bibel, daß wir Gott geben sollen, was Gott gehört. Was gehört Gott? Unsere Liebe, unser wachsendes Bewußtsein, unser Glaube und unsere Vollkommenheit und innere Schau und unsere Weisheit, unser Leben, unsere Seele. Alles dies müssen wir dem göttlichen Vater hingeben, und wenn wir ihm das alles geben, dann werden wir so vollkommen wie Er sein. Wenn Seine Weisheit unendlich ist, dann wird auch unsere Weisheit unendlich sein. Wenn Seine Liebe absolut ist, wird unsere Liebe absolut werden. Wenn Sein Wissen endlos ist, wird unser Wissen endlos sein. Wenn Sein Bewußtsein allschöpferisch und allwunderbar ist, dann wird auch unser Bewußtsein allschöpferisch und allwunderbar sein. Wenn Er unzerstörbar, zeitlos, todlos, unsterblich ist, dann sind auch wir zeitlos, raumlos, ewig, unsterblich. Wenn Er selbstleuchtend ist, dann sind auch wir selbstleuchtend. Das ist der zweite Schritt unserer Annäherung an das Gottesbewußtsein.

Nun müssen wir zum dritten Schritt gehen. Es genügt nicht, wenn wir wach sind, und es genügt nicht, wenn wir weggeworfen haben, was uns nicht gehört, d. h. die Schwächen und Unvollkommenheiten der menschlichen Natur. Der dritte Schritt heißt, daß wir die Gottgegenwart anerkennen müssen. Deshalb sagt die Bibel: «Erkenne Ihn auf allen deinen Wegen.» Wie können wir die Gottgegenwart auf allen unseren Wegen anerkennen? Vielleicht heften sich unsere Blicke auf die Pflanzen und Bäume um uns herum. Die Pflanzen sind geschmückt mit schönen duftenden Blüten. Erkennt die Gottgegenwart, die durch die Schönheit der Blume lächelt und welche zu uns kommt durch unseren Geruchsinn. Wir sollen ihn auch erkennen im Sonnenschein; wir sollen sogar die Hand schütteln mit Gott im offenen Raum, denn was unseren Sinnen vorkommt wie ein offener Raum, dieser sogenannte leere Raum, ist durchströmt von dem allsehenden Gottesbewußtsein. Wir dürfen nicht vergessen, daß Moses im offenen Raum seine Vision hatte und daß die höchsten Mystiker ihren Gott im offenen Raum liebten. Denn der offene Raum ist eben nicht das, was uns die Sinne vermitteln; es gibt keinen Punkt im Raume, wo Gott nicht gegenwärtig wäre mit seiner Macht. Deshalb soll etwas in unserem Herzen und Denken und Gemüt die Gottgegenwart erkennen im offenen Raum.

Vielleicht ist es uns bewußt, daß wir atmen; nun sollen wir einmal nachprüfen, welches die Quelle des Atems ist. Wir müssen verstehen, daß der Atem das Leben unterhält. Aber im Grunde ist die Luft, die wir einatmen nicht Stütze des Lebens; denn es ist etwas innerhalb des Atems, welches das Leben unterhält. Nehmen wir an, wir haben einen toten Körper. Es ist viel Luft um ihn herum, und nun pumpen wir in den toten Körper viel Sauerstoff, trotzdem kommt kein Leben in ihn. In der blossen Luft liegt kein Leben; denn es ist eine Art Bewußtsein, welches das Leben unterhält. Das Lebensprinzip ist etwas, was höher ist als die physische Luft. Dieser Atem, den wir atmen, ist deshalb der Träger einer Energie, welche ihrerseits das Leben hält und stützt. Aber der Atem selber hat keine unabhängige Kraft, Leben zu vermitteln. Das Bewußtsein im Atem ist das Gottesbewußtsein, und dieses Gottesbewußtsein kommt vom himmlischen Vater. Während wir atmen, sollen wir daher der göttlichen Gegenwart bewußt sein.

Es ist Mittagszeit. Die Nahrung ist auf dem Tisch bereit. Bevor wir die Nahrung berühren, sollen wir sie geistig Gott darbieten. Wir sollen Ihn darin erkennen. Er ist der Schöpfer von allem, was sich auf dem Tisch befindet. Er ist eine unbegreifbare, ungeheure Macht. Wenn Er will, kann der Boden, auf dem wir stehen, zerbrechen und sich auflösen. Wenn Er will, kann die ganze Welt zusammengerollt und in seinem Bewußtsein eingezogen werden. Unser begrenzter Verstand, unsere Fähigkeiten und unsere Kenntnisse werden uns nicht davor schützen, daß die Kräfte der Natur siegen. Deshalb sollen wir demütig sein gegenüber dem Gottesbewußtsein, das in uns, um uns und über uns ist. Deshalb sollen wir in zunehmendem Maße des Gottesbewußtseins bewußt werden, den ganzen Tag hindurch, während all unseren Tätigkeiten, zu allen Zeiten, in allen Lebensumständen. Das ist der dritte Schritt. Und auf diese Art gibt es zwölf Schritte, zwölf Stufen.

Wenn wir allen diesen Schritten folgen und sie durchgehen, dann erreichen wir die unendliche Vollkommenheit, dann kommen wir zur Erfüllung, welche Yoga möglich macht. Es besteht absolut kein Unterschied zwischen Christentum und Yoga. Die Schritte, welche uns das Christentum führt zur höheren göttlichen Erfahrung, sind genau dieselben Schritte, mit denen uns Yoga zur höchsten göttlichen Erfahrung führt. Yoga ist nur ein systematischer Weg um die höchste göttliche Vollkommenheit zu erreichen. Die Bibel sagt: «Betet ohne Unterlaß. »18) Das ist, was Yoga uns lehrt für den ganzen Tag.

Nun nehmen wir noch einen andern praktischen Rat, den uns die Bibel gibt, um das Gottesbewußtsein zu erreichen: «Mache deine Augen einfältig.»19) Das ist gerade der Rat, den wir brauchen auf unserem Weg, erfolgreich zu sein. Ein Beispiel: Hier in meinen Händen liegt die Bibel, und ich lese das JohannesEvangelium. Ich bin so absorbiert durch den Sinn des Textes, daß ich die Blumen neben mir nicht beachte. Ich sehe den Teppich nicht und höre die Töne nicht, die im nächsten Raum erschallen. Wann immer wir die Gottgegenwart anerkennen und erkennen, und wenn wir die ganze Zeit konzentriert sind auf das Gottesbewußtsein in den Menschen um uns herum, und wenn wir immer das Gefühl haben, daß da, wo wir sind, auch die Gottgegenwart ist, dann ist unser Auge einfältig. Wenn unser Leben in allen Umständen und Bedingungen uns immer die Erfahrung der Gottgegenwart bringt, dann ist unser Auge einfältig. Wenn wir tausend Frauen gesehen haben, haben wir in ihren Herzen nur das Gottesbewußtsein gesehen. Wenn wir tausend Männer gesehen haben, haben wir nur die Gottvision gehabt, die wir in ihrer Gegenwart empfinden. Wenn durch die Erfahrung dieser Tausenden von Formen nur das Gottesbewußtsein uns sichtbar war, dann wissen wir, daß unser Auge einfältig war. Wenn wir diese Art Haltung innerhalb einiger Monate oder Jahre festhalten, dann werden wir christusähnlich, dann werden wir Wunder wirken, dann wird unsere Freude unendlich, und wir werden den Frieden haben, der das Verstehen übersteigt. Dann fängt Gott an, durch uns zu arbeiten, und Er wird durch uns denken. Wir sind nicht länger uns selbst, sondern Er ist es, der überall ist, und das ist die Wahrheit.

Ängstlichkeit, Unwissenheit, Blindheit irgendwelcher Art, ungenügendes Wissen, sie sind die Gründe für alle Verschiedenheiten oder Schwierigkeiten zwischen Yoga und dem Christentum. Jeder Christ ist ein Yogi, und jeder Yogi ist ein Christ. Der Yogi ist der Mensch, der alle die Schritte erfüllt, von denen wir gesprochen haben, und er ist der Mensch, der voll von Liebe ist. Er ist der Mensch, der voll von Gottwissen ist, furchtlos und voll von ungewöhnlicher Kraft. Jeder Yogi ist ein Universalmensch; er hat ein barmherziges Herz; er ist ein Anbeter der Gottheit, ein Bewohner des Königreiches Gottes, ein Mensch makellosen Charakters und erfüllt von allwährendem göttlichem Bewußtsein. Jeder Yogi wird sanft sprechen, er wird weise Worte benützen. Jeder Christ, der ohne Unterlaß betet, jeder Christ, der das Göttliche überall sieht, ist ein Yogi.

Alle Religionen sind entstanden durch die Erfahrung von Menschen, die das Gottesbewußtsein erlebt haben. Die Weisen und Guten sehen keine Verschiedenheit in diesen Religionen. Denn die Unterschiede sind nicht in den Augen Gottes, auch nicht in den Augen von Christus, auch nicht in den Augen der Yogi. Sie sind nicht in den Augen der wirklichen Kinder Gottes. Wir wollen nicht vergessen, daß diese Welt heilig, göttlich ist, daß wir Eisberge sind im Ozean und daß das Königreich Gottes, von dem Christus sprach, sich in uns befindet. Aus diesem Grunde können wir alle so vollkommen werden, wie der Vater im Himmel ist. Ob es sich um Yogi oder die Bibel handelt, sie zeigen uns den Weg, die Vollkommenheit zu erreichen. Deshalb sind wir alle gesegnet; unser Glück ist groß; Gott selber ist in uns. Er war immer in uns und mit uns, und Er wird auch beim Tode in uns und mit uns sein; denn Er ist untrennbar. Seine grenzenlose Vollkommenheit wird uns nie loslassen, denn wir sind in seinen Armen, und Seine Arme sind tausend und millionenfach; sie alle sind um uns herum, gerade jetzt . Wir werden beobachtet von seinen Millionen Augen. Der Ozean weiß alles über jeden Eisberg in ihm. Die Gottheit, die uns zur Existenz gebracht hat, die Gottheit, die unser Ursprung ist, sie ist allwissend, allmächtig, allgegenwärtig. Allezeit steht sie uns gegenüber.

Gott ist sichtbar für diejenigen seiner Kinder, die im Gottesbewußtsein ganz wach sind. Er ist unsichtbar für jene, welche immer noch schlafen. Seine Schönheit, seine Vollkommenheit werden nicht gesehen von denen, die schlafen aber seine grenzenlose Macht, Güte, Freude wird ständig erlebt von denen, die wach sind. Deshalb sind nur die Kinder, welche schlafen, vom Traum befangen, und in dem Traum erleben sie nur Not und Elend, Krankheit, Leiden und Tod. Dieses Albdrücken fehlt vollständig im Leben jener Kinder, welche wach geworden sind, jener Kinder, welche nicht schlafen.

Groß ist deine Güte, mach sie absolut! Laß in dein ganzes Leben die Macht der Vollkommenheit treten und sich bezeugen. Du bist nicht ein aus Lehm geformter Körper; denn in Wirklichkeit bist du ein Licht. Gerade in diesem Moment verkündet alles in dir die Gegenwart des Unendlichen. Es wird viele Schwierigkeiten geben, wenn du die Wege begehst, die hier angedeutet wurden; aber dein Fortschritt muß stetig werden, denn du bist ein Sohn oder eine Tochter des allmächtigen Königs. Du bist ein Löwe und kein Schaf. Deshalb sollten Schwachheit, Mißlingen, Not und Leiden nicht zu dir gehören. Heldenmut, Tapferkeit, Überwindungskraft, dies sind deine Eigenschaften. Mit dieser Ausrüstung wirst du sicher ungeheure Fortschritte machen.

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3. Kapitel
Yoga und der Pfad nach oben

Es gibt viele Missdeutungen und Missverständnisse in Bezug auf Yoga. Yoga ist nichts anderes als eine Methode oder ein Weg zur Gottverwirklichung. Yoga vermittelt uns Kenntnisse, die uns zur unmittelbaren Gotterfahrung führen können. Deshalb ist eigentlich jede Methode und jede Praxis, die uns mit Gott in Verbindung setzt, Yoga.

Yoga kommt von dem Sanskrit-Wort «jug» und bedeutet vereinigen, zusammenfügen. Das innere Sein in dir muß in Verbindung mit der unbegrenzten Gottheit gebracht werden. Das Bewußtsein in dir muß von all den Begrenzungen befreit werden, denen die menschliche Natur unterworfen ist. Und dieses Bewußtsein muß mit dem Unendlichen verknüpft werden. Wenn Jesus sagt, Ich und der Vater sind eins, dann spricht Er von dem Weg, der Yoga ist. Wenn dein inneres Auge eins ist mit dem Vater im Himmel, dann ist es eben Yoga. Jede Bedingung oder jedes Verhältnis, in welchem dein inneres Wesen mit Gott verbunden ist, ist Yoga. Alle Übungen, die dir ermöglichen, die Verbindung mit Gott zu erhalten, werden Yoga genannt. Irgend eine Tat oder irgend ein Gebet, das mit der Liebe zu Gott verbunden ist, ist Yoga. Jeder Christ, der in innigem Gebet oder Versenkt-sein mit Gott verbunden ist, übt Yoga. Jeder Buddhist, der versucht, die Erleuchtung zu bekommen, ist im Yoga-Zustand. Jeder Mohammedaner, der in seiner speziellen Weise die Annäherung an Gott sucht, ist auf dem Yoga- Wege.

Daher ist Yoga weder christlich, noch buddhistisch, noch mohammedanisch, noch hinduistisch. Yoga gehört nicht Indien an. Yoga gehört auch nicht zu Europa und nicht zu Afrika, Yoga gehört allen Ländern. Yoga ist das Eigentum der ganzen Menschheit. Wir wiederholen: Yoga ist nichts anderes als irgend eine Praxis, irgend eine Bemühung, die uns mit den unendlichen Kräften der Gottheit in Verbindung bringt.

Nehmen wir als Beispiel die Psychoanalyse. Auch sie ist nicht europäisch, sondern gehört der ganzen Welt an. Gleicherweise ist auch Yoga kein indisches Erzeugnis, sondern gehört der ganzen Welt an.

Wenn du im Yoga einige Methoden findest, die wichtig sind im Kontakt mit Christus, dann sollst du sie verwenden. Wir können jede Methode, die uns verfeinert, besser macht, näher zu Gott bringt, oder die Gotterfahrung vermittelt, Yoga nennen.

Was ist nun jene Gottheit, die uns mit Yoga in Verbindung bringt , von welcher uns Yoga die Erfahrung vermittelt? Gott ist ein unendliches Wesen, das in diesem Moment, wo ich hier spreche und in diesem Moment, wo du hier liest, gegenwärtig ist. Die göttliche Gnade umgibt dich von allen Seiten wie eine große Flut von Licht. Dieser Gott ist rings um dich herum. Er ist in deinem Herzen. Er leuchtet aus deinen Augen. Er wirkt in deiner Intelligenz. Gott ist eine überkosmische Macht von grenzenloser Kraft, von grenzenloser Schönheit. Und zugleich ist Gott der größte Herr, der das ganze Universum regiert. Gott ist ein überelektronisches Licht, das sich überall befindet und uns mit tausend Augen beobachtet. Diese Gegenwart, diese Allwissenheit, diese Allmacht ist da in jedem Punkt dieses Raumes. Dieses unbegrenzte Wesen pulsiert in jedem Punkte unseres Seins. Tausende von Menschen haben den Weg dieser Erfahrung beschritten und ihn bezeugt. Tausende von Menschen haben die Gottheit berührt durch ihre Hingabe und durch ihren Wunsch der Gottverbundenheit. Und was für diese Tausenden von Menschen möglich war, ist auch für dich möglich. Was sie erreicht haben, kann auch von dir erreicht werden.

Ich habe den großen Glauben und die starke Überzeugung, daß nach einigen Jahren oder nach viel längerer Zeit Mystiker, Heilige, Erleuchtete aus euren Reihen hervorgehen werden. Mein Herz ist voller Glück, wenn ich an euch alle denke. Warum? Weil ich mir der unendlichen Potenzen, Möglichkeiten und Kräfte, die in euren Herzen anwesend sind, bewußt bin. Ihr seid alle potentielle Yogis, also Menschen, die die Möglichkeiten des Yogitums besitzen. Jeder, der sich nach Gott sehnt und der versucht, nach der ihm eigenen Art Gott zu finden, ist ein Yogi. Viele unter euch sind ganz erfüllt von der Liebe zu Gott. Ich bitte euch, diese Liebe noch zu verstärken und euer ganzes Wesen in Hinwendung dieser Liebe unterzuordnen. Dann werdet ihr Bhakti-Yogis werden. Wenn ihr voll Liebe seid für Gott, und wenn sich alles diesem Wunsch nach Gott unterordnet, dann werdet ihr Yogi der Liebe genannt. Jede Frau, die sich vielleicht nachts um 11 Uhr von ihrem Bett erhoben hat und auf den Balkon ging, um den Mond zu sehen und in Gedanken an Gott zu verehren, kann ein Bhakti-Yogi genannt werden. Die Hingabe ist also einer der Wege, um Gott zu verwirklichen. Theresia von Konnersreuth und die kleine Theresia, Mystikerinnen, die voller Liebe zu Gott waren, waren Bhakti-Yogis.

Wenn aber dein Herz voll ist von der Gotterkenntnis, dann bist du ein Jnana-Yogi, ein Yogi der Erkenntnis. Der Jnana-Yogi übt sich in der Unterscheidung zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem und richtet sein ganzes Wesen nach der einen Wirklichkeit aus. Mystiker, wie zum Beispiel Meister Eckhardt, waren Yogis der Erkenntnis.

Wenn du in selbstloser Weise dienst, und voll Liebe den Weg des Dienens gehst, dann bist du ein Karma Yogi.

Wenn du dein ganzes inneres Gemüt in das Licht Gottes stellst und all deine Gedanken und Empfindungen im Blick auf dieses Licht kontrollierst, dann bist du ein Raja- Yogi.

Wenn du mit Hilfe gewisser Techniken versuchst, die übernatürliche Kraft in deinem Wesen zu entwickeln, dann bist du ein Kundalini- Yogi.

Wenn du eine mystische Neigung hast, und wenn du einen göttlichen Namen zur Wiederholung besitzest und die Wiederholung dieses Namens als Mittel benützest, die Allgegenwart, Allwissenheit und Allmacht Gottes zu erfahren, dann bist du ein Mantra-Yogi.

Hatha-Yoga kann ebenfalls als Weg zur Gottesverwirklichung bezeichnet werden unter der Bedingung, daß wir die damit verbundenen Körperübungen als Mittel zur Gottverwirklichung verwenden. Aber wenn wir nun aus dem Hatha-Yoga die geistigen Faktoren herausnehmen, dann hört er auf, ein Hatha-Yoga zu sein. Denn Hatha-Yoga wurde nur gegründet als ein Mittel zur Gottverwirklichung. Hatha-Yoga hatte ursprünglich den Zweck, die übernatürlichen Kräfte in unserem Innern zu erwecken. Sobald wir aus dem Hatha-Yoga diesen Zweck und diese Tendenz der Gottverwirklichung ausscheiden, hört er auf, ein Yogaweg zu sein, und es handelt sich bloß um körperliche Übungen. Wenn wir ihm dennoch diesen Namen geben, dann könnten wir ebensogut die westlichen Gymnastik-Übungen Yoga nennen. Benützen wir aber anderseits die westliche Gymnastik als Mittel zur Gottverwirklichung, so dürfen wir diese Yoga nennen. Yoga darf also immer dann, aber auch nur dann als Yoga bezeichnet werden, wenn wir die damit verbundenen Körperübungen zum Zwecke der Erweckung der höchsten Kräfte in uns benützen. Einige Hatha-Yoga- Übungen eignen sich für alle Menschen. Aber auch diese einfachen Übungen haben nur den Zweck, die höheren Mächte in uns zu erwecken auf dem Wege zum Gotterlebnis. Wenn wir diese geistigen Faktoren aus dem Hatha-Yoga herausschälen, dann werden wir später schwere Schädigungen zu ertragen haben.

