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ZWEIMONATLICH

Jahr 41

OFFIZIELLES ORGAN DES
DIVINE LIGHT ZENTRUMS
8400 WINTERTHUR SCHWEIZ


Aktuelle Ausgabe

Juli/August 2006

 

INHALT

Das höchste Ziel der Wissenschaft
Swami Omkarananda

Die heutige Physik und die Philosophie des Advaita Vedanta
L.A. Ware; mit Einführung von Swami Vivekananda

 

 

 

 

 

 

 

Betrachten wir die Welt, das Leben und den menschlichen Geist durch die Augen eines Plato, empfinden wir die Schwingungen der göttlichen Gegenwart des Geistes in allem Seienden durch das Herz eines heiligen Franz von Assisi, überschauen wir das Himmelszelt aus der Sicht eines heutigen Astronomen und blicken wir in die Tiefen unseres Gemüts durch das Auge des Tiefenpsychologen, nehmen uns selbst im Licht parapsychologischer Funde wahr und schauen zugleich in den Spiegel der Erkenntnis, die idealistische Philosophen Europas dem Menschen vorhalten, dann verfügen wir über ein breitmöglichstes Spektrum an Sichtweisen, zumindest aber über einen weiten Horizont, und erlangen einen besseren Einblick in uns selbst, ein tieferes Verständnis für die Bedeutung, den Wert und die Möglichkeiten, auf Erden ein Leben zu führen, in dem auch die höheren Empfindungsfähigkeiten zur Entfaltung kommen, die etwas anderes als nur äußere Erkenntnismittel sind.

Es ist die unausweichliche Bestimmung eines jeden Menschen auf Erden, zu immer höheren Stufen der Entfaltung der in ihm angelegten Vollkommenheit emporzusteigen, bis er schließlich die Vollkommenheit des Vaters im Himmel erreicht.

 

Sri Swami Omkarananda
mit Zitaten aus verschiedenen Quellen

Das Unwirkliche auszulöschen
und das Wirkliche zu suchen -
das ist Wissenschaft.

 Sri Ramana Maharshi

Das erste und letzte Prinzip

Das eine, absolute, unpersönliche Sein erscheint zusammen mit der unerforschlichen Maya als der Göttliche Herr, der persönliche Gott, mit seinen vielfachen Herrlichkeiten. Mit Seiner göttlichen Kraft herrscht er über alle Welten. Zu Zeiten der Schöpfung und Auflösung des Universums existiert Er allein. Jene, die Ihn erkennen, werden unsterblich.

Der Herr ist der Eine ohne ein Zweites. Er wohnt im Menschen und in allen Geschöpfen. Er projiziert das Universum, erhält es und zieht es dann wieder in sich selbst zurück.

Shwetasvatara Upanishad

Eine sehr hoch entwickelte menschliche Vernunft erkennt, dass die göttliche Wirklichkeit das erste und letzte Prinzip ist. Sie ist das höchste, das ursprüngliche und ewige Prinzip. Spontan versteht etwas in der Intelligenz eines Wissenschaftlers von der Größe eines Einstein dieses erste und höchste Prinzip. Was war zuerst: die Erde oder der Raum? Sicher existierte der Raum lange vor der Entstehung der Erde. Angenommen, die Erde würde einst zerstört, was bliebe übrig? Der Raum! Der Raum war, ist und wird auch in Zukunft da sein. Welten entstehen, dauern eine Zeitlang, vielleicht für zahllose Jahre, und verschwinden wieder. Was war, ist und bleibt, das ist der Raum.

Ich will jetzt nicht den zeitweiligen Charakter sogar des Raums in Frage stellen. Sehen wir den Raum einfach einmal zum Zweck der Demonstration als ein zeitloses Prinzip an. Mit Hilfe dieser Analogie fällt es uns leichter, ein noch subtileres Prinzip zu verstehen: die höchste Wirklichkeit, die zeitlose Wirklichkeit. Hat je jemand diese höchste Wahrheit erfahren? Ja! Viele Weise aus alten und modernen Kulturen haben die Wahrheit erfahren. Du kannst sie auch erfahren, jeder kann sie erfahren.

Diese zeitlose Wirklichkeit kann erfahren werden, sie kann innerlich wahrgenommen werden; ihre Essenz kann bis zu einem gewissen Grad durch die menschliche Persönlichkeit zum Ausdruck gebracht werden. Du bist deshalb ein Träger der zeitlosen Wirklichkeit. Tief in deinem inneren Herzen ist die zeitlose Wirklichkeit anwesend. Der Körper ist irgendwann einmal entstanden und wird zur Zeit des Todes aufgegeben. Aber der Geist im Inneren bleibt bestehen. Er war, ist und wird immer sein.