Es gibt also viele Wege: Bhakti-Yoga, Jnana-Yoga, Karma-Yoga, Raja-Yoga usw. Alle diese Wege werden Yoga genannt, weil sie Mittel zur Gottverwirklichung sind. Sei erfüllt von der Gotteserfahrung. Sei erfüllt von der Gotterkenntnis. Benütze die körperlichen Übungen zur Erweckung der höheren Kräfte. Mache deine Hausarbeit und benutze sie als Mittel zur Gottverwirklichung. Mache aus deiner Büroarbeit und aus deinem Dienst gegenüber dem Nächsten ein Mittel zur Gottverwirklichung. Wiederhole so oft als möglich einen göttlichen Namen. Wenn du ein Musiker bist, dann erhöhe noch deine musikalischen Fähigkeiten und mache die Musik zur Quelle der Reinigung, der Inspiration, der Erhebung. Gebrauche irgend einen Bereich der Kunst als Mittel zur Gott- Annäherung. Du kannst irgend einen dieser Wege gehen oder mehrere oder alle. Je mehr Wege du gehst, desto raschere Fortschritte wirst du machen.

Unsere Zivilisation hat uns schon in weitem Maße beeinflußt. Die Zivilisation hat uns alles vermittelt, aber sie hat uns anderseits die eigentliche Essenz, den Frieden der Seele geraubt.

Was ist nun diese Essenz in deiner Seele ? Es ist die höchste Gottheit, die in dir wohnt.20) Es ist das Licht deines Lebens, die Seele deiner Seele, die höchste Intelligenz, welche hinter deiner mentalen Tätigkeit steht. Es ist die Gottheit, das Christusbewußtsein, es ist der Vater im Himmel, es ist Allah und es ist Rama - du kannst irgend einen Namen benützen, immer handelt es sich um eine unendliche Macht, eine unendliche Schönheit, eine grenzenlose Liebe, eine uferlose Gnade und eine allumfassende Wirklichkeit. Und diese Wirklichkeit kann unmittelbar erfahren werden. Tag und Nacht und Nacht und Tag habe ich dazu benützt, die Wirklichkeit des Göttlichen zu erforschen, bis ich dazu kam, diese Gottheit wie das Tageslicht zu erleben.

Tag und Nacht vergeuden wir unsere Zeit mit Geschwätz, und dieses Geschwätz ist in unsere Köpfe gestiegen und hat unterbewußte Erinnerungen zurückgelassen. All dieses Unbewußte muß gereinigt und gesäubert werden. Und es muß Platz gemacht werden für das Gottbewußtsein. Sobald wir im Christusbewußtsein leben, werden alle latenten Kräfte wach werden.

Die Psychoanalyse ist insoweit etwas Wunderbares, als sie uns Einblicke gibt in unser unbewußtes Leben. Aber sie ist insofern eine nutzlose Wissenschaft, als sie nicht imstande ist, uns in die tieferen Tiefen unseres unbewußten Lebens einzulassen. Diese Mächte unserer Intelligenz sind wunderbare Mächte, aber doch sind sie begrenzt und unfähig bis zu einem gewissen Grade. Die Logiker und wissenschaftlich Denkenden sind wie kleine Kinder, wenn man sie vergleicht mit den Erfahrungen der Erleuchteten über das göttliche Bewußtsein. Ich habe von meiner frühesten Kindheit an studiert, mich in sämtliche Philosophien des Ostens wie des Westens vertieft. Es gab kein Gebiet der Literatur, Philosophie und Psychologie, das mich nicht eine Zeitlang absorbiert hätte. Aber all dies sind nur vorbereitende Stufen gewesen, denn die Gottverwirklichung kommt als Reinigung unseres ganzen inneren Wesens. Die Psychoanalyse aber hat keine Methode und keine Technik für die vollständige Reinigung des inneren Wesens.

Hier kommen uns nun einige der traditionellen Religionen, die heiligen Schriften und der Yoga zu Hilfe. Hier steht uns Christus bei, das ewige Licht, das aus sich selbst herausleuchtet. Denn Christus ist eins mit der höchsten Gottheit.

Yoga lehrt, daß hinter deinem Gemüt und hinter deinem Denken eine Macht liegt, die alle anderen Mächte überstrahlt. Wenn du das Wort Gott nicht gern hast, nenne es göttliche Macht. Wenn du das Wort Christus nicht magst, dann nenne es die höchste göttliche Intelligenz.

Wähle irgend einen Namen, der dir liegt. Immer handelt es sich um eine Macht, die in dir gegenwärtig ist. Wenn du dich wirklich danach sehnst, die Gotterfahrung zu machen, wirst du viele Wege finden zu diesem Ziel. Yoga sagt dir, daß du nicht durch schöne Worte, sondern durch Erfahrung, durch Experimente zu diesem Ziel gelangen mußt. Yoga ist eine vollkommene Wissenschaft. Yoga besitzt die reichsten Techniken zum Erwecken der höchsten Mächte in uns. Wenn du ein wenig betest, wirst du gewisse Resultate erfahren. Wenn du die Gottheit von ganzem Herzen liebst, werden die Resultate noch größer sein. Wenn du aber Gottes Wesen in dir, um dich und über dir erkennst, dann wirst du zur Wahrheit gelangen.

Es ist ganz leicht für Atheisten, Skeptiker und andere Ungläubige, Gott zu verleugnen. Aber ihre Argumente werden nur dann einen Wert haben, wenn sie so rational, so machtvoll und einflußreich wie unsere Argumente sind . Wenn die Atheisten ihre Argumente vorbringen, werde ich imstande sein, mit 200 Gegenargumenten zu antworten. Die Kinder Gottes sind keine Idioten; sie sind voll der Intelligenz Gottes. Ihr Verstand ist viel machtvoller als der Verstand der Wissenschafter. Gott kann wirklich erfahren werden.

Das Erwecken der Mächte, die im Menschen liegen, war auch das Ziel der christlichen Mystiker. Indien ist das Land mit Tausenden von Mystikern, Heiligen und Erleuchteten, von Männern Gottes. Einzig aus diesem Grunde hat Indien mehr Methoden zur Gottverwirklichung als die Christenheit, als der Buddhismus und als der Islam. Wenn es im Yoga also wertvolle Mittel zur Erreichung unseres Zieles gibt, dann wollen wir diese benützen. In den Augen Gottes gibt es keine Hindus, keine Christen, keine Mohammedaner und keine Buddhisten. In den Augen Gottes, in dieser unbegrenzten Schönheit und unbegrenzten Fülle von Macht, gibt es auch keine Inder, Europäer, Afrikaner und Chinesen. In den Augen der göttlichen Allmacht und Allwissenheit handelt es sich nur um Seelen der Offenbarung. Wenn ein Hindu Christus als Mittel zu seiner Gotterfahrung nimmt, dann wird er zu Gott gelangen. Wenn ein Christ Allah als Mittel nimmt, Gott in seiner Allgegenwart zu erfahren, dann wird er auch auf diesem Wege zur Gottverwirklichung gelangen. Alle profitieren von diesen Methoden zur Gottverwirklichung. Wenn du die Gottheit berührst, dann wirst du erleben, dass deine Intelligenz mit göttlicher Macht verstärkt wird. Dein innerer Friede wird vergrößert und vertieft, und dein Glück wird unbegrenzt und unerschöpflich. Denn die Macht, die alles sieht, alles weiß und alles kann, ist dann auf deiner Seite, und wunderbare Dinge geschehen in deinem Leben. Du wirst eine unerwartete Gesundheit und Erleichterung erleben, und die Gottheit wird dich vollkommen beschützen mit tausend göttlichen Händen.

Wenn du aber dereinst deine ganze Natur sublimiert hast und wenn du Liebe, Reinheit und Güte verkörperst, dann wird deine Gegenwart zur Inspiration für die andern, deine Hände werden heilende Hände werden, und dein Blick wird wohltuend wirken. Die Menschen werden spüren, was es heißt, sich der unbegrenzten Macht hinzugeben, welche nie versiegt. Es wird den Menschen dann unmöglich sein, in deiner Gegenwart zu leiden, im Gegenteil, es wird ihnen leicht werden.

Dies ist ein großartiger Weg, und auf diesem Wege gibt es keine Enttäuschung; denn es ist der Weg zur Liebe und Güte. Also, fasse Mut!

Der Aufruf Zur Gottverwirklichung wird nicht an die Schwachen gerichtet. Der Ruf geht an diejenigen, welche bereit sind, zu leiden, welche bereit sind, ein Opfer zu bringen, welche bereit sind, sich in allen möglichen Richtungen zu meistern.

Solche Menschen sind bereit, sich in einem unbegrenzten Maße zu entwickeln, und sie möchten zu übermenschlichen Handlungen der Güte, Sanftmut und Weisheit gelangen. Diese Menschen sind die wahren Kinder Gottes, und sie sind wirkliche Mächte auf Erden. In ihrer Gegenwart sind die Teufel und die bösen Geister ohnmächtig. Die abnormalen Zustände, mit denen sich die Psychiatrie befaßt, sind ihnen unbekannt. Durch ihre Liebe zu Gott ist ihre ganze Persönlichkeit verfeinert, vervollkommnet und sublimiert. Nochmals: fasse Mut und gehe diesen Weg. Es ist der Weg der Vernunft, der Weg der Liebe, der Weg des Dienens, der Weg der Größe im Leben. Es ist der Weg, der aus uns kosmische Persönlichkeiten macht. Es ist der Weg, der in uns die größten Fähigkeiten und die erhabensten Gedanken aufweckt. Es ist der Weg, der dich furchtlos, tapfer und energisch macht.

Dieser Weg ist dein Weg. Es ist weder der Weg der Europäer, noch der Christen, weder der Inder noch der Hindus, weder der Buddhisten noch der Mohammedaner. Es ist dein Weg, der Weg zur Offenbarung der göttlichen Macht, und ich bitte dich, diese Kräfte, die in dir sind, zu verwirklichen. Ich bitte dich, Kontakt aufzunehmen mit der Macht, die schon in dir gegenwärtig ist.

Das Leben, das du lebst, mag es noch so zivilisiert, verfeinert und kultiviert sein, hat seine Begrenzungen, seine Schwächen und seine Leiden. Deshalb hat dieses wunderbare Leben, auf das du so stolz bist, tausend Probleme. Welches ist der Wert der Düsenflugzeuge? Welches ist der Wert all der Wunder, die Technik und Wissenschaft hervorgebracht haben; welches ist der Wert all dieser Errungenschaften, wenn du trotzdem von all deinen hundert Armseligkeiten und Leiden verfolgt wirst? Die Erfindungen der Technik und Wissenschaft sind wunderbar und notwendig, und es sollen noch weitere Fortschritte gemacht werden, aber welche Maßnahmen hast du ergriffen, um das Leben glücklicher, friedvoller und besser zu machen? Welche Mittel und Methoden besitzest du, um aus dem Menschen nicht bloß ein Tier, sondern einen veredelten Menschen zu machen? Alle Wunder der höchsten Gotterkenntnis sind tief in jedem Menschen verborgen, aber welche Wege kennst du, um diese Möglichkeiten wach zu rufen? Denn die totale Befreiung des rein menschlichen Bewußtseins zum übermenschlichen ist dein Weg und dein Ziel.

Es ist die größte Notwendigkeit für dich, zu diesem inneren göttlichen Erwachen zu kommen und diese erwachenden Kräfte im täglichen Leben zu offenbaren. Wenn irgend eine Wissenschaft oder irgend eine Technik wertvolle Wege zur Erreichung dieses Zieles hat, wollen wir sie benützen. Aber stets ist das Eigentliche in den Vordergrund zu stellen.

Die Art und Weise, wie wir uns im täglichen Leben benehmen, ist unter der Menschenwürde. Wenn wir wirklich Menschen sind, so sollten wir uns durch die höhere Weisheit und Intelligenz leiten lassen. Wenn wir wirklich kultivierte Menschen sind, sollten Weisheit, Liebe, Sanftmut und Frieden unser Leben regieren. Wenn wir wirklich stolz darauf sind, daß wir anderen primitiven Menschen überlegen sind, so wollen wir das beweisen durch Erwecken der inneren Kräfte in uns, die noch unberührt sind. Schon ein wenig Selbstzucht wird viele wohltuende Wirkungen auf dich ausüben, und gerade hier kommt dir Yoga zu Hilfe. Denn Yoga hat eine durch viele Jahrhunderte erprobte Methode, um das Göttliche in dir wachzurufen. Irgend eine Tat, irgend ein Gedanke oder irgend ein Gefühl kann vergöttlicht werden. Wenn das Göttliche in uns wachgerufen wird, erlangen wir allmählich das Gottbewußtsein. Was will das besagen?

Es handelt sich um das Bewußtsein, daß das göttliche Wesen in uns allmächtig, allwissend und allgegenwärtig ist. Es handelt sich um das Wissen, daß das Bewußtsein in uns endlos, unendlich und unbegrenzt ist. Unser ganzes menschliches Bewußtsein und Unterbewußtsein sind nur rückständige Wellen des großen Ozeans; und wenn unsere unbewußten Regungen, Impulse und Triebe so groß und mächtig wären, wie der Ozean, dann wäre das göttliche Bewußtsein in uns so groß wie alle Himmel zusammen. Herzen, und das ist kein bloßes Gerede. Hunderte und Tausende von Menschen haben diese Erfahrung gemacht, und die Methoden, welche diese Menschen gebrauchten, kannst auch du verwenden. Du kannst diese Wege Yoga, Christentum oder sonst irgendwie benennen, es spielt keine Rolle.

Was es auch immer sei - alles, was dich mit dem Göttlichen in Berührung bringt, ist gerade das, was du brauchst. Gebrauche deinen eigenen Weg und benütze ihn auf deine eigene Art. Verwende die Methoden, die deinem Temperament und deinem Lebensstil entsprechen. Mache aus deinem Leben etwas Edles, Göttliches und Großartiges.

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4. Kapitel
Heilige und Weise

Hundertfache Begrüßung und Verehrung dem heiligen Paulus, dem heiligen Franziskus von Assisi und allen Heiligen der Welt. Begrüßung und Verehrung tausendfach für die Mystiker, die Männer des ekstatischen Gottbewußtseins, die Individuen der unendlichen göttlichen Erfahrung und tausend andere heilige Menschen, die gelebt, geatmet und gewirkt haben in Gott. Tausendfache Verehrung auch euch allen, die ihr die Heiligen und Erleuchteten der Zukunft sein werdet. In der Ekstase der göttlichen Liebe und in der Erleuchtung des göttlichen Wissens haben die Heiligen und Weisen der Welt die göttliche Erfahrung gemacht; sie haben fast alle Methoden benützt, um die göttliche Erfahrung zu machen. Der Bruder Laurentius hat Gott erlebt als eine Gegenwart, und andere haben durch Offenbarungen die Gotterfahrung erhalten. Durch Erleuchtung und Visionen haben viele das Angesicht Gottes gesehen.

Es gibt viele Methoden und Wege, auf welchen Gott erfahren werden kann. Die Gottheit respektiert weder die Rasse, noch achtet sie auf die Nationalität, sie kümmert sich nicht um den Glauben, sie anerkennt keine künstlichen Barrieren, die von Menschenhänden aufgerichtet worden sind. Gott offenbart sich überall und zu irgend jemand, und Gott kann zu irgend einer Zeit und durch irgend einen Menschen verwirklicht werden. Wir haben Heilige und Weise gefunden unter den Schreinern, den Zimmerleuten, den Schuhmachern und anderen Berufen, auch sogenannte Niemandskinder sind Weise und Heilige geworden; Geschäftsleute haben diesen Weg gefunden, sogar Räuber und Diebe sind zur Gotterfahrung gelangt, und die höchsten Philosophen haben Gott erlebt; die Musiker und Komponisten haben die Erfahrung gemacht sowie auch Könige, Prinzen und Prinzessinnen, Dichter und Bildhauer. Deshalb existieren für Gott weder Rasse noch Volk, noch Zeit, noch sozialer Status, noch Umstände, und morgen werden Heilige und Weise aus euren Reihen aufstehen; denn bereits sind unter euch heilige Charaktere. Jedes sanfte Herz, das sich Liebestaten hingibt, jedes Gemüt das sich wachsendem göttlichem Wissen opfert und jede Hand, die sich für dynamischen, selbstlosen Dienst hergibt, sind in ihrem Innersten heilig und dazu bestimmt, Gott zu erleben. Diejenigen, welche wir als Sünder verurteilen, sind die Heiligen von morgen, denn auch St. Augustinus kam von der Sünde zur Heiligkeit.

Wir sollen daher im Sinne behalten, dass alle von uns das Ziel ihrer Entwicklung erreichen müssen. Aus allen Klassen der Bevölkerung, aus dem Künstlertum, den königlichen Familien, dem Handwerkerstand, überall können Heilige und Weise hervorgehen; denn die Welt, die wir bewohnen, ist die Welt des Göttlichen. Auf dieser Erde haben alle die Jahrhunderte hindurch Heilige, Mystiker und Weise gelebt und gewirkt. Einige haben sogar den Weg zur Gottheit, zur Gotterfahrung tanzend erreicht, andere sind zur göttlichen Erfahrung gekommen in tiefster Stille und Abgeschiedenheit und durch tiefe Versenkung, viele haben ihren egoistischen Sinn zermürbt und zerstört durch selbstlosen göttlichen Dienst. Es gibt solche, die in ihrer leidenschaftlichen, intensiven Liebe zu Gott kamen und mit ihm lebten, und wieder andere haben durch Steigerung ihrer Willenskraft und durch Vergrößerung ihres Wissens den Weg zur Gotterfahrung gefunden. Auch die Musik wurde zu einem Mittel, um die höchste Gottverwirklichung zu erreichen: die indische Geschichte kennt viele Musiker und Komponisten, die mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele in der Musik lebten und zur Gotterfahrung gelangten. Das evolutionäre Genie in uns, unser Drang zur göttlichen Entwicklung kennt weder Zeit noch Umstände, die uns vom Ziel abtrennen können.

Unsere Zivilisation ist keine Garantie dafür, daß wir den Weg der Gottverwirklichung finden; denn die Entfaltung des Gottbewußtseins in uns kennt andere Gesetze als diejenigen, die unserer Zivilisation zugrunde liegen. Es ist gar nicht so schwer für uns, zum unendlichen Glück und zum Frieden der Gottheit in uns zu gelangen, ohne ein Komponist wie Johann Sebastian Bach oder ein Philosoph wie Immanuel Kant zu sein, ohne den wissenschaftlichen Gesetzen nachzugehen, wie es Newton und Einstein getan haben, ohne ein Schriftsteller zu sein, wie der Franzose Racine und ohne die diplomatische Begabung von Churchill zu haben, der seinem Königreich diente; denn der einfache Mönch, Franz von Assisi, hat in seiner demütigen Art den Weg zur Gotterfahrung gefunden. Sogar ungelernte Menschen haben den Weg zur Allwissenheit und Allmacht entdeckt; denn die Frage, ob wir zur Gotterfahrung kommen, hängt von den Kräften unseres Herzens, unseres Gemütes und unseres Lebens ab. Alles, was von uns verlangt wird, damit alles in uns göttlich werde, damit alles in uns entwickelt werde, damit wir leben und bewußt wirken in der unendlichen Gottheit, besteht darin, daß wir ein wenig gut sind, daß wir eine sanftmütige Art haben, daß wir etwas mehr Reaktionsfähigkeit haben der göttlichen Allgegenwart gegenüber. Es geht darum, daß wir bereit sind, die Prinzipien des göttlichen Lebens anzunehmen, wie sie uns von den Heiligen und Weisen übermittelt worden sind, denn durch all' die Jahrhunderte hindurch haben Heilige und Weise den Weg gezeigt zur Entdeckung des Königreiches Gottes.

Die Heiligen sind die Spiegel, in denen wir die höchsten geistigen Möglichkeiten auch für uns finden können, und sie sind Zeugen der Würde und der Heiligkeit auch unserer Leben; sie sind der unwiderlegliche Beweis für unsere höchsten geistigen Möglichkeiten, und sie sind die Zeugen unserer göttlichen Bestimmung. Durch ihre außergewöhnliche Güte, ihre bedingungslose Barmherzigkeit, durch ihren tapferen, mutigen Geist, der bereit war, alles zu opfern in Bezug auf Schlaf und Ernährung, haben sie uns im Einzelnen gezeigt, wie wir in das Königreich Gottes eingehen können. Sie waren bereit, jede Art von Dienst zu leisten und jeden Beweis für ihren Glauben zu erbringen. Durch alle diese Wege und noch viele andere haben sie selber den Weg zur unendlichen Gottheit gefunden. Um unsertwillen haben sie uns viele Wege und Mittel gezeigt, durch welche wir zur Gotterfahrung kommen können. Wenn wir ihr Leben studieren, dann werden wir diese Methoden finden, und das Leben dieser Heiligen und Weisen wird uns inspirieren. Ein fortwährendes Studium und ein Nachdenken über den Weg und die Mittel, die sie zur Erfahrung gebraucht haben, wird auch unserem Leben die Richtung geben, denn wenn wir wirklich bereit sind, diesen Weg zu gehen und diese Mittel zu gebrauchen, dann werden wir ebenso zur Erfahrung dieser unsichtbaren, unendlichen Kräfte kommen.

Dank all' dieser Heiligen und Weisen des Christentums der ganzen Welt haben wir das reichste Erbe spiritueller Literatur, denn wir haben alle Mittel und Hilfen, die wir gebrauchen, um zum Übermenschentum zu gelangen. Wie immer der Weg sein möge, um das Unendliche zu erfahren, in der großen Literatur der Heiligen und Weisen sind viele Möglichkeiten der Führung und des Weges zur Gotterfahrung gezeigt. Was immer unsere Lebensbestimmung, wie immer die Einzigartigkeit unserer Lebensumstände und welche Art Individualität wir auch sein mögen, denken wir daran, daß gerade aus diesen Umständen, den selben Umständen die Heiligen und Weisen hervorgegangen sind. Sogar wenn wir eine Hausfrau sind, denken wir daran, daß Dutzende von Heiligen und Weisen aus diesem Hausfrauenstand hervorgegangen sind, und wenn wir ein Philosoph sind, denken wir daran, daß auch unter den Philosophen Heilige und Weise waren. Wenn wir zu keiner dieser Klassen gehören und immer noch leiden unter den Begrenzungen dieses Lebens, dann sollen wir uns erinnern, daß sogar unter den großen Sündern dieser Welt Heilige und Weise hervorgingen. Deshalb laßt uns versuchen, die Bedingungen zu erfüllen, die zur Erleuchtung und zur Gotteinheit führen. Die Heiligen und Weisen sind ein fortwährender Hinweis, eine fortwährende Ermutigung für uns, zu ihrer Güte aufzusteigen. Nehmen wir eine gewisse Distanz zu uns selber, und entdecken wir in unserem Innersten die Möglichkeiten und Herrlichkeiten des göttlichen Bewußtseins. Wir sollen leben und wirken im ständigen Bewußtsein der Gottgegenwart; denn das ist der höchstinspirierende und schallende Weckruf für uns, das Göttliche zu erreichen.

Wir dürfen die Tatsache nicht vergessen: Gott ist unmittelbar in uns, nicht außerhalb von uns; Gott ist die wirkliche Frau oder der wirkliche Mann in uns, Gott ist die eigentliche Genialität, der Geist unseres tiefsten Bewußtseins. Die größten Weisen haben gesagt: «Gott ist in euch, du bist das», wobei «das» die Gottheit, das Königreich Gottes bedeutet.21) Dies gilt für jeden einzelnen von uns. Wie immer die Lebensumstände sein mögen, die Möglichkeit, ein Heiliger zu werden, ist gegeben, und die essentielle Gottheit existiert in uns. Großartig ist die Zivilisation des 20. Jahrhunderts und groß ist das, was wir auf politischem, sozialem und wissenschaftlichem Gebiet erreicht haben, und unser Lebensstandard ist hoch, aber dies alles ist nutzlos, wenn wir nicht eine Weisheit in uns entdecken, welche über den Tod lachen kann, wenn wir nicht wie die Heiligen und Weisen einen Frieden in uns tragen, der durch gar nichts erschüttert werden kann, und wenn wir nicht in unserem Herzen und Leben eine Freude haben, die durch gar keine Situation zerstört werden kann, wenn wir uns nicht erheben zu der Höhe dieser Heiligen und Weisen und dadurch über das Leiden und die Krankheit gelangen.

Wir sind in unserem Innersten Gott; die Heiligen und Weisen haben diese Tatsache immer betont; sie haben durch ihr Wissen, durch ihr Gutsein, durch ihr Leben der Hingabe die Gottheit erlangt; sie haben in Gott gelebt, und Gott hat in ihnen gelebt; sie sind der eigentliche Wesenskern der Gottheit geworden; die Gottheit ist zu ihnen niedergestiegen. Gott hat durch die Herzen der Heiligen und Weisen seine unendliche Liebe gezeigt, und durch die Worte und Erklärungen der Heiligen und Weisen hat Gott seine Weisheit dargeboten; denn im Leben dieser Heiligen und Weisen hat Gott die Möglichkeit aufgezeigt, die für alle Menschen da ist. Deshalb bezeugt von heute an Furchtlosigkeit, eine große, tiefe Weisheit, eine Ruhe, eine Liebe, welche keine Unterschiede und Grenzen kennt und ein Wissen, das nicht erschreckt vor den Schwierigkeiten des Lebens, sondern diese meistert durch die Macht des Wissens.

Schauen wir uns das Leben der Heiligen und Weisen an. Wir müssen unsere Persönlichkeit etwas ausdehnen und erweitern, wir müssen unsere Vision ändern und das Gottbewußtsein erkennen, das in allen Menschen da ist; wir müssen unsere Fähigkeit für endlose Freude überall wieder aufwecken; zerstören wir alle Grenzen, die bloß durch menschliche Hände aufgerichtet worden sind, erweitern wir unser Wissen und erweitern und vertiefen wir unser Gutsein durch aktive Liebesdienste. Unvollkommenheit und Schwächen müssen durch Menschen, wie ihr es seid, durch intelligente Menschen weggeräumt werden. Wir sind die wunderbaren Kinder der Gottheit. Es gibt keine Grenzen für eure Freude, euren Frieden, euer Glück; denn wir sind dazu geboren, die Kraft unseres inneren Bewußtseins zu demonstrieren. Auf diesem Weg der wunderbaren Gottentfaltung und Gottverwirklichung haben wir als Beispiele Hunderte von Menschenleben, die uns dazu verhelfen, und diese Führer sind eben die Menschen der mystischen Erfahrung, die Heiligen und die Weisen.

In Ehrfurcht und Verehrung gedenken wir der Heiligen und Weisen. Wir beten sie an im Gedenken an alles, was sie uns hinterlassen haben auf dem Gebiet der geistigen Erfahrung. Wir müssen daran denken, daß sie immer noch leben und versuchen, uns zu inspirieren; denn die Heiligen und Weisen leben in Ewigkeit. Nachdem die Welt Namen wie Hitler, Churchill, Chruschtschow und Kennedy vergessen hat, wird sie sich immer noch an Franz von Assisi und alle die anderen wirklichen Heiligen und Weisen erinnern, denn sie allein haben die Höhen der Evolution erreicht, sie allein sind die Lieblinge Gottes und der Natur. Sie haben die Tiernatur überschritten und auch das menschliche Wesen; sie allein haben das Herz gehabt, das in der endlosen Liebe geschwommen ist; sie haben in der Ekstase eines unsterblichen göttlichen Bewußtseins gelebt. Diese Welt, die durch unsere Sinne und unsere Begrenzung sich zeigt als eine Welt der Begrenzungen und der Verengung, wurde ihnen offenbar als das Reich Gottes. Sie konnten mit den Vögeln und Tieren sprechen; sie konnten mit der unsichtbaren Gegenwart sprechen, die für sie sichtbar war. Sie waren die Menschen, in denen alle Mächte des göttlichen Bewußtseins in dynamischer Wirksamkeit erstanden, und was sie getan haben, können wir alle auch tun.

Wir können genau wie sie heldenhaften Geistes werden; wir können übermenschliche Individuen werden von endloser Kraft, und wir können göttliche Menschen werden, welche den Tod überwinden und die Unwissenheit übersteigen. In den Männern der höchsten göttlichen Erleuchtung lag das ganze Königreich Gottes. Deshalb ist der Weckruf oder die Bitte des Swami an euch alle, die ihr geschult, sanftmütig, liebevoll und hilfreich seid: «Tut etwas Heldenhaftes, braucht die Wunder und Fähigkeiten, die Gott euch gegeben hat! Laßt euch nicht durch den Luxus und die Bequemlichkeit des irdischen Lebens, deren ihr teilhaftig seid, betrügen um das Wertvollste, das ihrhaben könnt!» Es ist nicht im Einverständnis mit unserer Würde, daß wir uns beschränken lassen durch ein kleinliches, begrenztes, eigensüchtiges Dasein. In uns ist ein Feuer Gottes, das aufflammen kann zur göttlichen Erfahrung. Laßt uns beginnen dadurch, daß wir gut und sanftmütig sind, Geduld haben und uns meistern. Laßt uns Literatur studieren, die uns die eigentlichen Bedürfnisse und Notwendigkeiten des inneren Lebens zeigen; laßt uns wie Thomas a Kempis versuchen, den Fußstapfen des höchsten Heiligen zu folgen: Jesus Christus.

Es ist nicht schwer für uns, Heilige zu werden. Wir können Heilige werden, während wir Hausfrauen, Geschäftsleute oder Wissenschaftler sind. Alles, was einen Heiligen von einem gewöhnlichen Menschen unterscheidet, ist: Beten ohne Unterlaß. Der gewöhnliche Mensch, der Durchschnittsmensch betet nur, wenn er in Not oder Schwierigkeiten ist, er betet am Sonntag oder wenn er von Gott her irgend eine Hilfe braucht. Bei anderen Gelegenheiten vergißt er Gott wieder, während ein Heiliger Tag und Nacht zu Gott betet; denn sein Leben ist ein fortwährender Kommentar seiner inneren Einheit mit Gott; seine Gefühle sind erhoben; sein Herz ist vollständig erfüllt von der Verehrung der allgegenwärtigen Gottheit. Seine Vision ist rein und erhaben; er mag Männer oder Frauen ansehen, seine Augen gelten nur dem göttlichen Bewußtsein in diesen Menschen. Er betet die ganze Zeit, obschon er vielleicht kein einziges Wort ausspricht, das der Priester spricht; denn das Gebet ist ein Teil seiner inneren Stimmung, seines Lebens.

Die Art, wie er sich bewegt und was er tut, ist ein Beweis der göttlichen Gegenwart, und seine Barmherzigkeit ist wie ein Magnet, der die göttliche Kraft anzieht. Seine großen Taten und wirklichen Opfer sind so außergewöhnlich, daß sie eben die Spiegelung des Göttlichen dartun. Während diese Menschen in einer Welt der Materie, der Steine leben, bewegen sie sich im Königreich des göttlichen Bewußtseins. Ein solcher Heiliger ist vielleicht auf der Straße, aber er fühlt, daß er auf heiligem Boden steht, und etwas in seinem innersten Bewußtsein ist der Gottgegenwart absolut bewußt. Vielleicht verkauft er Gemüse in einem Laden, und in den Menschen, die kommen, um sein Gemüse zu kaufen, wird er der Gottgegenwart bewußt, und in allem, was er geschäftlich unternimmt, wird er machtvoll von der Gottesliebe beeinflußt. Wenn er am Ende des Tages heimgeht, dann kehrt er zu einer Kirche heim; wenn er den Tisch deckt für seine Mahlzeit, dann breitet er das Tischtuch aus für die Gottheit in ihm. Es gibt keine Zeit in seinem Leben und keine Umstände, wo er nicht dieser heiligen Gegenwart lebhaft bewußt wäre. Vielleicht geht er Tennis spielen, aber er hält den Schläger nicht in die Höhe, ohne daß er vom Gottbewußtsein erfüllt wäre. Was immer seine Lebensumstände sein mögen und die Art seiner Arbeit, er ist fortwährend bewußt der göttlichen Intelligenz, welche die Quelle dieser Welt ist. Vielleicht hört er Musik im Radio, und dies genügt für ihn, um zur Erleuchtung zu gelangen, zu einem Augenblick, wo er Gott voll und ganz erlebt. Deshalb, wie immer seine Umstände und Gegebenheiten auch sein mögen, er ist eins mit dem Unendlichen; das ist der Unterschied zwischen einem Durchschnittsmenschen und einem Heiligen.

Nur der Heilige lebt in seinem eigentlichen Element dadurch, daß er in seinem Gottbewußtsein lebt. Der Durchschnittsmensch ist ein armer Mensch. Er ist ruhelos und muß immer nach seinem Glück suchen. Der gewöhnliche Mensch hat immer Angst vor dem Tod und möchte ihn gern besiegen; der Durchschnittsmensch lebt in tausend Ängsten, während der Heilige eins ist mit dem unendlichen Meer des Gottbewußtseins und nur Freude, Frieden und Glück erfährt. Um dies etwas besser zu verstehen, zeige ich eine Analogie: Auf der großen Fläche des blauen, inspirierenden Ozeans sind Tausende und Millionen Wasserblasen. Diese Blasen stellen die ganze Menschheit dar, und die Kraft der Blase ist in dem Maße begrenzt, in dem sie der ozeanischen Kraft gewahr wird. Wenn die Wasserblase egoistisch sich bewußt ist, etwas Getrenntes vom Ozean zu sein, wenn die Wasserblase sich selber nicht kennt und nicht weiß, was der Ozean ist, dann lebt diese Blase in der Furcht und Isolierung. Sie fürchtet sich vor eventuellen Gefahren; während die Heiligen und Weisen Wasserblasen vergleichbar sind, die absolut wissen, daß sie zum Ozean gehören. Jede Blase, die einen Heiligen darstellt, ist sich der Identität und Einheit mit dem Ozean und all' seiner Mächte absolut bewußt. Dadurch, daß die Heiligen nun wissen, daß sie eins sind mit dem Ozean, sind sie voll Freude, Frieden, Bewußtsein und Kraft; ihr Leben ist wie ein Fest dessen, was sie eben erreicht und erlebt haben.

Ich bitte euch alle, von diesem Tage an zu versuchen, eure große Weisheit in vollem Maße zum Ausdruck zu bringen und euer inneres Gutsein zu zeigen, eure Kräfte der Liebe, des Verständnisses, euer höheres inneres Streben, die Mächte eures inneren göttlichen Bewußtseins sowie die Fähigkeiten eures inneren Wesens besser zur Geltung zu bringen und aus eurem Leben eine Säule des Erfolges, der Vervollkommnung und der göttlichen Zielsetzung zu machen, sich gründend auf die Tatsache, daß wir alle blutsverwandt sind mit dem Unendlichen. Ich versichere euch, daß ihr jede Art von Hilfe und Führung erleben werdet, um dieses evolutionäre Ziel zu erreichen. Groß ist eure Glorie, gesegnet seid ihr; denn in euch ist die selbstbewußte Intelligenz; denn ihr, nur ihr Menschen, seid innerhalb des Tierreiches diejenigen, denen die Glorie der Vollkommenheit gegeben ist; in euch sind die kritischen, unterscheidenden Mächte der Urteilskraft und auch die höheren Mächte, z.B. die Intuition. Eure Liebe kann sich entwickeln zur unendlichen Gottesliebe, welche Gott selber in sich einfängt.

Gesegnet seid ihr alle; ich bitte demütig den allmächtigen Gott, euch in eurer täglichen, bewußten Erfahrung zu den Lichtern dieser Welt zu machen, denn in den Heiligen Schriften steht geschrieben. «Ihr seid das Licht der Welt». Warum seid ihr denn nicht dieses Licht der Welt? Ihr habt bis jetzt nicht das Recht in Anspruch genommen, ein Licht der Welt zu sein. Vielleicht kämpft ihr für kleinliches Recht, vielleicht seid ihr eben nicht erwacht wie die Heiligen und Weisen, um Lichter der Welt zu werden. Aber, was immer die Ursache gewesen sein mag, laßt uns jetzt versuchen, Lichter der Welt zu sein. In der Bibel steht geschrieben: «Ihr seid die Söhne Gottes», und doch sind wir in unserer Erfahrung noch nicht Söhne Gottes geworden; wir haben in tiefer Unwissenheit gelebt in Bezug auf unsere Beziehung zum Göttlichen; deshalb haben wir nur als menschliche Wesen gelebt und die Erfahrungen der Menschen gemacht in Form von Leid und Freude, von Haß und Liebe und von Licht und Dunkel.

Die Heiligen und Weisen haben uns vorgemacht und gelehrt, wie wir leben und wirken können als Söhne Gottes, und genau wie sie können wir auch Quellen der Inspiration, des Friedens und der Freude sein; wie sie können auch wir unser Leben zu einem Epos des Erfolges und des erreichten Zieles machen, und wie sie können wir Wissen und Frieden ausbreiten und unseren Sieg über den Tod beweisen. Wir können unsere Meisterschaft über das Leben beweisen. Wir müssen das Reich Gottes im eigenen Herzen sehen.

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5. Kapitel
Spezielle östliche Methoden

Von der Bedeutung und der Hilfe des Mantra

Unter einem Mantra versteht man eine mystische Formel aus verschiedenen Silben mit einer intensiven geistigen Bedeutung und Kraft. «Man» bedeutet das Gemüt, «tra» bedeutet jenseits. Das Mantra ist also eine Hilfe, um jenseits des menschlichen Gemütes zu gelangen. Es ist eine Hilfe, um jenseits der menschlichen Begrenzungen und Leiden zu gelangen. Wo aber gelangen wir hin, wenn wir jenseits des Gemütes gehen? Wir kommen zum unendlichen Bewußtsein, welches Gott ist. Deshalb ist das Mantra die spezifische mystische Silbe, welche uns zum Bewußtsein Gottes führt. Das Mantra bringt uns den direkten Kontakt mit Gott.

Das berühmteste Mantra des Ostens ist die mystische Silbe OM. Die göttliche Silbe OM wurde vor unzähligen Jahren in tiefster Meditation durch größte Heilige und Erleuchtete Indiens empfangen. OM ist die direkte Offenbarung Gottes. OM ist eins mit dem unendlichen, göttlichen Bewußtsein. OM hat einen Ton-Aspekt und einen ton-losen Aspekt.

Mit dem Ton-Aspekt hat Gott alle Universen geschaffen; er erhält sie mit diesem Ton, und er wird sie zerstören mit diesem Ton. Überall, wo Elektrizität, Magnetismus, Licht und Leben ist, ist OM gegenwärtig. OM ist das große Wort in allen Sprachen22); es ist das Leben aller Leben, die Macht aller Mächte und das Licht allen Lichtes. OM hat aber auch einen tonlosen transzendentalen Aspekt. In diesem entspricht es der unsichtbaren Gottheit.