Die Seher, in tiefe Kontemplation versunken, haben in sich selbst die letzte Wirklichkeit entdeckt, das aus sich selbst leuchtende Sein, den einen Gott, der als eine seiner selbst bewusste Kraft in allen Geschöpfen wohnt. Er ist der Eine ohne ein Zweites. Tief in allen Wesen wohnt Er, der Sicht entzogen durch die Gunas* Sattwa, Rajas und Tamas. Er herrscht über Zeit, Raum und alle offensichtlichen Ursachen.

Shwetasvatara Upanishad

Das Innere Selbst

Die Tatsache, dass du bist, ist die grundlegende Tatsache, was dich betrifft. Ohne dieses Sein sind alle anderen Tatsachen und Wirklichkeiten absolut unbedeutend. Sein ist die grundlegende Tatsache deines Lebens, und dieses Sein ist allen gemeinsam. Dass jemand eine Frau ist, ist ein sekundäres Merkmal. Dass sie ist, dass sie existiert, ist das Wesentliche und Ursprüngliche an ihr. Ohne die Annahme der Tatsache, dass sie ist, ist alles andere sie Betreffende bedeutungslos.

Dass du bist, ist die alles entscheidende Tatsache in deiner Erfahrung.

Obwohl er existiert, ist der Schlafende sich dessen nicht bewusst. Deshalb bezeichnet man den Tiefschlaf auch als Zustand äußerster Unwissenheit. Als Folge davon weiß er auch nicht, dass ein Vogel auf seinem Körper sitzt oder dass jemand das Licht im Zimmer angemacht hat. Er weiß nichts; keine Erfahrung ist möglich, ohne dass man sich zuerst seiner selbst bewusst ist.

Das innerste Selbst eines jeden - das ist die Wirklichkeit, das ist die Grundlage aller Erfahrungen. Das, was ist steht am Anfang, es ist die Voraussetzung all deiner Erfahrungen, es ist die göttliche Wirklichkeit, die Wahrheit, die Grundlage allen Erkennens, die Grundlage allen Denkens und Fühlens.

 *)Guna (Sanskrit urspr.: Schnur, Faden; später: Eigenschaft, Qualität) ist ein philosophisches Konzept der indischen Samkhya-Philosophie. Danach ist die Urmaterie (Prakriti) aus den folgenden drei Gunas zusammengesetzt: Tamas (Trägheit, Dunkelheit, Chaos), Rajas (Rastlosigkeit, Bewegung, Energie) und Sattva (Harmonie, Einheit mit dem Selbst). Diese Gunas sind auch Ursache der psychischen Regungen.

Das Ich kommt von innen. Im Tiefschlaf ist kein Ich da. Gerade vor dem Erwachen taucht der IchGedanke auf. Der Ich-Gedanke erhebt sich als Subjekt und Objekt. Deshalb ist die Reihenfolge: Bewusstsein - Ich-Bewusstsein - Körper-Bewusstsein - Körper. Wessen ist der Körper? Du warst ohne ihn im Tiefschlaf. Nachdem der Ich-Gedanke sich erhoben hat, wird auch der Körper wahrgenommen. Zunächst, und als erstes, entsteht der Ich-Gedanke, dann folgt der Körper. Entledige dich dieser ersten Ursache, und die Folge, der Körper, wird von selbst verschwinden!

Sri Ramana Maharshi

(Das Ich am Anfang des Zitats bedeutet hier Ego, bzw. ‚Ich-Gedanke'. Ebenso wie bei Swami im Absatz weiter oben: "Obwohl er existiert, ist der Schlafende sich dessen nicht bewusst."

Der Schlafende ist das Ego. Dieses ist während des Tiefschlafs aber nicht existent, deshalb wird auch der Körper und die Welt nicht erfahren. Das reine Sein ist natürlich immer da, durchdringt und transzendiert die drei Erfahrungszustände Wachen, Traum und Tiefschlaf.)

Der französische Philosoph Descartes hat viel über das Sein nachgedacht. Er kam zum Schluss: "Ich denke, also bin ich."

Ein Schritt weiter würde uns zu der Erkenntnis führen: "Ich bin, darum denke ich."

Und das wäre dann auch die richtige, die endgültige Feststellung. "Ich bin, darum fühle ich. Ich bin, darum erfahre ich." Wenn ich nicht bin, kann ich auch nichts sehen, nichts denken, nichts fühlen und nichts erfahren.

Das "Ich bin" ist deshalb die Grundlage aller Erfahrungen, die Grundlage aller Aktivitäten.

Deine Pflicht ist es zu sein - nicht dieses oder jenes zu sein. "Ich bin, der ich bin" fasst die ganze Wahrheit zusammen. Und die Methode ist ausgedrückt in: "Sei still!" Was bedeutet Stille hier? - Stille heißt: "Zerstöre dich selbst!*" Warum? - Weil jede Form oder Gestalt Ursache von Schwierigkeiten darstellt.

Sri Ramana Maharshi

*)‚Zerstöre dich selbst' bezieht sich auf das Ego.