Das Mantra ist Gott selber. Jedesmal, wenn wir es aussprechen, kommen wir in Kontakt mit Gottes Wesen, seiner Allmacht, seinem Bewußtsein und seinem Licht. Jedesmal, wenn wir es aussprechen, ist um uns Friede, Kraft, Schönheit und Inspiration. Je reiner unser Herz, je geläuterter unser Gemüt umso stärker empfinden wir dies. Aber wir dürfen nicht enttäuscht sein, wenn wir im Moment, da wir ein Mantra, zum Beispiel OM, sagen, nicht gleich Gott erleben. Wenn wir hunderte und millionen Mal OM oder sonst ein Mantra wiederholen, wird durch diesen Prozeß unser ganzes Inneres umgewandelt, und wir werden Gott erfahren können. Bis aber diese Zeit kommt, müssen wir geduldig und ausdauernd üben.

Die Zerstreuungen werden mit der Zeit verschwinden. Wenn wir das Mantra wiederholen, müssen wir uns der Allgegenwart Gottes bewußt sein und das Gefühl haben, das Licht stehe neben uns. Aber weil wir gebildet sind, denken wir, das sei eine Einbildung oder Vorstellung; das ist nicht wahr. Gott ist allwissend, reagiert auf alles und versteht alles. Sobald wir spüren, daß Gott neben uns ist, wird dies Gott zur Wirklichkeit machen. Natürlich, wenn wir denken, eine Dahlie sei eine goldene Blume, so ist das eine Einbildung. In Bezug auf Gott aber gibt es keine bloße Einbildung. Sobald wir das Mantra gebrauchen, empfinden wir, daß das Licht Gottes neben uns steht, weil wir noch nicht imstand sind, das Licht selber zu sehen. Jeder Mensch aber, der über eine außergewöhnliche Wahrnehmungsfähigkeit verfügt, kann das Licht selber sehen und diese Aussagen beweisen.

Übe, erlebe und verwirkliche

In deinem Mantra sind alle Hilfskräfte Gottes enthalten. Übe und wiederhole so oft als möglich. Wenn du übst, so empfinde, daß Gott neben dir steht. Mit jeder Wiederholung öffne das Herz voll Liebe ganz weit für das göttliche Licht. Wenn ein kleines Kind in der Wiege nach der Mutter schreit, wird dann die Mutter nicht zur Wiege eilen? Genauso mußt du, wenn du das Mantra wiederholst, auf Gott zueilen. Dein ganzes Gemüt muß erfüllt werden von der Tatsache, daß Gott allwissend, alliebend und allbarmherzig ist. Mit jeder Wiederholung muß deine Kenntnis und deine Liebe mitschwingen. Wie energisch, geschickt, flink und angriffig wirst du, wenn du plötzlich feststellst, daß das ganze Zimmer, in welchem du dich aufhältest, brennt? Verbinde dich mit derselben Intelligenz und mit derselben Energie bei jeder Wiederholung des Mantra mit Gott.

Wiederhole unermüdlich und mit tiefster Hingabe. Laß keinen üblen Gedanken in dir hochsteigen; denn das Mantra ist ein Bestandteil der höchsten Gottheit. Übe unermüdlich, aber übe in der richtigen Einstellung. Es nützt nichts, wenn du das Mantra bloß herunterleierst. Übe voll Innigkeit. Denke Tag und Nacht und Nacht und Tag an den Wert und die Größe deines neuen Lebens. Sei unermüdlich, ohne etwas zu erwarten. Dann wird Gott immer bei dir sein, und es werden sich sogar außergewöhnliche Dinge ereignen, wenn du durchhältst.

Es wird eine Hilfe für dich bedeuten, wenn du auf die Nahrung achtest. Falsche Nahrungszusammensetzung oder ein schwerer Magen sind Hindernisse für die Konzentration. Versuche also, aufreizende und schwere Nahrung zu vermeiden.

Eine andere Hilfe besteht darin, daß du dich daran erinnerst, wie das menschliche Leben voll von Irrtümern, Fehlern, Versagen und Unglück ist. Das ist ein Grund, warum du dich mit großer Intensität und Eile bemühen mußt, das innere Wesen zu vergöttlichen. Ein anderer Grund für die Zerstreuung ist das Gefühl der Körperschwere. Bemühe dich um die innere Reinigung des Körpers. Sobald du das Mantra brauchst, sollst du deinen Körper vergessen, vergessen, daß du eine Frau bist, vergessen, daß du ein Mann bist, vergessen, daß du eine Persönlichkeit bildest. Die Konzentration vermehrt sich, wenn du das Gefühl hast, du seiest ein Ausdruck des göttlichen Lichtes. Du mußt dich vom übermäßigen Zwang befreien, welchen der Körper auf dein Bewußtsein ausübt; dann wird die Konzentration möglich sein.

Doch das ist noch nicht genügend. Du mußt sehen, daß dein Gemüt immer erfüllt ist von erhabenen Gedanken. Wenn dir nicht irgend eine inspirierende Stelle aus einem Buch ins Gedächtnis kommt, denke immer an die drei Eigenschaften Gottes, die Allgegenwart, die Allwissenheit, die Allmacht. Sobald dir jemand von einem Autounglück berichtet, wiederhole sofort das Mantra innerlich und verhindere, daß das Bild des Unglücksfalls deine Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Sobald jemand kommt, und dich wegen eines Artikels rühmt, den du in der Zeitung veröffentlicht hast, mußt du das Mantra wiederholen und die Aufmerksamkeit von dem Lob ablenken. Sobald du die Füße in das kalte Wasser stellst und den Eindruck des kalten Wassers empfindest, mußt du das Mantra wiederholen und den Eindruck des kalten Wassers vergessen. Sobald du die Hände in das warme Wasser steckst und die Empfindung dieses warmen Wassers hast, mußt du das Mantra wiederholen und den Eindruck des warmen Wassers wieder vergessen. Sobald in deinem Körper ein Schmerz auftaucht, mußt du das Mantra wiederholen und den Eindruck des Schmerzes vergessen. Verhindere also zu allen Zeiten, daß irgend ein Ereignis oder irgend eine Sache einen Eindruck bei dir hinterläßt. Wende dich nur dem Gott-Bewußtsein zu.

Wann immer die Menschen dich als Frau anreden und in dir die Erinnerung an dein Frausein stärken, so wiederhole das Mantra, vergiß, daß du eine Frau bist, denke, daß du ein göttliches Wesen bist. Wenn immer jemand kommt und dir erzählt, der indische Ozean sei ganz schwarz geworden, mußt du die Nachricht vergessen und dich auf das Mantra konzentrieren. Wenn immer du ein Flugzeug hörst, das einen entsetzlichen Lärm verursacht, mußt du das Gehör mit dem Mantra statt mit dem Flugzeug verbinden. Wenn immer die Autogeräusche auf der Straße dich absorbieren wollen, mußt du diese Töne einigen durch die Töne des Mantra. Wenn immer der Gedanke in dir aufsteigt, daß dieses Haus dir gehört, daß dieser Stuhl dein Eigentum ist, mußt du diesen Gedanken verdrängen durch den Gedanken, daß alles Christus gehört. Wenn immer der Gedanke in dir aufsteigt, daß du die Frau deines Mannes bist oder der Mann deiner Frau, muß die Idee kommen, daß du zu jesus Christus gehörst. Nimm den Mann, nimm die Frau an als die machtvollste Verkörperung des Christus-Bewußtseins. Sieh deinen Partner nicht mit deinem physischen Auge und nicht mit dem physischen Herzen, sondern sieh ihn als ein Zeichen der Gegenwart des Gott-Bewußtseins.

Lebe also immer im Christus-Bewußtsein. Gestatte der äußeren Welt nicht, dich zu beeinflussen; bemühe dich zudem jeden Tag besser und besser, reiner und gläubiger zu werden. Wenn du merkst, daß es an der Konzentration fehlt, so sorge für ein wenig körperliche Betätigung, laufe hin und her im Raum und versuche immer wieder, mit noch größerer Konzentration, das Mantra zu gebrauchen. Wiederhole das Mantra, wenn notwendig, laut. Wenn es draußen dunkel wird, wiederhole das Mantra und erinnere dich an das Licht des Gottbewußtseins. Laß dich nie von einer äußeren Erfahrung beeindrucken, obschon du hier auf Erden lebst im Bereich der irdischen Erfahrungen. Lebe immer in der gleichen göttlichen Erfahrung und scheide alles andere aus.

Statt daß die Welt in dir lebt, mußt du Gott in dir leben lassen. Wenn du das tust und mit großer Hingabe dein Mantra wiederholst, wird sich dein ganzes Wesen grundlegend ändern. Der gewöhnliche Mensch wird geplagt durch den Egoismus, die Sexualität und viele andere Dinge. In deinem Fall muß das vollständig verschwinden; denn das Mantra führt sowohl dein Bewußtsein wie dein Unbewußtes ins Überbewußte. Alles kommt zu dir, doch erwarte nichts. Sei geduldig und innerlich ganz rein. Bleibe ruhig, auch wenn du zehntausend Jahre auf das Resultat warten müßtest, doch arbeite mit großer Hartnäckigkeit und halte durch.


Die Meditation

Was ist eine Meditation und warum verlangst du sie? Vielleicht suchst du in ihr den Frieden, welchen sie dir gewähren soll. Vielleicht willst du meditieren, um zu entspannen und neue Kräfte zu sammeln. Oder vielleicht willst du Gott spüren, Gott erleben. Was auch die Meditation dir bedeuten möge - immer geht es darum, durch sie zur Gotterfahrung zu gelangen. Der Zweck der Meditation muß immer sein, dem Licht aller Lichter und der Vollkommenheit näher zu kommen. Das Ziel der Meditation muß immer die Erlangung der höchsten Macht sein. Wenn du dich nach dieser höchsten Macht, welche Gott ist, sehnst und das unendliche Licht wünschest, wenn du nur um der Gotterfahrung willen meditierst, wirst du den Frieden, das Glück, den Erfolg und die Vollkommenheit erlangen. Und wenn du das höchste Licht der allumfassenden Intelligenz ersehnst, wenn du dich diesem Licht näherst, wirst du alle übrigen nötigen Dinge der Welt bekommen.23)

Nun hast du also erkannt, was das eigentliche Ziel der Meditation sein muß. Wenn du das höchste Licht und die höchste Macht der Gottheit erstrebst, dann werden die irdischen notwendigen kleinen Dinge hinzugefügt werden. Die höchste Macht, welche du durch die Meditation zu erlangen suchst, ist in dir, um dich, über dir, überall. Sogar die Materie ist ein Ausdruck des Gottbewußtseins. Das Gemüt, also unser Denken und Fühlen, ist ebenso der Ausdruck des höchsten Gottbewußtseins' Dieses höchste Bewußtsein ist die einzige Wirklichkeit; Materie, Natur und Leben sind bloße Ausdrucksformen dieser Wirklichkeit. Die Ausdrucksformen sind dem Raum und der Zeit unterworfen , das höchste Bewußtsein aber ist raumlos, unendlich und zeitlos, ewig. Materie, Gemüt und Leben, sie werden wechseln, sich ändern und vergehen; das göttliche Bewußtsein wird immer bleiben und sich nie verändern.

Durch deinen Verstand und deine fünf Sinne kannst du nur das materielle Universum erleben, die irdische Welt, Natur und Gemüt. Der Zweck der Meditation ist es eigentlich, dich über die irdischen Gegebenheiten hinauszuheben, über die Natur und über das Gemüt. Die Meditation bezweckt, dich frei zu machen vom Gefängnis des Körpers, dem Einflußbereich des Gemütes und den Einwirkungen der irdischen Welt. Die Meditation bezweckt, daß du direkt zur Erfahrung des unendlichen und unbegrenzten Bewußtseins kommst, das überall anwesend ist, in der Natur, im Leben und im Gemüt.

Die Meditation ist dann erfolgreich, wenn du dich im Leben bewährst durch Ruhe, Ausgeglichenheit, Zufriedenheit, Furchtlosigkeit und Liebe. Wenn du nach der Meditation diese Eigenschaften aufweisest, dann hast du tatsächlich in der Meditation etwas erlebt von der göttlichen Quelle des Bewußtseins. Alles Irdische und Vergängliche in dir wird durch die Meditation einer Veränderung unterworfen. Sogar in den Blutzellen wird durch die Meditation eine Veränderung hervorgerufen. Jede Meditation bewirkt eine Beruhigung deiner Nerven, eine Kräftigung deines Gesundheitszustandes.

Es ist ein großes Gesetz, daß du Kräfte des Lebens vergeudest, wenn du nicht meditierst. Dieses große göttliche Gesetz besagt, daß du durch die Meditation dein natürliches Leben überschreitest, daß du deine Möglichkeiten und Kräfte sublimierst und dich der Gotterfahrung näherst. Es ist deine Aufgabe, auf der Erde als übermenschliches Individuum zu leben. Du hast im täglichen Leben Gottes Furchtlosigkeit, Gottes Friede, Gottes Macht und Gottes Glückseligkeit auszudrücken. Das ist durchaus möglich, weil die entsprechenden Kräfte schon in dir vorhanden sind. Die Meditation ist nun gerade das Mittel, diese Kräfte zur Entfaltung zu bringen. Deshalb ist die Meditation der königliche Weg zur Erlangung von mehr Friede, mehr Glück, mehr Furchtlosigkeit, mehr Ruhe und mehr Vollkommenheit. Die Meditation ist die große Alchemie, die in dir das, was bloß menschlich ist, in das Göttliche umwandelt. Bereits ein wenig Meditation wird dir Gesundheit, Kraft und Frieden schenken, und das kann durch keine andere Methode in dieser Art und Weise erlangt werden.

Du mußt daran denken, daß keine Schwierigkeit des Lebens durch äußere Mittel gelöst werden kann, sondern nur durch das innere göttliche Wesen in dir selber. Das Leben und das Gemüt sind so gerichtet, daß sie dich immer nach außen ziehen, weg von Gott. Die Folgen dieses Weggezogenwerdens von Gott sind Krankheit, Sorgen und Leiden. Die Meditation ist der umgekehrte Weg, von den Dingen zurück zur Mitte, wo die Lösung aller Probleme und dein Glück wohnt.

Nach einer richtigen Meditation hast du eine neue innere Schau, eine neue Erfahrung und neue Kräfte. Der Körper, die Natur, das Leben und die Materie hören dann auf, Quellen des Unglücks zu sein; wenn du aber genügend auf dem meditativen Weg fortgeschritten bist, dann wirst du die größte Wahrheit des Lebens entdecken, nämlich daß nichts existiert außer Gott allein.

Von diesem Moment an wirst du keine Furcht mehr kennen, wirst du keiner Schwierigkeit mehr begegnen, wirst du nie mehr in der Dunkelheit sein. Von diesem Augenblick an wirst du nicht mehr Mann und Frau sehen, sondern nur noch geliebte Kinder Gottes, wird dein Herz in beständigem innerem Entzücken leben und das Gemüt einen Frieden erleben, welcher das Verstehen übersteigt. Von diesem Moment an wird dein Leben voll von Macht und Vollkommenheit sein. Menschen, welche in deine Nähe kommen, werden innerlich gehoben, getröstet und gesegnet. Die ganze Natur wird Gott in dir erkennen und in Liebe reagieren. Nichts Schlechtes und Böses wird dir im Leben begegnen, und solltest du etwas Schweres durchzumachen haben, so wirst du auch darin nur Gott erleben. Alle deine Kräfte werden übermenschlich sein. Deine Weisheit wird über der menschlichen Weisheit stehen, und dein Wille wird stärker sein als der gewöhnliche Wille. Du wirst nicht mehr zwei Mächte erleben, sondern nur noch eine Macht, die Macht des göttlichen Bewußtseins. Wenn du aber noch weiter fortschreitest, wirst du wahrhaftig göttliche Mächte besitzen und Raum und Zeit überschreiten. Du kommst in ein endloses göttliches Bewußtsein von absoluter Vollkommenheit. Dann bist du so vollkommen wie der Vater im Himmel 24) Dann besteht kein Unterschied mehr zwischen Seinem und deinem Willen, und Sein Leben und dein Leben werden gleich sein. Du wirst dich bewegen und wirken in unendlichem Frieden, in Schönheit und Vollkommenheit. Dies ist das Großartigste und Wunderbarste in der menschlichen Entwicklung. Dies ist das große Ziel, das vor dir liegt. Es ist dein Vorrecht und deine Segnung, daß du diesem Ziel entgegenstreben darfst. Die Meditation aber ist das große Tor, welches zu diesem Königreich führt.

Damit die Meditation fruchtbar wird, müssen gewisse Bedingungen eingehalten werden. Zunächst mußt du dafür sorgen, daß der Magen leicht ist. Du täuschest dich, wenn du denkst, eine Meditation sei möglich, nachdem du eine schwere Mahlzeit zu dir genommen hast. Denn das Gemüt wird dann nicht in Gott verankert sein, sondern im Verdauungssystem.

Die nächste Bedingung ist die Vorbereitung auf die Meditation. Das Gemüt soll nicht unrein sein, sonst wird die Meditation unmöglich gemacht. Darum solltest du dich eine halbe Stunde vor der Meditation vorbereiten. Doch wie machst du das ? Merze alle beunruhigenden Gedanken und Gefühle aus. Lege die Erfahrungen vom Geschäft, vom Haus, von der Straße und sogar schöne und liebe Erinnerungen beiseite. Du sollst soweit als möglich mit einem reinen Herzen und einem freien Gemüt zur Meditation kommen.

Dann setze dich hin zur Meditation. Wenn es möglich ist, sollst du nach Norden oder nach Osten schauen, weil die Strömungen aus diesen Richtungen für die Meditation günstig sind. Allerdings ist es nicht so wichtig. Dann mußt du eine Sitzart wählen , die dir höchst bequem ist. Wenn es dir möglich ist, mit gekreuzten Beinen zu sitzen, ist es gut so. Falte die Hände. Der Zweck des Händefaltens ist folgender: Durch die Meditation werden spirituelle, magnetische und elektrische Kräfte freigelegt. Wenn du die Hände auseinandernimmst, hat die Erde die Tendenz, diese Ströme an sich zu ziehen. Wenn du aber die Hände faltest, werden die elektrischen, magnetischen und geistigen Kräfte durch den Körper zirkulieren.

Nachher mußt du an den Rücken denken. Du mußt das Rückgrat geradehalten. Der Kopf muß parallel zum Rücken sein, dadurch wird das ungestörte Zirkulieren der Ströme möglich.

Wenn du das Gefühl hast, daß du in dieser Lage noch nicht bereit bist, dich in den Ozean der Göttlichkeit zu versenken, so mußt du untersuchen, welche Störungen dich belästigen. Vielleicht hast du die Augen geöffnet und siehst die Objekte im Zimmer. Wenn du dadurch abgelenkt wirst, dann bist du noch innerhalb von Zeit und Raum, und es ist dir nicht möglich zu meditieren. Deshalb sollst du die Augen schließen und dadurch frei werden von den Ablenkungen, die du durch den Gesichtssinn wahrnimmst. Ein großer Teil von der äußeren Welt wird dadurch abgetan, und du wirst offener für die innere Erfahrung.

Wenn es Geräusche gibt, die dich ablenken, so mußt du das Geräusch wenn möglich abstellen. Nun gibt es aber Töne und Geräusche, über die du keine Meisterschaft hast. Beispielsweise fährt ein Auto vorbei oder eine Fliege stört dich. Auch diese Töne müssen irgendwie von dir beherrscht werden. Erst dann wird die Meditation fruchtbar. Wenn du z. B. ein Flugzeug hörst, mußt du denken, daß der Laut OM angetönt worden ist und daß dieser Ton dich ins innere Bewußtsein führen soll. Alle Töne und alle Kräfte, die dich sonst ablenken würden, mußt du nach innen lenken, um das Ziel zu erreichen.