Du bist, darum erfährst du alles. Dass du bist, das ist das vorrangige Faktum. In diesem Selbstgewahrsein, diesem Bewusstsein deiner selbst ist das Sein gegenwärtig, das die Wahrheit ist. Und wie die Offenbarung, die tiefere, intuitive Wahrnehmung zeigt, ist diese Wahrheit zeitlos.

In erster Linie bist du ein Träger der Wahrheit, auch wenn du vielleicht im täglichen Leben ein Lügner bist.

Du bist im Besitz von Tausenden von Segnungen und Vorteilen, wenn du dich immer mehr dem Einfluss der zeitlosen Wahrheit in dir öffnest. Jeder Mensch ist in erster Linie ein Träger der Wahrheit. In der Sprache der Bibel würde das heißen: Jeder Mensch ist nach dem Bilde Gottes erschaffen. Erst in zweiter Linie bist du ein Mann oder eine Frau, glücklich oder unglücklich, reich oder arm, begabt oder unbegabt. All das sind sekundäre Faktoren.

Das höchste Ziel menschlicher Forschung
ist die Erkenntnis der Wahrheit

Die Wahrheit ist auch das höchste Ziel des menschlichen Strebens nach Erfüllung.

Beobachten wir einmal die Luft um uns herum: Wir können sie mit unseren Augen nicht sehen, und doch ist sie es, die uns am Leben erhält. Sie ist eine Kraft, ohne die wir nicht einmal wenige Minuten leben können. Deshalb ist sie äußerst wertvoll. Alle anderen Werte beruhen auf diesem Wert von vorrangiger Bedeutung.

Wenn du nach etwas Wertvollem streben willst, wenn du das Schöne bewundern willst, musst du dazu zunächst am Leben sein. Und das Leben wird von der Luft erhalten. Was für die menschliche Existenz also höchst wertvoll ist, ist unsichtbar. Aber du kannst die Luft auf deiner Haut spüren.

Genauso unsichtbar für unsere Augen ist jene Wirklichkeit, die ihrerseits wieder das Leben erhaltende Prinzip Luft erhält. Diese Wirklichkeit trägt und erhält den ganzen Kosmos, obwohl sie für die körperlichen Augen unsichtbar ist. Diese mächtige Wirklichkeit, Gott genannt, ist überall im ganzen Universum - wie die Luft, die überall in dieser Welt ist. Obwohl diese Wirklichkeit den ganzen Kosmos erhält, ist sie unendlich subtiler und deshalb entsprechend um ein Vielfaches schwieriger wahrnehmbar als Luft. Und so ein ‚Ding', das nicht wahrnehmbar ist, kann das innerste Herz allen Lebens sein.

Wie die Luft unentbehrlich für das Leben auf diesem Planeten ist, so ist das Göttliche unentbehrlich für das Sein, das dieses Leben seinerseits als dessen Grundlage ermöglicht und erhält. Die göttliche Wirklichkeit ist deshalb das Leben unseres Lebens. Sie ist der höchste Erhalter von allem. Ihre Unsichtbarkeit und Nichtwahrnehmbarkeit gibt uns nicht das Recht, ihre Existenz zu verneinen. Wir verneinen ja auch die Existenz der Luft nicht, nur weil wir sie mit unseren körperlichen Augen nicht sehen können.

Andererseits ist diese unsichtbare Wirklichkeit die eigentliche Essenz der Seele unserer Seele. Aber ganz anders als die unsichtbare Luft ist diese unsichtbare Wirklichkeit voller Wunder und Kräfte - und sie ist empfindsam.

Die Wissenschaft wird ihr höchstes Ziel und ihre Erfüllung nur finden, wenn sie diese letzte Existenz alles Existierenden entdecken kann, die tatsächliche Grundlage der ganzen Schöpfung, die Seele und das Zentrum von allem, was erschaffen ist.

Die Wissenschaft in ihrem gegenwärtigen Stadium steckt noch in den Kinderschuhen. Sie befasst sich nur mit Objekten. Wenn sie einst einen phänomenalen Fortschritt erzielt hat, wird sie auf letzte Tatsachen stoßen, auf die letzten und fundamentalen Wirklichkeiten. Erst dann wird die Wissenschaft zum Führer im Leben, zu einer kulturellen Kraft, zu einer anziehenden und erleuchtenden Kraft.

Die Wissenschaft sucht sicher letztlich nach der Wahrheit, der Wahrheit in den Erscheinungen oder Objekten. Aber was ist Wahrheit? Dass hier ein Tisch steht, ist wahr, aber die menschliche Sprache ist unvollkommen. Denn was wir hier als Wahrheit bezeichnen ist nur ein Fakt, eine Tatsache. Wenn Jesus sagt: "Ich bin die Wahrheit", bezieht er sich damit nicht auf Fakten, sondern auf die zeitlose göttliche Wirklichkeit, die war, ist und immer sein wird, auf den unendlichen Geist, die unendliche Intelligenz. Das, was unendlich und grenzenlos ist wie der Raum, ist allein zeitlos. Es kann nie zerstört werden, es wird immer sein. Es ist die Wahrheit, die das Leben des Lebens das ewige Leben ist. Diese zeitlose Wahrheit ist in dir. Sie ist dein innerstes Wesen. Deshalb bist du ein Mensch.

Der vollständige Mensch ist der Mensch der Wahrheitserfahrung 

Der Künstler oder Wissenschaftler ist ein unvollständiger Mensch sowie alle anderen auch: sie sind Teil-Persönlichkeiten. Etwas fehlt.

Die Wahrheit enthält in sich selbst alle Eigenschaften und Charakteristika. Die Wahrheit ist die Quelle jeder künstlerischen Wahrnehmung und Erfahrung. Die Wahrheit ist die höchste Quelle aller wissenschaftlichen Wahrnehmungen, Entdeckungen und Experimente. Und sie ist die Quelle von allem Wertvollen im Leben.

Dass du ein Mann oder eine Frau, ein Künstler oder ein Wissenschaftler bist, ist eine sekundäre Tatsache. Dass du ein Träger der Wahrheit bist, kommt an erster und entscheidender Stelle in der Rangliste.

Wenn du diese Wahrheit zum Gegenstand deiner Interessen und Aktivitäten machen kannst, dann wirst du gleich ob Künstler oder Wissenschaftler - ein Mensch der Wahrheit, ein Kenner der Wahrheit sein. Wenn du die Wahrheit erfährst, wird das Leben voller Kunst, Poesie, Schönheit sein, erfüllt und beherrscht von Vernunft und allen Tugenden, denn die Wahrheit ist auch die Quelle aller Tugenden. Und die Wahrheit ist uns nicht fremd: Sie ist das innerste Selbst aller Wesen, das, was allein und für immer wahr und unwandelbar ist.

O du, Gemüt! Warum wanderst du umher wie ein unreiner Geist? Erkenne das unteilbare Selbst. Sei glücklich, indem du der Anhänglichkeit entsagst.

Du bist Er, der außen und innen ist. Du bist der Glückverheißende, der überall und zu jeder Zeit existiert. Warum läufst du verblendet hierhin und dorthin wie ein unreiner Geist?

Erkenne dieses ganze Universum als formlos.

Erkenne dieses ganze Universum als unwandelbar.

Erkenne, dass dieses ganze Universum aus einem gereinigten Körper besteht.*

Erkenne, dass dieses ganze Universum von der Natur des Absoluten ist.

Du bist wahrlich die Wahrheit. Daran gibt es keinen Zweifel. Wüsste ich das nicht, was wüsste ich dann schon?

Warum betrachtest du das Selbst, das sich selbst wahrnimmt, als nicht wahrnehmbar? Mein Kind, wie kann es Illusion geben und Nicht-Illusion, Schatten und Mangel an Schatten? - Alles ist die eine Wahrheit; all dies ist vom Wesen des Raums und ohne Makel.

Ich bin frei am Anfang, in der Mitte und am Ende. Ich bin nie gebunden. Das ist mein sicheres Wissen: dass ich von Natur aus makellos und rein bin.

Avadhuta Gita

*) Das bedeutet : Das, was als Materie erscheint, ist nichts als reiner Geist.

Die Wissenschaft vom
Menschen, wie er ist

Unsere moderne Wissenschaft ist ein System des Wissens, das sich mit äußeren Objekten befasst. Es gibt viele verschiedene Zweige der Wissenschaft, aber alle befassen sich mit äußeren Objekten. Die Frage ist nun: Was ist wichtiger, die äußeren Objekte oder das erfahrende Subjekt? Aber gibt es eine Wissenschaft, die sich mit dem erfahrenden Subjekt befasst? - Die Antwort ist ‚nein'.

Ein wenig Weisheit sagt dir, dass du selbst wichtiger bist als Wasserstoff und Sauerstoff, wichtiger als Gold, wichtiger als die Gedanken und Gefühle, die in dir aufsteigen.

Die Wissenschaft vom erfahrenden Subjekt ist die wichtigste Wissenschaft. Wie unausgeglichen wird unser Leben, wenn wir keine Wissenschaft vom Menschen haben!

Wir wissen immer mehr über die Sterne, über Moleküle und Atome und über unseren Körper, aber wir wissen nichts über unser wahres Selbst. Das ist eine Tragödie. Das ist der Grund für menschliche Unglückseligkeit, Not und Ruhelosigkeit.

Der Mensch ist wirklich unwissend, solange er kein echtes Wissen von sich selbst hat. Er mag alles andere wissen, aber wenn er sich selbst nicht kennt, ist er mit Sicherheit ein Unwissender. So umfangreich das Wissen von äußeren Dingen auch immer sein mag, der Mensch bleibt ein armer und unwissender Wicht, wenn er sich selbst nicht kennt, sein wirkliches Wesen, die zentrale Wirklichkeit in sich, das erfahrende Subjekt.

Deshalb besteht eine große Dringlichkeit für eine Wissenschaft vom wahren Leben.