Wenn du Gehör und Gesichtssinn beherrscht hast, kommen dir vielleicht die Störungen durch die Nase. Es ist ein schlechter Geruch im Zimmer, der dir die Meditation unmöglich macht. Dann stelle ein Parfüm auf oder laß einen Weihrauchstengel brennen oder stelle duftende Rosen vor dich hin, um durch diesen Duft an Gottes Wesen erinnert zu werden. Auf diese Weise wirst du auch den Geruchssinn meistern.

Es kann dich aber auch der Körper stören. Der Schal über dir oder die Jacke erinnert dich an den Körper. Lasse in diesem Fall das Kleidungsstück weg, damit du dich frei fühlst. Oder du frierst, und diese Kälte stört dich. In diesem Fall ziehe eine Jacke oder einen Schal an.

Nachdem du nun alle diese Störungen entfernt hast, beginne mit der Meditation. Wenn du dennoch irgendwie gestört bist, beispielsweise durch ein kleines Unwohlsein im Magen, so sollst du Atemübungen vornehmen. 25)

Genügt dies noch nicht, so gehe zu andern Hilfsmitteln über. Obschon du nun die äußeren Einflüsse ausgemerzt hast, ist vielleicht dein Gemüt noch nicht disponiert. In diesem Fall mußt du ein inniges inspirierendes Gebet sagen. Oder du mußt dich irgend einer Stelle in einem heiligen Buch erinnern, die deiner Beziehung zu Gott Ausdruck gibt. Dann wird das Gemüt erhoben und inspiriert, und es ist bereit zur Meditation. Wenn du kein Gebet weißt, wird auch die mystische Silbe OM eine Hilfe sein.

Dein Fortschritt wird methodisch und schnell vor sich gehen, wenn du in ein Mantra eingeweiht wirst. Aber diese Einweihung muß von einem Menschen ausgehen, der die direkte Gotterfahrung besitzt. Doch auch diese Einweihung wird nutzlos, wenn du dich unnützen, eitlen Dingen zuwendest, oder dummes Zeug machst und dich nicht auf das Ziel konzentrierst. Die Mantras enthalten ungeheure Kräfte, aber sie kommen nicht zur Geltung, wenn dein Herz und Gemüt nicht rein sind.

Nun wollen wir noch einen anderen Aspekt der Meditation betrachten. Schon vom Morgen an, wenn du dein Bett verlässest, sollst du dich in die Meditationsstimmung begeben, und diese festhalten, bis du schlafen gehst. Während des Tages wird dir schwere Arbeit auferlegt werden, und es ist normal, daß du viele Schwierigkeiten erlebst. Das moderne Leben ist kompliziert; denn es sind zuviele Pflichten, denen du nachkommen mußt. Deshalb sollst du dich von Zeit zu Zeit entspannen, und an die Allgegenwart, Allwissenheit und Allmacht Gottes denken. Auf alle Fälle sollst du immer wieder versuchen, dich in Kontakt mit der allgegenwärtigen Gottheit zu setzen. Wenn du Schwierigkeiten und Störungen hast, so mußt du sie als Segnungen betrachten.

Alle Schwierigkeiten im Leben sind irgendwie eine Segnung. Nimm sie an, ohne deinen Kopf zu verlieren, ohne dagegen auszustoßen und ohne dich zu beklagen. Wenn du so handelst, wird dein Gemüt den ganzen Tag ruhig bleiben. Und wenn die Meditation kommt, wirst du dazu bereit sein. Wenn du soweit gekommen bist, daß du die äußere Störung ohne innere Ablenkung annimmst, mußt du noch einen Faktor berücksichtigen. Du mußt nicht nur von den negativen Störungen unbeeinflußt bleiben, sondern dich auch von den positiven Dingen nicht überwältigen lassen. Ein freudiges Ereignis, dem du allzu intensiv nachsinnst, wird dich in der Meditation stören, darum mußt du dein Gleichgewicht auch in der Freude bewahren.

Wenn du nun die Augen geschlossen hast und befreit bist von allen Ablenkungen, so meditiere über Gott. Du kannst dir Gott vorstellen in jeder Art und Weise, die dir liegt. Alle Formen, die du erblickst, alle Lichter, die du siehst, alle Töne, die du hörst, sind Er allein. Wenn du dich außerstande fühlst, über das absolute Bewußtsein zu meditieren, das voll von Licht und Vollkommenheit ist, dann kannst du über irgend eine Form dieses Bewußtseins meditieren. Diese Form kann Jesus oder Maria oder Krishna oder Rama oder irgend eine dieser bekannten Gottes-Inkarnationen sein. Wenn du keine dieser Formen begehrst, dann kannst du dir irgend eine Persönlichkeit innerhalb dieses Meeres von
Friede, Freude, Vollkommenheit vorstellen. Was auch das Objekt deiner Meditation sein mag, immer wird es die alles sehende, alles wissende, allgegenwärtige Gottheit sein. Wenn Maria vor dir steht oder irgend eine von dir gewählte Form, so kannst du absolut sicher sein, daß diese Formen identisch sind mit der höchsten Gottheit.

Begehre nichts anderes als die unendliche und vollkommene Gottheit. Wenn du nur dieses Eine begehrst, so wird alles andere dazu kommen, ohne daß du darum bitten mußt. Wenn du bereit bist für die Meditation, und tief in die Gottheit versinkst, dann vergissest du, daß es eine Außenwelt gibt, dann weißt du nicht mehr, daß du einen Körper hast, und dein Gemüt funktioniert nicht mehr. Die Meditation ist dann nichts anderes, als ein Akt deines inneren Bewußtseins, deiner Seele und deines innersten Seins. Du bist dann eins mit dem selbstleuchtenden, selbstgenügenden und unendlichen Gottbewußtsein.

Wenn du ein Licht siehst, dann muß es eliminiert werden. Wenn du Farben siehst, entferne sie, wenn du irgend einen göttlichen Ton hörst, beachte ihn nicht. Und warum dies? Weil du nicht die Erfahrung von Licht, Farbe oder Ton brauchst, sondern Gott selber. Du mußt darum immer höhere Ebenen der Meditation erreichen. Endlich wirst du ganz in Ihm sein und Er in dir. Dann wirst du überall nur Gott allein sehen. Dein Herz und dein Gemüt werden voll von den Kräften der Inspiration und der Erleuchtung sein.

Wenn das nicht sofort der Fall ist, sollst du nicht verzweifeln. Fahre fort zu meditieren, Tag um Tag, Nacht um Nacht, Monat um Monat, Jahr um Jahr. Und soll es zehn Jahre, zwanzig Jahre oder mehr gehen, es spielt keine Rolle. Eines Tages wirst du doch das erfahren, wovon ich dir jetzt gesprochen habe. Auch dann, wenn du Gott noch nicht vollkommen und absolut erleben kannst in der Meditation, werden die Wirkungen trotzdem ungeheuer und unbeschreiblich sein auf deine Nerven, deine Gesundheit, deinen Frieden und deinen Fortschritt.

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6. Kapitel
Sexualität und Sublimation

Was ist die größte Kraft und höchste Fähigkeit im Menschen? Ist es wirklich der Geschlechtstrieb, wie dies so viele Psychologen und Psychiater behaupten? Gibt es nichts Höheres im Menschen als sein Gemüt? Doch, denn die Sehnsucht nach Glück und Freude, nach Entzücken und Wonne ist viel stärker. Weil die Sexualität eine gewisse Freude vermitteln kann, kommen wir natürlich in Versuchung zu denken, dass sie der wichtigste Faktor sei. Aber der Geschlechtstrieb ist nicht unsere größte Sehnsucht, sondern weit größer ist die Sehnsucht nach Glück, Friede und seliger Wonne. Weit größer ist die Sehnsucht nach grenzenloser Seligkeit. Diese Sehnsucht ist aber auch unser Recht. Wir haben ein Anrecht auf die unbeschreibliche Seligkeit, auf die Erfüllung unserer tiefsten Sehnsucht; doch gibt es keinen Zugang dazu, es sei denn, wir werden vollkommen. Darum ist die höchste Freude dasselbe wie Vollkommenheit. Und der höchste Friede ist auch dasselbe wie die höchste Freiheit; denn dieser Friede kann uns nicht gegeben werden, es sei denn, wir haben eine große und bestimmte Freiheit errungen. Zu diesem höchsten Frieden und der höchsten Freiheit, zur grenzenlosen Seligkeit und Freude kommen noch Wissen und Weisheit hinzu, das Bewußtsein in seiner höchsten Entfaltung. Wo aber finden wir all dies?

Alles dies sind Eigenschaften des unendlichen Bewußtseins in uns. Je tiefer wir mit unseren Kenntnissen und Mächten in dieses Bewußtsein in uns eindringen, desto mehr werden wir das unbegrenzte Wissen, den grenzenlosen Frieden und die Seligkeit erfahren. In den unbewußten Zuständen und den gewöhnlichen Freuden aber ist im Grunde genommen keine wirkliche Freude.

Möchtest du wirklich unwissend sein, schwach und unglücklich? Natürlich nicht! Was also ist dein Ziel? Es geht darum, alles in dir zu vermehren. Vermehre den Frieden, vermehre das innere Licht, vermehre die Weisheit. Die Menschen wissen nicht, wie sie dieses Ziel erreichen können. Sie gehen darum zur Schule, um solche Kenntnisse zu erwerben. Sie gehen in die Freudenhäuser und Vergnügungszentren, um das Glück zu suchen. Sie kämpfen für die Freiheit und Gerechtigkeit und erringen soziale Vorrechte. Sie fürchten sich und erschrecken vor dem Gedanken an den Tod.

Auf diese Art aber wirst du nie die Unsterblichkeit, den Frieden, die Macht und die Freude gewinnen. Alle diese Mittel und Wege sind bis zu einem bestimmten Grade gut, aber sie werden dich nicht zu dem göttlichen Bewußtsein führen. Auch wenn du dich geschlechtlich betätigst, so ist es deswegen, weil du Glück und Frieden suchst. Aber unglücklicherweise hat dieses Glück nur kurzen Bestand. Sobald die sexuelle Beziehung vorüber ist, kommst du zurück zum Zustand der Friedlosigkeit und des Unglücklichseins. Sexuelle Freuden werden dir niemals den Frieden und das Glück geben, welches du eigentlich suchst.

Denn die Quelle deiner Freude, deines Glücks und deiner Kräfte liegt nicht in äußeren Betätigungen, sondern in deinem eigenen Innern. Wenn du das einmal richtig verstehst, hast du schon den ersten Schritt zur Sublimierung der sexuellen Kraft getan. Ich wiederhole: dieser erste Schritt besteht darin, daß in dir das Verständnis für das wirkliche und dauerhafte Glück und den wahren Frieden aufkeimt - ein Glück, welches nicht durch die Befriedigung des sexuellen Triebes erreicht werden kann.

Auf dieses Verständnis folgt der zweite Schritt. Denke an das Bewußtsein in dir, an das Licht in dir, an den Grund und die Basis all dessen, was du erstrebst. Was ist dieses Bewußtsein, das so erfüllt ist von Friede, Macht, Glück und Freude? Dieses Bewußtsein ist die Grundlage allen Lebens und auch der Materie. Es ist die Grundlage aller mentalen und gedanklichen Tätigkeit und somit auch der höheren geistigen Schulung. Dieses Bewußtsein wird nicht geboren, obschon der Körper geboren wird, und es stirbt nie, obschon der Körper zerfällt. Es ist geschlechtslos, obwohl der Körper geschlechtlich ist. Dieses Bewußtsein kann Millionen von Menschen erschaffen; denn es ist die zentrale und höchste Macht. Auf dieses Bewußtsein sind die Trillionen Universen begründet; in ihm sind alle die vielen Wohnungen und Regionen der verschiedenen Bewußtseinszustände. Dieses Bewußtsein in unserem Innersten ist unsere Seele, unser Zentrum, unser Leben. Sobald du wirklich in Kontakt kommst mit dieser Seele, deiner Seele, empfindest du eine intensive Freude, welche ewig dauert.

Wenn dich daher der Geschlechtstrieb überwältigen will, so sollst du an dieses innerste Bewußtsein denken, an deine Seele und an deine Göttlichkeit. Wenn du beanspruchst, Vernunft zu haben, so ist es eigentlich eine Schande für dich als Europäer, der so viel Kultur schafft und beansprucht, der sich so sehr über den primitiven Menschen erhebt - es ist eine Schande, wenn du vom sexuellen Trieb beherrscht wirst. Es ist eine Schande, wenn dir der Geschlechtstrieb deine Vernunft nimmt und dich auf niedrige Wege führt. Darum ist dieser zweite Schritt zur Beherrschung des Geschlechtstriebes die Zuflucht zur Vernunft.

Du mußt daran denken, daß der Geschlechtstrieb nicht unterdrückt werden darf. Die Psychoanalytiker sind darin absolut im Recht. Aber sie sind ebenso absolut auf der falschen Linie, wenn sie behaupten, daß der Geschlechtstrieb ausgelebt werden soll. Ich weise Sigmund Freud und andere Psychoanalytiker energisch zurück, wenn sie sagen, der Geschlechtstrieb könne nur beruhigt werden, wenn er sich betätige.

Die Auslebung dieses Triebes ist also keine Lösung. Ebensowenig ist die Unterjochung eine Lösung. Wenn also sowohl Betätigung wie Unterdrückung des Triebes absolut keine Lösung sind, was bleibt dann? Einzig die Ersetzung und Sublimierung. Du mußt versuchen, für deine Leidenschaft einen Ersatz zu finden. Damit du dem Drängen des Triebes etwas entgegenstellen kannst, mußt du andere Kanäle suchen, moralische, künstlerische und schöpferische. Du mußt die Lust des Körpers ersetzen durch die Lust und Sehnsucht nach Schönheit, Friede, Glück und Ewigkeit. Du sollst die grobe Kraft des Triebes umwandeln in die Kraft der Vernunft und der Intelligenz.

Denke daran, daß die Sexualität eine ungeheure Kraft ist. Die Kraft des Samens ist die größte Kraft des Körpersystems. Denn diese Samenkraft ist der Schöpfer eines neuen Lebens. Die Samenkraft ist unendlich wichtig für deine Entwicklung in jeder Beziehung, sogar für deinen geistigen Fortschritt. Vielleicht wissen die Psychologen gar nicht, daß diese Samenkraft den ganzen Körper durchflutet und daß es Orte gibt, wo sie aufbewahrt wird.26) Die Samenkraft in dir muß verwandelt werden, damit sie für die höchsten Zwecke verwendet werden kann. Gib den sexuellen Freuden nicht zu viel nach, und du wirst erfahren, daß deine Gesundheit besser wird, daß deine Widerstandskraft gegenüber der Krankheit wächst, daß deine Nerven stärker, dein Gedächtnis besser und deine Wahrnehmungsfähigkeit für höhere Einflüsse größer werden.

Es gibt Menschen, welche sagen, die Betätigung der sexuellen Kraft habe ihnen Erleichterung gebracht. Wenn du das sagst, sprichst du deine Niederlage aus; denn es handelt sich stets um die Vergeudung einer kostbaren Kraft. Die sogenannte Erleichterung ist eine oberflächliche Angelegenheit, weil sie von vielen unsichtbaren Nachteilen begleitet ist.

Du mußt daran denken, daß du den sexuellen Trieb nicht einfach isolieren und verschwinden lassen kannst. Dein ganzes Wesen und deine ganze Natur müssen zur gleichen Zeit sublimiert und veredelt werden, sonst bleibt die Sublimierung des sexuellen Triebes bloß ein schöner Traum. Kontrolliere deine Nahrung. Wenn du zu viel und zu üppige Nahrung zu dir nimmst, wird der sexuelle Trieb verstärkt und die Samenproduktion nimmt zu. Die Sinne werden erregt, und der ganze sexuelle Bereich gerät in einen Spannungszustand. In diesem Falle bewirkt freilich die sexuelle Betätigung eine gewisse Erleichterung, aber wie betont nur in einer oberflächlichen Art und Weise. Vermeide also den Überfluß und die Üppigkeit in der Nahrung, welche die Sublimierung erschwert.

Ebenso sollst du derjenigen Art von Musik ausweichen, welche den Einfluß hat, die tierischen Triebe zu erwecken. Suche Musik, welche dich beruhigt und deine Nerven ins Gleichgewicht bringt. Sei darauf bedacht, daß du nicht immer wieder Zeuge wirst von Bildern, Szenen und Schaustellungen, welche den sexuellen Trieb in dir wachrufen.

Denke daran, daß Ärger, Zorn, Antipathie und Haß nur andere Gesichter desselben sexuellen Triebes sind. Darum mußt du Neid, Antipathie und Ärger bei dir streng kontrollieren. Sublimiere alles durch positive Liebe. Versuche durch Entwicklung deiner Vernunft und Weisheit, im anderen Menschen immer mehr Tugenden und Vorzüge zu finden. Je mehr dein moralisch- ethisches Wesen gestärkt und vertieft wird, desto mehr wird der Geschlechtstrieb sublimiert.

Wenn du künstlerisch begabt bist und zum Beispiel gerne malst, wirst du imstande sein, deinen Geschlechtstrieb zu meistern und die schönsten Bilder zu malen. Du kannst sicher sein, daß diese Tätigkeit deine Kräfte in einer höheren Richtung voll beanspruchen wird und daß du über die Tierstufe hinauswachsen wirst.27) Wenn die Musik vielleicht für dich, wie für viele Intellektuelle, weniger erreichbar ist, so studiere Literatur und wende dich irgend einem Wissensgebiet zu. Auch diese Tätigkeit wird deine sexuelle Kraft sublimieren. Und wenn du wirklich keine dieser Gaben besäßest und ein Durchschnittsmensch wärest mit keinen speziellen Begabungen, so bliebe dir immer noch das weite Feld der schönen, sozialen Arbeit. Wenn du voll Dienstbereitschaft bist, so wird auch diese den sexuellen Trieb sublimieren.

Wenn die Frömmigkeit und Hingabe an Gott dein Weg ist, so kannst du durch Gebet und Meditation alle Kräfte deines Wesens veredeln. Die Lust und Leidenschaft wird umgewandelt in die restlose Hingabe und Liebe zu Gott.

Du siehst, es gibt viele Wege zur Umwandlung der Leidenschaft. Auch Yogastellungen (Asanas) werden dir helfen, den sexuellen Trieb zu sublimieren; z.B. sind der Kopfstand und einige andere Körperstellungen sehr wertvoll.

Denke immer daran, daß es niemals um die Isolierung und Verdrängung des Geschlechtstriebes geht, sondern um seine Sublimierung. Kontrolliere alle Sinne durch die Vernunft und leite sie höheren Zwecken zu. Alles, was menschlich ist, muß verwandelt werden ins Übermenschliche. Und alles, was übermenschlich ist, muß enden im Göttlichen. Dieses Göttliche aber wird sich ausdrücken in Friede, Seligkeit, Kraft und Ewigkeit.

Das Leben ist ein sehr intensiver Anruf an dich. Vielleicht bist du nur für kurze Dauer auf dieser Erde. Gehorche darum dem Weckruf des Lebens und stelle deinem Leben große Aufgaben und große Ziele. Wende dich einer Arbeit zu, welche ein schöpferisches Ziel in sich schließt, etwas, was deine Kräfte stärkt, etwas, was die Kräfte in dir zur Entfaltung bringt. Dann wird alles, was sonst in dir tierisch und instinktiv war, göttlich. Dann werden die Instinkte zum Intellekt und dieser zur Intuition. Du führst kein göttliches Leben, wenn die höheren Kräfte in dir nicht zur Geltung kommen. Mögen daher die Schwierigkeiten noch so groß sein, führe ein hohes und edles Leben.