Wir haben dann zwei Wissenschaften: die Wissenschaft vom inneren Wesen, vom erfahrenden Subjekt, vom eigenen Selbst und die Wissenschaft von den äußeren Dingen, die viele Zweige hat. Eine Synthese dieser beiden Wissenschaften ist wesentlich und notwendig.

Deshalb brauchen wir ein Institut, in dem diese Synthese geschaffen und im täglichen Leben angewandt werden kann.

Beide Wissenschaften müssen vereint und eine integrale Wissenschaft vom Leben muss geschaffen werden, um das Leben auf immer höhere Ebenen der Evolution zu führen. Dem Leben muss die Fähigkeit gegeben werden, wahres Glück, wahre Stärke und Licht aus seinen ewigen inneren Quellen zu beziehen. Wir brauchen diese Wissenschaft vom erfahrenden Subjekt dringend; es ist eine große und umfangreiche Wissenschaft, wie die Naturwissenschaften mit ihren vielen Zweigen.

Das Leben zu vervollkommnen heißt, es von seinen hässlichen Grenzen zu befreien, von seinen Schwächen, die seine Schönheit entstellen. Und das Leben muss reicher gemacht werden, und das geht nicht mit Geld, Gold und anderen Äußerlichkeiten. Was im erfahrenden Subjekt an Schätzen verborgen liegt, muss hervorgeholt werden. Nur so kann das Leben wirklich wertvoll gemacht werden.

In einem Augenblick erfährt das unendliche Bewusstsein eine Epoche in sich selbst, so wie man im Lauf eines kurzen Traums Jugend, Alter und sogar den Tod erleben kann.

All diese Objekte, die im Bewusstsein erscheinen, sind tatsächlich nicht verschieden vom Bewusstsein. Deshalb ist das Selbst der Vollbringer aller Handlungen und der Kenner aller Erfahrungen, obwohl Es weder der Handelnde noch der Erfahrende ist.

Nichts ist von Ihm getrennt. Im Atom des unendlichen Bewusstseins sind beide eingeschlossen: der Handelnde und der Erfahrende.

Die Welt jedoch wurde nie wirklich erschaffen; deshalb verschwindet sie auch nicht. Sie wird vom relativen Standpunkt aus als unwirklich betrachtet; vom absoluten Standpunkt aus gesehen ist sie vom unendlichen Bewusstsein nicht zu unterscheiden.

Die Weisen sprechen von einem Inneren und einem Äußeren. Das sind aber nur Worte ohne korrespondierende Substanz: Sie dienen dazu, die Unwissenden zu belehren.

Der Seher sieht, bleibt aber selbst ungesehen; und er wird niemals zu einem Objekt des Bewusstseins. Der Seher ist nur das Sehen, und wenn die latenten psychischen Eindrücke erschöpft sind, erlangt der Seher wieder sein reines Sein. Gleichzeitig mit der Vorstellung eines äußeren Objekts entsteht auch der Sehende. Denn wo kein Subjekt ist, ist auch kein Objekt. Ohne den Vater gibt es den Sohn nicht. Es ist das Subjekt, das zum Objekt wird. Es gibt kein Objekt ohne das Subjekt. Um es anders auszudrücken: Das Subjekt ist nur in Beziehung zum Objekt ein Subjekt, wie es auch die Existenz des Sohns ist, die den Mann zum ‚Vater' macht.

Weil jedoch das Subjekt reines Bewusstsein ist, ist es fähig, ein Objekt zu projizieren. Es kann nicht anders herum sein: Das Objekt erzeugt nicht das Subjekt.

Deshalb ist der Seher allein wirklich, das Objekt ist eine Halluzination. Gold allein ist wirklich, das Armband ist Name und Form. Solange die Vorstellung von einem Armband dominiert, wird das reine Gold seine Substanz nicht wahrgenommen.

Ebenso bleibt, solange die Vorstellung des Objekts existiert, die Trennung von Seher und Gesehenem bestehen.

Aber gerade wegen des Bewusstseins im Armband, erkennt das Gold sein Gold-Sein; das Subjekt (der Seher), das sich als das Objekt (das Gesehene) manifestiert, erkennt seine Subjektivität (Bewusstsein). Das eine ist die Widerspiegelung des anderen: Es gibt keine wirkliche Dualität. Das Subjekt existiert des Objekts wegen, und das Objekt ist eine bloße Widerspiegelung des Subjekts. Dualität kann nicht sein, wo keine ist; und warum soll die Notwendigkeit bestehen, sich eine Einheit der beiden vorzustellen, wenn eines allein nur existiert?

Wenn auf diese Weise wirkliche Erkenntnis durch Nachforschen und Verstehen gewonnen wird, bleibt nur das übrig, was in Worten nicht ausgedrückt werden kann.

Trennung widerspricht der Einheit nicht. All diese Spekulationen Einheit und Vielheit betreffend sind nur dazu da, um die Sorge zu bemeistern.

Das, was jenseits all dessen ist, das ist die Wahrheit, das höchste Selbst ...

Alles was ist, ist nur die Ausdehnung der Beziehung zwischen dem reinen Erfahren und seiner Erfahrung.

Diese Erfahrung ist wahrlich das Entzücken der Selbst-Glückseligkeit. Es ist reines Erfahren selbst. Deshalb ist es als Brahman, das Absolute, bekannt.

Yoga Vasishtha

Licht und Liebe 

Liebe ist ein Kennzeichen des Seins. Licht ist ein Kennzeichen des Seins. Für einen Körper, in dem kein Leben ist, ist alles dunkel, es findet keine Erfahrung statt; aber sobald Leben in ihm ist, wird die ganze Welt leuchtend und zu einem Feld der Erfahrung.

Das Leben selbst ist Licht, und das erfahrende Subjekt ist die Quelle dieses Lichts. Die Quelle des Lichts ist in dir. Wo ist sie? Sie ist im erfahrenden Subjekt in dir. Sie ist nicht in dem Mantel, den du anhast, nicht in deinem Körper, nicht in den Gedanken und Gefühlen, die in dir aufsteigen. Das Licht ist in dem, das deine Gedanken und Gefühle sieht und wahrnimmt. Das erfahrende Subjekt trägt Licht in sich. Es ist voller Licht, deshalb auch voller Schönheit. Ohne Licht gibt es keine Farbe, keine Schönheit, und das erfahrende Subjekt, das voller Licht, Intelligenz und Schönheit ist, ist auch voller Freude, Frieden und Vollkommenheit.

Aber wo ist dann Gott? Gott ist nicht unter den Steinen zu finden, nicht im Körper, nicht in den Gedanken und Gefühlen, sondern dort, im erfahrenden Subjekt. Deshalb sagt die Bibel: "Das Königreich Gottes ist in euch!" Das Königreich Gottes ist das Göttliche, das Bild Gottes, Gott Selbst. Gott ist in deiner Mitte, direkt im Zentrum deines Wesens, im erfahrenden Subjekt, in der Schönheit deines erfahrenden Subjekts, in der grenzenlosen Reinheit und Stille deines erfahrenden Subjekts.

Das kann erkannt und muss erkannt werden.

Die Gedanken müssen diszipliniert, Kontemplation und Nachdenken über die Wahrheit geübt werden. Wir müssen zu Meistern der Umstände des Lebens werden, anstatt von ihnen überwältigt zu werden. Die Wissenschaft vom inneren, erfahrenden Subjekt ist von allergrößter Bedeutung. Wenn du wirkliches Glück genießen, dauerhaften Frieden, unzerstörbare Schönheit und ein Leben, das unsterblich ist, erlangen willst, dann musst du dich auf das erfahrende Subjekt zurückziehen. Dort findest du die Quelle des ewigen Lebens. Dort befindet sich das Bild des Göttlichen. Wenn du Frieden, Freude und unsterbliches Leben in äußerlichen Dingen suchst, wirst du sie dort nicht finden. Die Leute denken, dass Geld sie glücklich machen kann, aber auch reiche Leute sind unglücklich. Die Menschen denken, dass sie glücklich sein werden, wenn sie alles haben, was sie sich wünschen; und wenn sie dann alles haben, kehrt das Unglück und die Langeweile wieder bei ihnen ein, und das Wünschen beginnt von Neuem.

Deshalb müssen wir uns dem erfahrenden Subjekt zuwenden, welches das wirkliche Leben ist. Dort finden wir unser wahres, unzerstörbares und unvergängliches Glück.

Das aus sich selbst Existierende ist die Essenz aller Glückseligkeit. Wer könnte leben, wer könnte atmen, wenn dieses selige Selbst nicht im Lotos des Herzens wohnte? Es ist das Selbst, das Freude spendet.

Taitiriya Upanishad

Das erfahrende Subjekt im Menschen 

Was ist wirklich wertvoll? - Nur die Wahrheit.

Wirklich wertvoll im Leben kann nur das sein, was nicht vergeht, was nicht dem Untergang geweiht ist, was immer und unter allen Umständen zuverlässig ist, was sich nicht ändert und sich nicht in sein Gegenteil verkehrt - wie unsere Gedanken, Gefühle und Stimmungen das tun.

Nichts ist wertvoll, was einmal so, dann wieder ganz anders ist. Glück wird von Unglück gefolgt, Unglück von Glück. Erhebend und inspirierende Gedanken werden von düsteren Gedanken über eine nicht sehr viel versprechende Zukunft abgelöst. Unsere politischen und sozialen Werte, die einst so aussichtsreich erschienen, desintegrieren vor unseren Augen und verwandeln sich in unlösbar erscheinende Probleme. Geld und Gold verlieren angesichts einer unheilbaren Krankheit ihren Wert. Was also ist wirklich wertvoll? - Nur das erfahrende Subjekt hat wirklichen Wert - ewigen und unzerstörbaren Wert.