Frage: Ist eine Sublimierung des sexuellen Triebes auch bei jungen Eheleuten wünschenswert?

Antwort:
Die Geschlechtskraft an sich ist keineswegs ein Übel. Sie ist nur dann schlecht und böse, wenn wir sie zu bloßem Vergnügen gebrauchen. Ich bitte jedes junge Paar, die Heiligkeit der sexuellen Kräfte in ihnen zu verstehen. Das junge Paar ist verheiratet, und die beiden Partner sind der Pflicht gegenüber den höchsten Kräften in sich schuldig; zugleich ist es auch eine Pflicht gegenüber der Menschheit. Die Natur hat den beiden eine Kraft gegeben, welche sie befähigt, dieser Pflicht zu entsprechen durch die sexuelle Funktion. Aber diese Kraft darf auch wirklich nur benützt werden zur Schöpfung neuer Wesen.

Ihr könnt zwei oder drei Kinder auf die Welt bringen, und ihr müßt herausfinden, wann es richtig ist, daß diese sexuelle Kraft für die Schaffung von Kindern eingesetzt werden soll. Wenn aber diese Kraft für bloßes Vergnügen mißbraucht wird, dann ist es ein Unrecht und wird der Seele und den Nerven Schaden bringen.

Es ist eine große Aufgabe, die den jungen Menschen gestellt ist, daß sie der Menschheit wieder Geschöpfe zur Verfügung stellen dürfen. Ein junges Paar kann ein Kind zur Welt bringen, das vielleicht einmal ein Heiliger, Erleuchteter oder Führer der Menschheit wird.

Aber wenn dieser Zweck erfüllt ist, wenn zwei oder drei Kinder auf die Welt gekommen sind, dann sollt ihr nicht mehr den sexuellen Vergnügen nachgehen. Wenn ihr dies trotzdem tut, seid ihr auf der falschen Linie, dann mißbraucht ihr die Kräfte, welche für den moralischen und geistigen Fortschritt gebraucht werden können. Macht euch deshalb, wenn ihr Kinder auf die Welt gebracht habt, auf den Weg der Sublimierung! Natürlich wird niemand einen Mann daran hindern, als Tier zu handeln; aber es ist nicht gut, wenn er die kostbare Kraft für eine tierische Funktion benützt. Darum soll die Sublimierung auch bei jungen Menschen eintreten, wenn sie eins, zwei oder drei Kinder auf die Welt gesetzt haben.

Braucht nachher die sexuelle Kraft für den inneren Fortschritt, für die moralische Entwicklung und den sozialen Dienst an der Menschheit. Seht einander gegenseitig nicht als Tiermenschen, sondern als Gott. Seht das höchstgeliebte Kind Gottes in jedem Angesicht, wie das Tausende vor euch auch erreicht haben.

Denkt daran, daß Gott nicht eine Persönlichkeit ist, die irgendwo steht, sondern daß Gott das eigentliche Licht eures Lebens, die Kraft eures Atmens und die Basis eures Wissens und Bewußtwerdens ist. Gott ist die Seele der Seele. Deshalb muß Gott berührt werden: denn durch Ihn werden wir unendlichen Frieden, Freude und Unsterblichkeit gewinnen.

Jedes von euch ist imstande, die unendliche göttliche Vollkommenheit zu erreichen. Der Gatte soll unter allen Umständen fähig sein, in der Frau den Engel zu sehen. Wenn wir göttliche Gefühle haben, werden wir auch das Göttliche in der Frau sehen. Der Gatte soll also in der Frau nicht nur die Frau sehen, welche das Leben behaglich und angenehm macht, sondern das Göttliche, den göttlichen Engel. Auch die Gattin soll in eine andere Einstellung kommen gegenüber ihrem Mann; auch sie soll in ihm das Göttliche sehen. Seht ineinander nicht bloß das Gefühls- und Gedankenleben und den Körper, sondern das Christusbewußtsein in euch!

Wenn ihr in dieser Einstellung bleibt, werden die Blutzellen und Nerven erneuert und gereinigt, und Schritt für Schritt werdet ihr vollständig sublimiert und vergöttlicht.

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7. Kapitel
Über den Okkultismus

Du bist außergewöhnlich gesegnet. Du bist nicht aus Staub oder Erde gemacht, sondern aus der allbildenden schöpferischen Gottheit. Alles in dir ist außergewöhnlich wunderbar. Als Gott dich schuf, hat er keine der Mächte, die in Ihm selber liegen, dir vorenthalten. Es sind unwissende oder betrügerische Menschen, die dich anders ansehen, denn als Verkörperung der Gottheit. In dir ist das Leben der allschöpferischen Intelligenz. Das Bewußtsein in dir ist jenseits des Todes; es überlebt den physischen Körper. Die Seele in dir ist weiter und größer als die ganze Ausdehnung des Universums. Das Licht in dir schläft nie; es ist schöpferisch und allmächtig. Gott hat es so geschaffen, daß das innere Bewußtsein in dir allwissend ist. Er hat es möglich gemacht, daß du die Vollkommenheit erreichen kannst, die Seiner Vollkommenheit gleich ist.

Ein Vorrat an unendlichen Kräften und Energien ist in deinem innersten Wesen vorhanden. Es gibt gar nichts, das du nicht meistern könntest, um ein Meister dieser Kräfte zu werden. Und das ist das größte Geheimnis, das dich betrifft. Die Kenntnis, die du mit deinen Sinnen erreichen kannst, ist äußerst beschränkt, und deshalb bist du durch diesen Zustand von der großen Wahrheit abgekommen. Es ist nicht richtig, wenn wir in den Grenzen bleiben, die uns unsere persönliche Individualität vorgezeichnet hat. Wir müssen die Grenzen unserer Erfahrung und unseres Wissens erweitern. Durch unendliche Sehnsucht und sehr tiefes Forschen müssen wir die Grenzen unseres gewöhnlichen Lebenspfades überschreiten. Es sollte nichts auf Erden noch in den Himmeln geben, dessen wir unwissend sind. Vollständige Kenntnis unserer selbst, der Welt und des Unendlichen, sollte unser Streben sein. Es sollte kein Gebiet der Erfahrung, des Denkens oder Wissens geben, das für uns dunkel bleibt. Alle Gebiete und Bewußtseinsebenen sollten wir kennen und benützen lernen. Wenn unser ganzes Wesen darauf aus ist, dieses Innerste zu erforschen, wenn wir die ganze Welt als Forschungsgebiet wählen, und wenn wir bis zum Zentrum unseres eigenen Lebens vorstoßen, dann erwerben wir neue Kenntnisse und ein fast übernormales Wissen. Wir erleben Umstände und Schwierigkeiten, welche uns zwingen, zu diesem Wissen über das innerste Wesen vorzustoßen. Es ist ungenügend, wenn wir uns damit zufriedengeben, nur bestimmte Gebiete des gewöhnlichen Lebens zu erforschen. Es ist nicht richtig, wenn wir nicht weiter vordringen in andere, viel tiefere Wissensgebiete als es die normalen, alltäglichen sind. Es ist ganz unrichtig, wenn wir nur unseren Verstand, unser Gemüt und unseren Intellekt zurate ziehen. Inspiration und Intuition müssen sich entwickeln, um unsere Kenntnisse zu ergänzen.

In unserer innersten Persönlichkeit sind verschiedene übernatürliche Fähigkeiten. Unter besonderen Verhältnissen des Erfahrens und Erlebens kommen diese Kräfte zur Wirkung. Wir müssen jede Fähigkeit, jede Möglichkeit in uns entwickeln, um Kenntnisse zu erwerben. Die Gedankenmacht ist nicht die einzige Macht, die in uns gegenwärtig ist. Es gibt psychische Mächte, übernatürliche Mächte, okkulte Mächte, die ebenfalls in uns sind. Diese höheren Mächte müssen zunehmend zur Wirkung kommen. Es gibt verschiedene Methoden, die das Resultat der ruhelosen Forschungen unserer Vorfahren auf dem Wege zur Erkenntnis der Wahrheit sind. Mystische Erfahrungen oder auch Erfahrungen durch Buchweisheit bringen uns in diesem Bewußtsein weiter. Es ist ein großer Fehler, wenn wir die Realität nicht anerkennen wollen, die über unserem Denken und Fühlen liegt. Unser Verstand, unsere Vernunft müssen bis an die Grenzen des Möglichen entwickelt werden. Und wenn dann diese Vernunftsgrenzen da sind, müssen wir die überrationalen Kräfte in Aktion bringen und uns von ihnen weiterführen lassen.

Es gibt genug Beweise, daß sogar das, was wir in der rationalen Welt erleben, eigentlich Äußerungen der göttlichen Kraft sind. Intuition, Inspiration und gewisse Erfahrungen geben uns den Beweis, daß eine Kraft existiert, die sich in vierdimensionalem Raum offenbart und uns viel weiter und höher führt, als alle Erfahrungen in der dritten Dimension von Raum und Zeit. Wenn wir diese dritte Dimension überschreiten, werden wir immer wieder die Erfahrung der unendlichen Gottheit machen, die sich als Liebe, Gnade, Wahrheit offenbart. Wenn wir viel Liebe zum Göttlichen empfinden und wenn wir diesen inneren Tendenzen nachgehen, werden wir immer weiter geführt zu der tatsächlichen Erfahrung von dem, was wir Gottheit nennen. Dann werden wir erfahren, daß wir ein zeitloses Bewußtsein haben, während uns der Körper in die Bedingungen von Zeit und Raum hineinsperrt. Dann werden wir erfahren, daß wir eins sind mit der allsehenden, der allmächtigen und der allwissenden Gottheit, die der Vater im Himmel ist. Und wenn dieses Bewußtsein in unser Blut übergeht und uns vollständig erfüllt, dann werden wir absolut furchtlos werden. Unser Friede kennt dann keine Grenzen, unsere Freude ist unsterblich, unsere Kraft und Macht wird unbegrenzt sein, und es ist dann natürlich, daß wir im täglichen Leben Realitäten erfahren, welche dem gewöhnlichen durchschnittlichen Sehen und Erfahren fremd sind. Es ist die gewöhnliche Unwissenheit der Menschen, zu denken, daß die unsichtbaren Wesen und Mächte nicht da sind. Das göttliche Bewußtsein, das schöpferisch und allmächtig ist, hat nicht nur diese Welt und diese Menschen geschaffen, sondern auch andere Menschen und Wesen. Es sind Welten innerhalb der Welten und Welten jenseits der Welten. Sogar direkt um uns herum ist ein ganzes Meer von Energie und Mächten. Es gibt alle möglichen Wellen: Gedankenwellen, Gefühlswellen, mentale Wellen, Wellen unsichtbarer Kräfte. Die ganze Natur hat ihre eigene unbewußte Intelligenz. Es ist wahr, daß unsichtbare Wesen und Persönlichkeiten da sind, mit denen wir in Kontakt treten können. Es gibt höhere Welten, zu denen wir Eintritt haben. Es sind alle Mächte für uns da, und es sind viele Wohnungen im Haus des Vaters im Himmel. Das Reich Gottes ist nicht nur in euren Herzen, sondern überall, und dieses Königreich Gottes ist ein wunderbarer Ausdruck der Göttlichkeit, in welcher auch wir inbegriffen sind. Es ist möglich für uns, die okkulten Kräfte zu entwickeln, genau so wie es möglich ist, die mentalen Kräfte zu fördern. Es ist möglich, mit den übernatürlichen Wesen eine Verbindung einzugehen und von ihnen Botschaften zu erhalten. Es ist möglich, jede höhere Macht in uns zu entwickeln. Viele haben das getan, und diejenigen, die es gemacht haben, haben auch eine Technik dazu entwickelt. Sie haben viel Wissensstoff hinterlassen, den man sehr genau durchforschen und prüfen kann. Die Religionen der Welten haben mehr oder weniger alle gewisse okkulte Geheimnisse. Der Okkultismus ist nichts Schlechtes, wenn er nicht in die schwarze Magie übergeht und schwarze Methoden anwendet. Der Okkultismus ist eine wunderbare Sache, insoweit als er uns hilft, die inneren Gesetze der Natur zu kennen. Der Okkultismus ist recht, wenn er uns zu den Kräften und Energien führt, welche hinter den sichtbaren Kräften ihre Wirksamkeit haben. Er hat Recht, wenn er uns hilft, die verborgenen Kräfte hinter den gewöhnlichen Naturerscheinungen zu erkennen.

Doch möchte ich etwas Einfaches hinzufügen: Obschon es wunderbar ist, wenn wir das Wissen der okkulten Technik zuhilfe nehmen, so wäre es doch noch viel besser, wenn wir in die Arme der allwissenden und allmächtigen Gottheit gehen würden. Gott ist viel größer als alles, was er geoffenbart hat. Es sind Millionen Welten, Millionen Energien und Kräfte, aber der Schöpfer von all dem ist größer und mächtiger als sie alle. Es mögen unendlich viel offenbare oder nicht offenbare Kräfte, Energien und Wesenheiten da sein, aber der Schöpfer ist größer als sie alle. Psychische Energien, mentale Energien, Lebensenergien sind wunderbar, aber der Schöpfer übersteigt sie alle. Dieser Schöpfer ist Allmacht, Allwissenheit und eine allgegenwärtige Gottheit.

Diese Allmacht ist die Macht aller Mächte. Er ist die höchste, absolute, unendliche Macht. Er ist der wunderwirkende, der allsehende, allliebende, allschönste Gott. Er ist der Vater im Himmel. Und dieser Vater im Himmel ist jetzt mit uns und unter uns. Wir sehen Ihn durch unsere Augen. Er versteht alles, was wir jetzt erkennen durch unsere Intelligenz.

Er ist der Atem in dir. Er ist das Leben deines Lebens. Er wird nie versagen und Er hat niemand, den Er mehr liebt als dich. Er ist immer bei dir, unter allen Umständen und zu allen Zeiten. Wenn du im Ozean versinkst, ist Er dort bei dir, und wenn du in die Luft fliegst, ist Er wieder da, und es gibt keinen Ort und keine Lebensumstände und keine Verhältnisse, in denen Er nicht ist. Er ist dein Lehrer, deine Stütze, dein Vater. Er ist dein Eigentum. Wo Er ist, ist das Reich Gottes.

Je mehr wir uns diesem allsehenden, allwissenden Bewußtsein und dieser Macht hingeben, umso mehr werden wir alle Verhältnisse meistern. Wir können in Beziehung zu Ihm treten durch Liebe, Dienen, Wahrheitsforschung, durch alles, was uns Ihm näher bringt. Dadurch, daß wir unser Herz weit auftun und unsere Intelligenz in Seinen Dienst stellen, können wir Ihn sehen, erfahren und zum Ausdruck bringen. Unter allen Umständen, in allen Schwierigkeiten und Problemen können wir in uns das Bewußtsein Seiner Gegenwart stärken und festhalten. Wenn wir mit Ihm eins sind, dann können wir in unserer Erfahrung, in unseren Gefühlen und unseren Gedanken immer Eins mit Ihm sein. Wenn wir Eins werden mit Ihm durch unendliche Liebe zu Ihm, dann werden wir die Macht auf Erden darstellen. Dann versichere ich dir, daß keine Macht dir irgendwie etwas Leides antun kann. Kein Okkultist, kein Schwarzmagier, keine dunkle Macht wird irgendwie imstande sein, dich anzugreifen. Alle Geister, alle Teufel, alle Dämonen, alle unsichtbaren Wesenheiten werden keine Rolle mehr in deinem Leben spielen können.

Es ist ein großes Vorrecht, daß du ein menschliches Leben hast; denn was für ein Tier nicht möglich ist, ist für dich möglich. Du hast einen Verstand, Liebe und Weisheit. Durch deine Bewährung und Anstrengung ist es dir möglich, zu noch höheren Kräften zu gelangen. Es ist möglich, deine höheren Talente, Gaben und Potenzen zu entfalten durch viele Wege: durch Dienen, Lieben, Studien und Entwicklung deiner künstlerischen Gaben. Es ist möglich, mit diesem Göttlichen in Kontakt zu treten. Wenn du Eins wirst mit dem Vater, kannst du Macht bekommen über die okkulten und mentalen Gedankenmächte und die physischen Kräfte. Je mehr du eins wirst mit dem Vater im Himmel, umsomehr gewinnst du die Meisterschaft über alle Kräfte des Lebens. Wenn du eins wirst mit Ihm, wirst du der höchste Meister auf Erden und im Himmel. Wenn du eins bist mit diesem göttlichen Bewußtsein und dem Vater im Himmel, wirst du ein König des ganzen Universums.

Es ist falsch, wenn wir annehmen, daß irgend eine materielle, okkulte oder mentale Kraft uns einen Schaden antun könnte. Denn Gott in uns ist viel stärker als jeder äußere Feind oder jede äußere Drohung. Jede Kraft, die gegen uns angetrieben wird, kann aber nur sterben, wenn wir in Berührung sind mit der allmächtigen Kraft.

Deshalb bitte ich dich, in Kontakt zu kommen mit dieser allsehenden, allliebenden, allschönen, allgegenwärtigen Macht, die in dir ist. Ich bitte dich, nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen oder traurig zu werden in deinem Leben; denn Harmonie, Friede, Kraft, Erfolg wird dir bald wieder gegeben werden, wenn du diesen Kontakt beibehältst. Du mußt dich nicht benehmen wie Kinder der Erde und des Fleisches; denn das ist nicht natürlich für dich, es gehört nicht zu dir. Du bist ein Prinz oder eine Prinzessin des höchsten Königs. Wenn du dich benimmst wie Wesen aus Fleisch und Blut und Materie, dann wirst du nur sinnliche Vergnügen erleben und viel leiden müssen. Du machst dann die Erfahrung von Krankheit, Enttäuschungen und Tod, und das sind nicht wirkliche Tatsachen für das göttliche Bewußtsein. Ich bitte dich, diesen Hypnotismus in Bezug auf die Erfahrungen des Lebens zu zerbrechen. Ich möchte deine Aufmerksamkeit auf die glorreiche Wahrheit der Bibel lenken, daß du nach dem Bilde Gottes geschaffen bist, daß Gott Sein Leben in dich eingehaucht hat, welches ewig und unsterblich ist, daß das Königreich Gottes in deinem Inneren ist, und daß das Bewußtsein in dir ewig eins ist mit dem Vater im Himmel.

Denke an diese unsterblichen glorreichen Worte der Bibel, erhöhe deine Lebensanschauung, schaue dich selber an im Spiegel der biblischen Worte. Dann wirst du höchst gesegnet sein. Dann werden die höheren Mächte deiner Seele jeden Tag in Erscheinung treten. Du wirst darin immer mehr spüren, daß du Meister deines Körpers und des Gemütes bist. Deshalb bitte ich dich, im Leben dazustehen als Kind Gottes, das imstande ist, eine außergewöhnliche Intelligenz darzustellen, ein Wunder zustande zu bringen, und das keinen Tod, kein Leid und keine Krankheit kennt. Ein Kind Gottes, dessen ganzes Denken, Fühlen und Leben eingetaucht ist in das unendliche göttliche Licht. Die Welt ist für dich geschaffen; du aber bist nicht für die Welt gemacht. Deshalb kann die Welt dich nicht meistern, beunruhigen und stören. Du bist ein Prinz oder eine Prinzessin des göttlichen Königs. Brauche dieses Recht; verwirkliche diese Wahrheit! Die menschliche Natur ist nicht dein Merkmal. Es ist nur ein äußeres Netz oder eine äußere Schicht, die um dich gelegt worden ist. Du kannst diese Begrenzungen überschreiten, indem du dein göttliches Wesen zum Ausdruck bringst. Durch Liebe und Verständnis kannst du alles meistern.