Wenn einst das Sonnensystem mit seinen Planeten längst nicht mehr existiert, ist das erfahrende Subjekt immer noch da. Und es ist immer noch das Gleiche. Es ist unberührt von allen Geschehnissen, von allen Katastrophen in der äußeren Welt - einer Welt, die in seiner eigenen transzendenten Raum- und Zeitlosigkeit trotz all ihrer raum-zeitlichen Unendlichkeit nicht einmal eine winzige Ecke einnimmt. Dieses ganze glorreiche Universum ist wie ein kleiner, winziger Teppich, der zu Füßen des Unendlichen, des erfahrenden Subjekts, ausgerollt ist.

Erkenne dieses erfahrende Subjekt es ist ja in dir selbst! Du brauchst nirgendwohin gehen, um es zu finden. Du brauchst keine weite Reise ins Universum antreten, um ihm zu begegnen. Du brauchst weder Geld noch Ruhm noch Titel und Würden, um in sein innerstes Heiligtum eingelassen zu werden. Es ist in dir selbst, und es ist dein eigenes, innerstes, ewiges, unveränderliches Wesen. Bedenke das! Du brauchst nur in dich zu gehen, um für immer sicher und glücklich zu sein.

Erkenne es, erfahre es und du wirst über eine gewaltige Stärke im Leben verfügen! Kein Umstand wird dich mehr erschüttern können, nichts dich aus der Bahn werfen. Selbst das schlimmste Unglück und auch die Hand der Zeit werden dir nichts anhaben können! Du wirst Meister über alle Dinge sein, wie Christus es dir verheißen hat. Er selbst hat von sich gesagt: "Ich habe die Welt überwunden!", was nur möglich ist, wenn er im erfahrenden Subjekt, das identisch ist mit dem Königreich des Himmels, seinen unzerstörbaren Frieden und seine unüberwindliche Kraft gefunden hat. Und Er selbst hat uns ein Geheimnis verraten: "Das Reich der Himmel ist in euch!"

Doch was ist die Welt? Alles, was man erfahren kann, das ist die Welt. Das erfahrende Subjekt ist anders als das Erfahrbare. Das erfahrende Subjekt ist verschieden von allem, was sich erfahren lässt. Es ist das Eine, das hinter und jenseits aller Erfahrung steht. Ohne diesen Erfahrenden gibt es keine Erfahrung. Wohl aber gibt es den Erfahrenden ohne die Erfahrung. Das ist sein reines Sein, das zu jeder Zeit und jenseits aller Zeit in seiner eigenen unberührten und unberührbaren Transzendenz ruht. Und das bist du! Das ist es, was du wirklich bist. Alles andere ist Schein, ist Vergänglichkeit, ist unaufhörliche Veränderung, rastlose Wandlung und Verwandlung. Und selbst dieser Schein braucht etwas, worauf er erscheinen kann eine Grundlage. Diese Grundlage ist das erfahrende Subjekt, das alles erfährt und doch nichts erfährt.

Für es gibt es die leidvollen Erfahrungen der Menschen nicht. Es ruht ewig in der eigenen Vollkommenheit. Wäre das nicht so, wäre es nicht wert, es zu suchen. Seine Erfahrung des Alls ist eine andere, eine völlig andere als die des Menschen, dessen Erfahrung sich in Raum und Zeit erstreckt, und der sich dazu verschiedener Organe bedient. Das Unendliche, das erfahrende Subjekt, erfährt sich durch sich selbst in immer gleichbleibender Vollkommenheit: Das ist die direkte Erfahrung.

Jeder Erfahrungsbereich hingegen, in dem wir etwas als außen und innen wahrnehmen, in dem wir uns der indirekten Erfahrung auf dem Umweg über die Sinne und unseren Intellekt bedienen, ist die Welt.

Und Christus kommt zu uns und sagt: "Komme zu mir, und ich werde dir Meisterschaft über die Welt geben!" Wie können wir unsere Abhängigkeit von der Welt überwinden? Christus sagt: "Liebe Gott!" Was ist Gott, was ist das Göttliche? Es ist das, was in dir ist, tief in deinem zentralen Wesen, das erfahrende Subjekt, die innere Wirklichkeit, die Essenz des Lebens das Sein. Richte deinen Blick nach innen, auf diesen Erfahrenden, auf dieses Sein, und du berührst das Unsterbliche, du berührst das Unwandelbare.

Was ist das Wandelbare in dir? Es sind die Gedanken und Gefühle, das Gemüt, das Unbewusste. All dies sind Objekte: Du kannst sie betrachten, du bist dir ihrer bewusst. Und all diese Objekte ändern sich, entstehen, vergehen, existieren eine Zeitlang, dann wieder nicht: sie verschwinden irgendwann und machen anderen Objekten Platz.

Aber ändert sich das erfahrende Subjekt in dir? Nein, es verändert sich nie. Es ist immer das Gleiche; es ist die Wahrheit. Was ist das Wesen der Wahrheit? Wahrheit ist das, was immer das Gleiche ist das Unveränderliche, Ewige.