Gott hat dich nicht in Sünde zur Erde gebracht, sondern er hat endloses Licht und schöpferische Möglichkeiten in dich hineingelegt, und dieses Licht ist immer noch in dir. Dieser unendliche Friede und dieses Bewußtsein wird dich nicht verlassen. Sie sind die Strahlen und Fähigkeiten, die zum göttlichen Bewußtsein gehören. Bringe nun diese Eigenschaften, dieses unendliche Entzücken zum Ausdruck. Sei ein wirkliches Kind Gottes! Fürchte nichts. Es ist gar kein Grund für irgend ein Unglücklichsein oder eine Verzweiflung. Eigne dir das göttliche Bewußtsein an als dein Recht. Unglücklichsein, Verzweiflung, Täuschung, Erfolglosigkeit und Leid können keine Macht über dich haben, es sei denn, daß du sie extra beachtest und sie mit deinen Kräften nährst. Warum willst du dich denn nicht verbinden mit diesem allgegenwärtigen, allmächtigen und allwissenden Gott? Dann kannst du aus deinem Leben einen Gesang machtvollen Lebens erblühen lassen, ein Epos außergewöhnlicher Kräfte, Taten, Erkenntnisse und Erfolge.

Frage: Wie können wir die okkulten Kräfte entwickeln?

Antwort: Es gibt viele Wege, auf denen die okkulten Mächte entwickelt werden können. Verschiedene sind in der Yogalehre niedergelegt. Andere Methoden sind geheimen Gruppen bekannt. Es gibt viele geheime Praktiken, die zu diesem Ziele führen. Aber die wunderbarste Art, um die okkulten Mächte zu erkennen, ist die direkte Erfahrung Gottes. Wenn wir eins werden mit Gott im eigenen Herzen durch Gebet und Meditation, dann werden wir zum höchsten Meister aller Kräfte. Und dann wird kein Okkultist, auch wenn er über die höchsten Kräfte verfügen könnte, ein Konkurrent sein. Wenn unser Herz ganz voll Liebe ist für diese allwissende Gottheit, wenn alles in uns fortwährend diese höchste Macht erlebt, dann werden viele wunderbare Dinge in unserem Leben geschehen. Gott selber wird sich für uns einsetzen; er wird durch uns arbeiten. Und wenn er durch uns hindurchsieht, dann handelt es sich um Allwissenheit, und jede Macht, welche er durch uns zum Ausdruck bringt, ist Allmacht.

In der Stille, unbewußt den andern, werden viele Wunder des Lebens geschehen. Gott ist das zentrale innerste Bewußtsein in uns. Er ist die Substanz und die Basis des Gemütes, des Lebens, des Bewußtseins. Wenn wir in Harmonie mit ihm sind, dann werden nicht nur die okkulten Kräfte, sondern alle Mächte sich kundgeben und wirken.

Frage: Was ist von der weißen Magie zu halten ?

Antwort: Die größte weiße Magie der Welt ist unbegrenzte Liebe. Denn diese Liebe ist in sich selbst eine ungeheure Macht. Diese göttliche Liebe steht über allen anderen Mächten. Es ist wahr, daß es gewisse Lebensordnungen und Ebenen gibt, wo die weiße Magie zur Geltung kommt, doch alle diese Ebenen und Ordnungen, die durch die Praxis der weißen Magie erreichbar sind, haben eigentlich sehr wenig Bedeutung und sehr wenig Wert, wenn wir sie vergleichen mit der einen göttlichen Wirklichkeit.

Durch die Magie können viele Tricks und Zeichen erreicht werden, aber diese Tricks können nicht angewandt werden bei Menschen, die innerlich ganz rein sind. Die Kräfte, die durch magische Experimente erlangt werden, sind begrenzt; denn sie sind an Bedingungen geknüpft.

Frage: Was halten Sie von den geheimen okkulten Gesellschaften, wie beispielsweise den Rosenkreuzern?

Antwort: In den Augen Gottes, in der Liebe des Herrn gibt es keine geheimen Organisationen. Wenn die Bibel kein Geheimnis ist, wer soll dann Geheimnisse haben? Die geheimen Organisationen sind vor allem dazu da, ihre Geheimnisse zu bewahren und allenfalls Geldmittel zu bekommen.

Die größte okkulte, geheime Organisation ist in deinem Herzen und in der Liebe zu Christus. In Ihm und in der Liebe zu Ihm kannst du selber endlose Wunder wirken. Ich bitte dich darum, ein Kind Gottes zu sein. Dann werden dir alle Schätze der Erde zufallen. Ich bitte dich, ein Kind Gottes zu sein, dann wirst du die ganze Welt gewinnen. Sei einfach und demütig und entwickle eine tiefe Liebe zum Göttlichen, dann bist du viel wunderbarer, wirksamer und größer als irgend ein Präsident einer okkulten Gesellschaft.

Der Pfad der Liebe, der Harmonie und der Gnade Gottes ist kein Geheimnis; es ist nichts Okkultes darin, und es gibt keinen äußeren Vorhang; denn in Ihm sind wir alle wunderbar und gesegnet, durch Ihn und mit Ihm kann jedes Kind Wunder wirken und außerhalb Ihm kann keine Kraft irgend etwas vollbringen. Ohne Ihn werden wir unserer eigenen Kraft überlassen sein, welche nutzlos ist. Ohne Ihn werden wir unserer eigenen Intelligenz überlassen sein und dann die entsprechenden Folgen tragen.

Frage: Können wir mit unseren guten Gedanken unsere Mitmenschen erreichen, so daß sie positiv reagieren?28)

Antwort: Ja. Die Gedanken sind ungeheure Kräfte, und die Gefühle sind ebenfalls starke Mächte. Sogar die Blumen in deinem Zimmer empfinden deine Gegenwart. Der ganze Raum ist erfüllt von deinen Gedanken und Gefühlen. Deine Gedanken sind also reale Mächte, sie sind Wirklichkeiten. Diese Gedanken können ohne die Hilfe der elektrischen Kraft um die ganze Welt kreisen; ja, sie gehen sogar schneller als die Elektrizität. Deshalb hat jeder Gedanke, den wir auf eine Person richten, einen ganz bestimmten Einfluß. Daran sollst du denken. Aber nun gibt es eine Kraft, die höher ist als die Gedankenkraft, nämlich das Bewußtsein und die Gegenwart Gottes. Viel mehr Wunder werden gewirkt durch die Gegenwart Gottes und die Liebe zu Gott, als durch die dynamische Kraft unserer Gedanken.

Wenn du also hilfreich auf einen Menschen einwirken möchtest, dann sollst du auf Grund deiner Liebe zu Gott fortwährend die Hilfe Gottes beanspruchen. Du kannst sehr viel Gutes tun für einen Menschen, wenn du die göttliche Kraft für ihn erbittest. Du kannst nicht nur jemandem helfen, du kannst sogar seine ganze Umwandlung dadurch begünstigen, daß du ihn in Kontakt mit der göttlichen Liebe bringst.

Darum merke dir: Starke Gedanken sind zwar große Kräfte; aber es gibt noch eine weit höhere göttliche Macht, gegenüber welcher alle anderen Kräfte weit weniger stark sind. Statt daß du nun durch gute Gedanken wirken möchtest, sollst du die unendliche göttliche Kraft bitten, dir in deinen Bemühungen in Bezug auf einen anderen Menschen beizustehen. Das ist möglich, wenn du Gott selber innig lieb hast.

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8. Kapitel
Von Hindernissen und Schwierigkeiten

Es ist schwer, im täglichen Leben immer Kraft, Ruhe und Frieden zu bewahren. Ich tadle dich nicht, wenn du hundert und tausendmal im täglichen Leben deine Ruhe verlierst. Mein ganzes Bitten geht dahin, daß du durchhältst im Überwinden deines Ärgers, deiner Ruhelosigkeit und deiner Disziplinlosigkeit. Dann ist es doch möglich, daß du beim hunderteinten Male Herr wirst über deinen Ärger und deine Aufregung. Und wenn du beim hunderteinten Male keinen Erfolg hast, dann sollst du weiterfahren, so daß es dir beim zweihundertsten Male gelingt, deinen Ärger zu überwinden. Fortwährende und unermüdliche Anstrengungen werden zur vollständigen Überwindungskraft führen.

Wenn du aber nur mit halbem Herzen und halbem Willen deine Schwächen überwinden möchtest, wirst du keinen Erfolg haben. Wenn du noch etwas Freude empfindest an deinen negativen Bewegungen, wirst du nie zur Meisterschaft über diese Kräfte gelangen. Im Gegenteil, die Schwächen setzen sich fort, weil etwas von deinem eigenen Willen darin ist. Erst wenn es dir absolut ernst ist mit der Überwindung, wird sie dir gelingen.

Betrachten wir nun das Problem von einer andern Seite. Wenn du versuchst, mit der Energie deiner Gefühle die Schwäche zu überwinden, dann wird es dir nicht gelingen. Du mußt die Erregung des Ärgers durch etwas Positives zu überwinden suchen. Das heißt, du sollst nicht nur die Erregung des Ärgers überwinden wollen, sondern du mußt die Liebe entwickeln. In dem Maß als die Liebe stark wird, wird die Kraft des Ärgers nachlassen. Aber auch das genügt noch nicht.

Wir betrachten das Problem noch von einer dritten Seite. Durch eigene Kraft, durch eigene Weisheit und durch eigene Macht, wird es dir nicht möglich sein, den Ärger zu beseitigen. Denn damit der Sieg wirklich gesichert ist, muß eine Macht, die höher ist als deine eigene Willensmacht, in Funktion treten. Wenn du mit deinem eigenen menschlichen Wesen versuchst, deine Schwächen zu überwinden, wirst du wenig Erfolg haben. Du mußt also deinen menschlichen Willen ergänzen durch die göttliche Gnade, durch die Berührung mit Gott und Seiner Macht. Du mußt Gott erlauben, in dein Bewußtsein zu treten und die Schwächen zu beseitigen. Erst wenn du das tust, wird es dir möglich sein, in deinem täglichen Leben Frieden, Ruhe und Überlegenheit zu bewahren.

Die Überwindung ist also nicht möglich durch deine eigene menschliche Anstrengung, aber immer mit Hilfe der göttlichen Kraft und Gnade. Du kannst diese Gnade nur erlangen, wenn du dich in Verbindung setzest mit der Gottgegenwart, Allmacht und Allwissenheit, die rings um dich ist. Dazu kommt die Entwicklung des positiven Wesens, die Pflege der Liebe und Sanftmut und die ehrliche Bemühung, die negativen Kräfte zu überwinden, welche die Ursache deiner Ruhelosigkeit und deines Unsegens darstellen. Sorge dafür, daß das hohe göttliche Wesen dich berührt, dich belehrt und dir hilft. Setze dich konstant in Beziehung zu der göttlichen Allmacht und Allgegenwart. Dein ganzes Betragen muß erfüllt sein von hohen Gedanken und immer höherer innerer Schau.

Denke daran, du bist ein Kind Gottes. Je mehr sich deine inneren Kräfte entwickeln, umso schneller wachsen sie. Je mehr du Liebe spürst und sich deine Freude mehrt, umso größer werden deine Liebe und deine Freude. Es gibt kein Ende für dieses Wachstum, denn es ist ein Wachstum ins Unendliche hinein. Es ist ein Wachstum, welches die unendliche Vollkommenheit des Vaters im Himmel zum Ausdruck bringen kann. Was anderes aber wäre der Zweck des Lebens, wenn nicht dies?

Deshalb mußt du fortwährend dein Leben meistern, damit du in allen Lebensumständen die Ruhe, den Frieden und die Ausgeglichenheit bewahren kannst. Wo das für dich als Mensch schwer sein wird, da wird es durch das Gottbewußtsein in dir möglich sein. Darum mußt du bei jedem Schritt, den du im Leben tust, immer die Berührung mit dem Gottbewußtsein erstreben. Je nach deinem Temperament, nach deinem Lebensstil und nach deinen speziellen Schwierigkeiten mußt du deine eigene Methode entwickeln, um fähig zu sein, das Gottbewußtsein wahrzunehmen und zu erfahren. Du mußt in deiner eigenen Art versuchen, die höhere Natur in dir zu pflegen, damit die Gottverwirklichung möglich wird.

Frage: Manche Tage fühlt man sich so erdgebunden und manche Tage hat man es leicht.

Antwort: Das ist die gewöhnliche Erfahrung des Menschen. Diese Unterschiede zwischen Erdgebundenheit und Freiheit bestehen sogar bei Menschen, die sich ganz Gott ausgeliefert haben. Denn es ist die gewöhnliche Erfahrung deines Gedanken- und Gefühlslebens, daß du bald deprimiert und bald ermutigt bist. Das Gemüt ist immer wechselnd. Es nimmt zu und ab. Auch keine Mutter kann sagen, daß sie immer die gleiche Liebe für ihre Kinder empfindet. Kein Künstler, kein Philosoph und kein Dichter kann den Anspruch erheben, daß er immer im Zustand der Inspiration ist. Sogar die Heiligen haben diese Zeiten der Gnade oder des Fehlens der Gnade. 29)

Kein Mensch, kein Herz und keine Seele ist frei von diesen wechselnden Verhältnissen. Du wirst diesen Zustand der Erhebung und Niedergeschlagenheit immer wieder erleben, bis dein Wille und deine Persönlichkeit eins geworden sind mit dem Willen und der Persönlichkeit Christi. Wenn deine Gedanken und Gefühlswelt vollständig absorbiert worden ist durch das Christuslicht, dann wird keine Depression mehr von dir Besitz nehmen. Die Liebe zu Christus und die Sehnsucht, Ihn zu lieben, wird dich immer näher zur Erfahrung des Christusbewußtseins bringen. Bis dieser ganz hohe Zustand erreicht ist, werden immer wieder Tage der Ruhelosigkeit einsetzen. Neben Tagen, wo du etwas Frieden erfährst, treten Tage des Unfriedens. Diese Erfahrung ist besonders offensichtlich im Leben der Mystiker und Heiligen. In ihrem Leben erscheint der Herr, und dann verschwindet er wieder. Sie haben ihre Tage des Lichtes und der Freude im Göttlichen, aber sie haben auch ihre Tage der Dunkelheit und der dunklen Nacht der Seele. Aber wenn diese Heiligen und Mystiker vorwärts gehen, immer tiefer eindringen in das Geheimnis des Göttlichen, dann wird die dunkle Nacht der Seele verschwinden. Der Tag kommt für alle Mystiker und Heiligen, wo es keine dunkle Nacht der Seele mehr gibt. Dann wird es so sein, daß sie in allen Lebenslagen vollständig verankert sind in der göttlichen Liebe, im göttlichen Schutz und in der göttlichen Vollkommenheit. Du wirst sagen, der Tag der Erfüllung ist so weit weg. Was kann ich tun, um das Ziel schneller zu erreichen? Die Antwort ist folgende:

Wenn du erhoben bist und erfüllt von der Gnade und dem Frieden Gottes, so benütze diesen Zustand und diese Erfahrung, versuche, mit der Hilfe und Gnade der Kraft Gottes, die immer da ist, für längere Zeit dich in diesem Zustande zu halten. Aber das ist noch nicht genügend. Wenn du in einem Zustand der Niedergeschlagenheit bist und dich Ruhelosigkeit befällt und wenn du das Gefühl hast, daß die Mächte des Dunkeln zu stark sind gegenüber den Mächten des Lichtes, dann versuche, positiv zu sein und den negativen Zustand nicht zu beachten. Denke an den vorherigen Zustand der Erhebung und des Friedens und dann denke daran, daß diese Depressionen ja wieder vorüber gehen. Wenn du so deprimiert bist, so geh und mache einen kleinen Spaziergang. Versuche es auf deine eigene Art, dein Herz weit auf zu tun für alle Wesen und für Gott und für die ganze Menschheit. Während du wanderst, segne die Menschheit und bete zu Gott. Wenn du eine schöne Blume siehst auf dem Wege, dann biete sie mit deinen Gedanken Gott an und versuche immer, hohe edle Gefühle und Gedanken zu haben. Und wenn alle diese Mittel nicht genügend sind, dann lies irgend eine inspirierende, heilige Stelle in einem Buch, oder vertiefe dich, oder gehe an eine Arbeit, welche den Kranken oder Armen dient.

Frage: Ist es nicht so, daß sich immer mehr Widerstände einstellen, je näher man dem Göttlichen kommt?

Antwort: Wenn noch mehr Fortschritte da sind, hört der Widerstand auf. Wenn wenig Wolken da sind, scheint die Sonne noch ziemlich hell. Wenn viele Wolken da sind, ist das Licht gestört, und während gewisser Zeiten ist das so. Sobald du aber die Wolkengrenze überschreitest, ist die Sonne wunderbar. Wenn du noch mehr Fortschritte machst, dann werden alle Feinde zu Freunden.

Es gibt eine absolute, grenzenlose und unendliche Macht, ein Licht und eine Schönheit, die ihr Herz überall hat, in jedem Punkte der Schöpfung. Sogar der Raum ist ganz voll dieses göttlichen Bewußtseins. Diese grenzenlosen und allmächtigen Kräfte sind für jeden Menschen zugänglich. Aber es ist in dieser Hinsicht genau so, wie mit den Radiowellen, welche ausgelöst werden in Berlin, München oder London, aber nicht empfangen werden von denen, die keinen Radioapparat haben. Genau so wären die Kräfte Gottes für jeden Menschen zugänglich, aber sie sind nutzlos für diejenigen, welche für das Licht Christi verschlossen sind. Weltmenschen, deren Herz und Gemüt noch nicht wach sind, schlafen und sind zugedeckt von ihren irdischen Wünschen und Plänen.

Je rascher du dich in der göttlichen Richtung entwickelst, umso schneller geht der Fortschritt. Dann kommen unerwartete Dinge zur Geltung. Du wirst Gott sehen, wie du eine Pflanze siehst. Du wirst dir tief bewußt werden von der Art, wie Gott in deinem und in anderer Menschen Leben wirkt. Langsam wird das, was man Intuition und Inspiration nennt, ein normaler Zustand deines Wesens werden. Du wirst ohne Furcht sein. Dein Glaube findet keine Grenzen; deine Vision ist göttlich. Innere Geheimnisse werden dir offenbar. In deiner Gegenwart kann sich keine böse Macht betätigen, keine schlechten oder unrichtigen Gefühle können in deinem Herzen aufstehen. Was die Welt Teufel oder böse Geister nennt, wird nie in deine Nähe kommen. Aber in deiner Nähe werden die Menschen Friede, Kraft und Freude finden. Du sollst aber deine Beziehung zu Gott geheim halten, und zu Unberufenen nicht über das Innerste reden.

Wenn deine Sehnsucht nach der Gottverwirklichung groß ist und wenn das Feuer der Reinheit wächst, wenn du immer denkst und fühlst im göttlichen Sinn, und wenn du das Bewußtsein von Gott hast, in dir und um dich, dann bist du deiner Gotterfahrung sehr nahe. Auf der einen Seite führst du das Leben in Gott, und auf der andern Seite das gewöhnliche irdische Leben. Aber Gott kann nicht bei dir bleiben, wenn nicht alles um dich und in dir rein ist.

Je größer deine Hingabe, je größer deine Reinheit und je größer deine Fertigkeit, dich von den menschlichen Instinkten zu entfernen, je größer deine Inbrunst, dich mit göttlichen Gefühlen erfüllen zu lassen, je größer die Selbstdisziplin und je größer deine Opfer und Dienste sein werden, umso schneller wird der Fortschritt vor sich gehen, und umso schneller wird sich die Entfaltung im Herzen und im Denken vollziehen. Dann wird deine Erfahrung von Jesus Christus ganz tief sein. Jesus Christus ist die unendliche Liebe, die unendliche Macht, das unendliche Licht und die Allgegenwart, grenzenlose Schönheit, grenzenlose Vollkommenheit, grenzenlose Gnade und absolute Weisheit, alles in einem.

Frage: Ist der Zustand des Gottbewußtseins ein dauernder oder kann er wieder vergehen ?

Antwort: Das Gottbewußtsein kann nur dann verloren gehen, wenn es noch in den Anfangsstadien steht. Während wir nun Fortschritte machen, wenn die Reinheit unseres Herzens groß wird, wenn unser Gemüt voller Weisheit ist, wenn unser ganzes Leben eine fortwährende Darstellung der Selbstlosigkeit ist und wenn wir den höchsten Werten nacheifern, dann ist es möglich, daß wir im Gottbewußtsein bleiben. Aber wenn wir unser Unbewußtsein noch nicht verwandelt haben, wenn unser Herz noch nicht von großen, universalen Gedanken bewegt ist, und wenn wir nicht ständig hohe und edle Gefühle haben, dann ist es nicht möglich, das Gottbewußtsein zu bewahren, auch wenn es schon zu uns gekommen ist.

Jedes Erreichen eines Zieles verlangt die Erfüllung von Bedingungen, welche dieses Ziel möglich machen. Nehmen wir als Beispiel die Ärzte. Wenn wir unsern Sohn in die Schule geben, damit er einst Arzt werden soll, dann muß er viele Jahre studieren, bis er das Ziel erreicht. Auf dieselbe Art verlangt jedes Ziel die Erfüllung von ganz bestimmten Bedingungen. Wir können nicht heute mit dem Gebet beginnen und schon erwarten, daß uns Gott begegne. Ein hoher Eifer und eine große Intensität ist nötig, um sich der göttlichen Vollkommenheit zu nähern. Es geht darum, unser Unbewußtsein zu reinigen, welches voll von intensiven Wünschen und Leidenschaften ist. Eine vollständige Umwandlung muß in uns stattfinden und vieles, was menschlich oder sogar tierisch ist muß vergöttlicht und sublimiert werden.

Du mußt dein Gemüt rein und glänzend erhalten, indem du in den heiligen Schriften liesest. Du mußt das Leben der Heiligen und Erleuchteten kennenlernen, um zu sehen, wie sie zu Gott kamen. Etwas von ihrer Einfachheit und Schlichtheit muß in deinem eigenen Leben Platz ergreifen. Etwas von der Schönheit ihres Lebens muß auch in dir zur Geltung kommen. Obschon du erzogen und geschult bist, befindet sich noch viel Unwissenheit in dir. Nicht einmal dein eigenes Gemüt und die Quellen der Gedankentätigkeit kennst du. Du kennst die Tatsache nicht, daß du nach dem Bilde Gottes geschaffen bist. Du bist unwissend gegenüber der Tatsache, daß hinter deinen mentalen Tätigkeiten ein Licht leuchtet, das alles weiß und alles erkennt. Du bist so unwissend in Bezug auf dich oder in Bezug auf andere, aber diese Unwissenheit muß zerstört werden. Du mußt aufhören, dich nur als Körper und Gemüt zu sehen. Du mußt den Hunger nach der Güte und Vollkommenheit vermehren, du mußt von allen Seiten diese Entwicklung befürworten, und das ist erst eine kleine Basis für die Gotterfahrung. Aber auf dieser Basis sollst du aufbauen. Alle Anfälle von Haß oder von Abneigung müssen deinem Wesen fremd sein. Bedingungslose Liebe soll dein Herz bewegen. Du mußt voll von Liebe und Gottesbewußtsein werden, damit du mit allen Dingen, auch mit den Pflanzen und Steinen sprechen kannst. Alles in dir muß erhöht und umgewandelt werden. Statt durch Instinkte und Impulse sollst du durch Weisheit und Erkenntnis regiert werden. Wenn du aber diesen Zustand erreicht hast, dann mußt du anfangen, das Wesen Gottes zu suchen.

Du sollst Bücher lesen, in denen etwas über das Wesen Gottes steht. Du mußt dieses Wissen gebrauchen. Du mußt beten und meditieren lernen. Wenn du als Resultat von alledem zum Gottbewußtsein kommst, dann wird es dich nicht mehr verlassen. Wenn es dir einmal verloren gehen sollte, dann zeigt es, daß in deiner Konstitution noch irgend ein Defekt ist. Das heißt dann, daß in deinem Unbewußtsein noch irgend eine Unreinheit vorhanden ist, welche du noch nicht gefunden und entdeckt hast. Das ist aber kein Grund zur Verzweiflung und kein Grund, unglücklich zu sein. Durch deine Bemühungen wird diese Unreinheit verschwinden. Und bald wird der Tag kommen, an dem du dich in einem fortwährenden Gottesbewußtsein befindest, einem Gottesbewußtsein, welches dich nie mehr verlassen wird.

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9. Kapitel
Das reine Herz

Christus spricht in der Bergpredigt: « Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen» (Matthäus 5,8).

Wie kannst du reinen Herzens werden? Nehmen wir an, du empfindest in deinem Herzen Liebe für Jesus. Neben dieser Liebe sind aber noch einige Wünsche da. Du hast beispielsweise den Wunsch, zwei Autos zu besitzen. Du hast den Wunsch, nach Italien zu gehen und dort die Ferien zu verbringen. Du wünschest dir zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Und es besteht der Wunsch nach etwas Geld auf der Kantonalbank. Du möchtest dir vielleicht einen kleinen Namen machen, indem du einen Zeitungsartikel schreibst. Und schließlich möchtest du etwas Schmuck haben und dazu noch zwei Pelzmäntel. Wo aber findet sich unter all den vielen kleinen Wünschen die Liebe zu Jesus Christus? Du bist unzufrieden mit deinem Mann, weil er schuld ist, daß du keinen Pelzmantel hast. Du bist böse mit deiner Mutter, weil sie nicht versteht, daß du zwei Autos haben willst, wo doch eines auch genüge. In deinem Herzen ist Ärger und Haß. In dir ist ein geheimer Plan, wie du zu gewissen Dingen kommen kannst. Es ist Unruhe in dir, weil du darauf drängst, die Objekte deiner Wünsche zu bekommen. Viel Sorgen, Leiden und Probleme beanspruchen dein Herz. Was bleibt da noch übrig für Jesus Christus, welchen du vorgibst, zu lieben? Wenn du geistiger, inspirierender Musik zuhörst, denkst du trotzdem an deine zwei Pelzmäntel. Oder dein Herz beschäftigt sich mit vielen Kleinigkeiten des Alltags. Wie kannst du da erwarten, daß du wirklich Frieden findest, daß in deinem Herzen die Liebe zu Christus wächst? Dein Herz ist also nicht sehr rein. Wie aber können wir es rein machen ?


Die Reinigung erfolgt durch Disziplin. Statt daß du das Werkzeug kleiner Wünsche und Leidenschaften bist, mußt du viel urteilsfähiger werden und konsequent die Wünsche ausscheiden, welche deinem Leben nicht dienlich sind. Gewiß ist es nötig, daß du ein Haus hast, um darin wohnen zu können. Es ist notwendig, einen Mantel zu besitzen. Es gibt gewisse Notwendigkeiten des Lebens, welche wir durchaus haben dürfen. Aber du mußt streng darauf achten, daß sich dein Herz und dein Verstand nicht die ganze Zeit mit diesen Dingen beschäftigen. Betrachte sie als Gabe und Besitztümer Gottes. Wenn du in dein Haus eintrittst, so spüre die Gegenwart von Jesu. Denke dann nicht, daß dieses
Haus dir gehört, sondern sage zu deinem Herzen: das Haus gehört Christus. Lebe den ganzen Tag im Bewußtsein, daß das Haus Jesus gehört und Er darin lebt, mit dir und den anderen im Hause. Auch von deinem Mantel sollst du nicht denken, daß er dir gehört, sondern Christus. Gewiß, dieser Mantel mag nötig sein für dich. Aber wenn immer du an deinen Mantel denkst, kommt natürlicherweise der Gedanke an Christus. Wenn du den Mantel anziehst, hast du den Eindruck, daß du ihn Jesus über die Schulter gibst, und du denkst dabei an Seine Gegenwart in deinem Herzen. Welches ist nun der Unterschied zwischen dieser neuen Art von Leben und der alten?

Früher lebte das eigene Haus in deinen Gedanken und Gefühlen, und solange das so war, gab es keinen Platz für Jesus in deinem Herzen. Jetzt aber ist dies anders. Wenn du jetzt an das Haus denkst, steigt sofort die Erinnerung an Jesu Gegenwart in deinem Herzen auf. Gleichermaßen tritt der Gedanke an Jesus zu dir, wenn du an den Mantel denkst.

Nehmen wir an, du befindest dich auf der Straße und alle Arten von Menschen begegnen dir. Während du die ganze Zeit nach ihnen Ausschau hältst, ist es dir gleichgültig, wie sie aussehen; denn dein ganzes Bestreben geht nur dahin, in ihrem tiefsten Herzen die gleiche Gottgegenwart zu sehen wie in deinem. Wenn du dann abends heimkommst, ist es fast so, als ob du niemand gesehen hättest; denn den ganzen Tag hast du eigentlich nur denselben Jesus erblickt. So mußt du bemüht sein, bei allem und jedem an Christus zu denken.

Es mag nötig sein, daß du ein Auto besitzest; aber warum sollen es zwei sein? Warum kannst du das übrige Geld nicht für viel wertvollere Zwecke verwerten? Beispielsweise für die Unterstützung von Werken, welche vielen Menschen Hilfe und Frieden bringen würden? Und wenn du nun ein Auto besitzest, dann soll etwas in deinem Inneren sagen, daß der Wagen Jesus gehört. Es soll nicht um das Auto gehen, welches in deinem Kopf und Herzen wohnt, sondern um die Gegenwart Jesu.

Vor dir steht ein Glas Orangensaft. Bevor du von diesem Glas trinkst, soll dein ganzes Sein und Wesen gesättigt sein von der Gegenwart Jesu. Dann nimm das Glas an deine Lippen und fange an zu trinken, aber nicht für dein sinnliches Vergnügen, sondern als Dienst gegenüber der Gottheit, welche in dir wohnt, als Notwendigkeit für den Körper, welcher den Tempel Gottes darstellt. Trinke diesen Saft so, wie wenn er eine Art Medikament wäre. Trinke ihn so, als ob er Jesus dargeboten würde. In dieser selben Einstellung sollst du dich gegenüber allem verhalten.

Wenn dich irgend ein weltliches Ding absorbieren möchte, so setze Jesus an diese Stelle. Wenn du wochenlang, monatelang und jahrelang so geübt hast, wirst du sehen, daß du an Jesus allein denkst. Obschon du ein Auto besitzest, obschon du viele Arbeiten und Pflichten hast, denkst und fühlst du immer an Jesus und bei Jesus. Du bist dann von Jesus, für Jesus und in Jesus. Dann ist dein Herz rein: denn nur Jesus ist da und nichts anderes.

Obwohl du weiter in der Welt lebst und sich dein äußeres Leben scheinbar in nichts unterscheidet von dem Leben anderer Menschen, besteht ein gewaltiger Unterschied zum früheren Leben, welches noch von tausend und abertausend Wünschen strotzte. Jetzt wird dein Leben anfangen, rein zu sein. Dein Leben wird anfangen, voll geistiger Kraft, Frieden und Freude zu werden. Gott wird anfangen, in dir zu leben, und du wirst in Gott leben.

Nehmen wir an, wir wollen jetzt miteinander meditieren. Wir denken an Jesus und versuchen, Seine lebendige Gegenwart zu spüren. Was aber geschieht jetzt in deinem Herzen? Du denkst nicht an Jesus, sondern immer noch an die zwei Pelzmäntel. Und sobald diese Erinnerung verblaßt, kommt dir etwas anderes in den Sinn: Warum war jene Kollegin heute so unfreundlich gegen mich? Sie hätte höflicher sein können! Im nächsten Moment denkst du an eine gewisse Schallplatte und daß du sie auch gerne haben möchtest. Plötzlich kommt dir in den Sinn, daß Familie Müller auch anwesend ist - wie mag sie wohl hierhergekommen sein? Und dann denkst du, daß dein Chef heute einen Fehler gemacht hat - wie konnte ihm nur so etwas passieren? - Während wir alle meditieren, spielt sich auf solche Art ein ganzes Drama in deinem Herzen ab, und das ist kein reines Herz. Wenn aber alle diese Dinge herausgeworfen würden und nur noch das eine Bild Jesu in deinem Herzen gegenwärtig wäre, dann würde dich kein anderer Gedanke ablenken. Das aber ist ein reines Herz.

Nun aber betest du jeden Tag in großer Hingabe und Sehnsucht. Langsam kommst du soweit, daß du in allem, was du erblickst, nur Jesus siehst. Du gehst beispielsweise mit deiner Freundin in ein betriebsames Restaurant, wo es gute Speisen gibt. Eine andere Freundin kommt zu euch und ihr krönt euer gutes Essen mit einer Tasse Kaffee. Aber während all dies geschieht, ist dein Herz ganz hingegeben an Christus. Du gehst in das Restaurant, wie wenn du eine Kirche betreten würdest. Du nimmst teil an dem Essen, aber du denkst immer an Jesus. Trotzdem ihr euch alle im Restaurant befandet, ist dein menschlicher Geist ruhig und froh am Abend, wenn du heimkommst.

Wenn du eine brennende Kerze erblickst, so siehst du in ihr das Bild von Jesus Christus. Während du mit deiner Freundin sprichst, ist etwas in deinen Augen fähig, Christus zu sehen. Während du körperlich mit ihr zusammen bist , ist dein Herz hingegeben an Jesus. Während du dich mit deinem Chef unterhältst, ist dein Geist vereinigt mit Jesus. Du hast die Kunst erreicht, nur mechanisch in der äußeren Welt zu leben; denn dein inneres Wesen ist ganz vom Christusbewußtsein absorbiert. Dies ist ein reines Herz.

In ein solches Herz kann kein schlechter und dummer Gedanke eintreten. Ein solches Herz ist einfältig geworden.30)

Was bedeutet diese Einfalt des Herzens ? Während hier ein Dutzend Menschen versammelt sind, siehst du nur immer dieselbe Persönlichkeit, und das ist Jesus. Auf diese Art ist dein Herz und dein Auge eindeutig und einfältig. Dein Herz und dein Gemüt sind rein, einfältig und eindeutig; denn sie sind nur auf Gott ausgerichtet. Dein Gemüt wird nicht mehr beherrscht von Erinnerungen und allen möglichen Wünschen. Nur ein Bild und eine Erinnerung lebt in dir, und das ist der Gedanke an Gott.

In Indien haben gewisse Frauen diese Eindeutigkeit und Einfalt in außergewöhnlichem Maße erreicht. Durch die Lebensumstände waren sie gezwungen, zu heiraten. Aber nachdem sie ihre Männer geheiratet hatten, waren sie nicht imstande, ihr inneres göttliches Leben zu opfern. Wie konnten sie nun ihren Gatten annehmen? Sie änderten innerlich ihre Gefühle, Gedanken und Einstellungen zum Gatten. Statt daß sie ihren Mann als bloßen Menschen annahmen, richteten sich ihre Gefühle, Gedanken und Einstellungen immer mehr auf Gott aus, und nicht auf ihren Gatten. Während sie mit dem Manne lebten, lebten sie eigentlich nur mit Gott. Während sie nach äußerem Scheine mit ihrem Manne ein normales Eheleben führten, lebten sie innerlich mit all ihren Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen mit Gott.

Wir sehen also, welches die Bedingungen für ein reines Herz sind. Dein Herz und Gemüt sollte nicht der Spielball von allen möglichen Wünschen, Träumen und Ansprüchen sein. Im Zentrum deiner Gedanken und deiner Gefühle muß immer Gott sein.

Eine weitere Seligpreisung der Bergpredigt sagt: « Selig sind die Armen im Geiste. » Die Armen im Geiste sind nicht verschieden von denen, welche reinen Herzens sind. Wer arm im Geiste ist, ist auch reinen Herzens. Wer ein reines Herz hat, ist auch arm im Geiste. Wie kann man nun arm im Geiste sein?

Nehmen wir an, du besitzest zwei Autos. Außerdem hast du auf der Bank ein Konto von einer Million Franken. Du hast viele Besitztümer, und trotzdem kannst du arm im Geiste sein. Das ist dann der Fall, wenn trotz all dieser Besitztümer dein Herz und dein Gemüt ganz auf Christus ausgerichtet sind. Du wirst dann all diesen Besitz nicht als dein Eigentum erleben, sondern als denjenigen von Christus. Du weißt dann, daß nicht du dieses Leben lebst, sondern Christus in dir.31) Ein solches Leben ist dasjenige eines reinen Herzens und eines Menschen, welcher arm im Geiste ist.

Auf der anderen Seite kann es einen Menschen geben, welcher kein eigenes Haus, kein Auto und überhaupt nichts besitzt. Nicht einmal zwei Franken sind in seinem Geldbeutel. Nur eine einzige Schmuckkette besitzt dieser Mensch, und darauf ist er sehr stolz. Dieser Mensch ist wohl äußerlich arm, aber keineswegs arm im Geiste und hat kein reines Herz. So können wir reich im Geiste sein durch unseren Egoismus, unseren Stolz und unsere Einbildung.

Darum kann ein reines Herz auch erreicht werden, indem wir allen Stolz und Egoismus ausmerzen. Wir wollen ein Beispiel geben. Du sitzest auf einem Stuhl, und über dir befindet sich ein Gestell mit zwei Schuhen. Nun will Jemand die Schuhe herausziehen, und dabei fallen sie dir auf den Kopf. Deine Eitelkeit ist so groß, daß du protestierst und jenen Menschen tadelst, weil er einen Schuh auf dich geworfen habe. Wenn du so reagierst, bist du nicht arm im Geiste und hast kein reines Herz. Wärest du wirklich arm im Geiste und reinen Herzens, so hättest du sofort von einem kleinen Unglücksfall gesprochen. Du hättest den herunterfallenden Schuh nicht als eine Störung, sondern als eine Blume empfunden, weil in deinem ganzen Herzen nur Jesus-Gedanken und Jesus-Erfahrungen lebten.

Solcherart ist die Einfalt, Eindeutigkeit und Armut des Geistes.

Nun gehe hin und suche zu verwirklichen, was du über das reine Herz gehört hast. Nimm an, dein Haus habe Feuer gefangen. Mit welch fabelhafter Schnelligkeit wärest du bestrebt, die wichtigsten Dinge aus dem brennenden Hause herauszubringen und mit welch übermenschlichen Anstrengungen würdest du dich einsetzen, um dem Feuer zu wehren! Mit denselben übermenschlichen Bemühungen und mit der größten Dringlichkeit mußt du Gott suchen. Nichts kann erreicht werden, wenn du sagst : Jetzt will ich zuerst schlafen und morgen an Gott denken. 32) Du mußt dich tief sehnen und hungern nach der Erfahrung des Gottbewußtseins. Deshalb sagt eine der Segnungen der Bergpredigt: «Selig sind, die nach der Gerechtigkeit hungern.» Was ist dieser Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit? Es ist die tiefe Sehnsucht nach der Gottheit.

Darum arbeite sehr aufrichtig und tüchtig auf dieses Ziel hin. Nimm das Trachten nach der Vollkommenheit mit höchster Eile und Dringlichkeit auf dich. Wenn diese Dynamik, diese Sehnsucht und diese Dringlichkeit fehlen, besteht die Gefahr, daß du von der Welt eingefangen wirst und im Unglücklichsein endest. Du aber bist zu Frieden, Freude und Seligkeit berufen.

Swami Omkarananda

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