Die Blume ist nicht die Wahrheit. Täglich sieht sie anders aus, blüht auf, ist in voller Blüte und verwelkt. Dann wirft man sie weg.

Das, was vor einiger Zeit nicht da war und irgendwann später wiederum nicht da sein wird, ist nicht die Wahrheit. Es ist ein vergängliches Ding, etwas, das nicht wirklich existiert.

Aber auch das Universum ist wirklich, wenn man es in Zusammenhang mit der Wahrheit sieht, wenn man es als in der Wahrheit und als die Wahrheit seiend und durch die Wahrheit erkennt und erfährt. Denn, wie könnte etwas unwirklich sein, das aus der Wahrheit selbst stammt? Es ist der Fehler des umnachteten Egos, das sich für eine selbständige, eigenständige Persönlichkeit hält, und sich und die Welt von ihrem Hintergrund und Ursprung, ihrer erhaltenden Substanz und Essenz abtrennt. Wird dieser Hintergrund erst einmal erkannt, dann sind Wahrheit und Universum ein einziges homogenes Ganzes, und die Frage nach dem Widerspruch zwischen Einheit und Vielfalt erhebt sich gar nicht mehr.

So groß wie das Universum außen, ebenso groß ist das Universum im Lotos des Herzens. Darin sind Himmel und Erde, die Sonne, der Mond, der Blitz und all die Sterne. Was im Makrokosmos ist, das ist auch im Mikrokosmos ...

Chandogya Upanishad

Das Wissen vom erfahrenden Subjekt muss den Menschen mitgeteilt und klar gemacht werden! Es befreit sie von Sorgen, Unwissenheit, Irrtum und Unglück. Die Wissenschaft vom erfahrenden Subjekt ist von vorrangiger Bedeutung, höchster Dringlichkeit und größtem Wert.

Ohne Atem können wir nicht leben. Zehn Minuten ohne Atem, und wir sind nicht mehr am Leben. Und das Göttliche ist der Spender und Erhalter unseres Atems. Wenn wir nun schon ohne Atem nicht leben können, wie dann erst ohne das Göttliche? Wir können viel eher ohne unseren Atem leben als ohne das Göttliche; denn Gott ist der Atem unseres Atems. Er ist das erfahrende Subjekt in uns. Er ist das Auge unseres Auges.

Eine tote Person mag die Augen offen haben, aber sie sieht doch nicht. Warum? Weil das Auge ihres Auges abwesend ist. Gott ist das allsehende Auge, die Intelligenz hinter jeder Form von Intelligenz, der Atem unseres Atems, das Leben unseres Lebens, die Seele unserer Seele, das Licht der Lichter. Deshalb ist Er die zentrale Wirklichkeit. Ohne diese Wirklichkeit zu kennen kann der Mensch nicht in wahrem Frieden, in wahrer Freude und Schönheit leben; er muss sich dazu dieser zentralen Wirklichkeit zuwenden. Die Wissenschaft des erfahrenden Subjekts ist die höchste Wissenschaft. Es ist die wirkliche Wissenschaft, während die anderen Wissenschaften sich nur mit Dingen befassen, die sowieso zugrunde gehen und eines Tages nicht mehr sind.

Erkenne die Wirklichkeit! Erkenne Gott, der diese Wirklichkeit ist! Denke darüber nach! Gott ist nur ein Wort, lass dich von diesem Wort nicht verleiten, Gott dadurch zu definieren. Gott bedeutet auch grenzenlose Liebe. Das Wort ‚Gott' bedeutet auch grenzenloses Licht und die Wahrheit, die unveränderlich ist. Liebe und Freiheit in Gott haben keine Grenzen, Schönheit in Gott vergeht nie. Das Leben in Gott ist überfließend und immer während.

Fürchte dich nicht! Mache dir keine Sorgen! Du hast die Quelle all dessen, was du brauchst, in dir. Versuche, dir Wissen über diese Quelle anzueignen und nutze die Kräfte, die dir diese Quelle zur Verfügung stellt, im praktischen Leben.

Dem Geburtlosen, dessen Bewusstseinslicht für immer leuchtet, gehört die Stadt mit den elf Toren. Wer über den Herrscher dieser Stadt meditiert, kennt keine Sorge mehr. Er erlangt Befreiung und für ihn gibt es künftig weder Geburt noch Tod. Denn der Herrscher über jene Stadt ist das unsterbliche Selbst.

Das unsterbliche Selbst ist die Sonne, die am Himmel scheint. Es ist die Luft, die weht. Es ist das Feuer, das auf dem Altar brennt. Es ist der Gast, der im Haus wohnt. Es ist alle Menschen. Es ist in den Göttern. Es ist im Äther. Es ist überall dort, wo die Wahrheit ist. Es ist im Fisch, der im Wasser geboren wird. Es ist in der Pflanze, die in der Erde wächst. Es ist im Fluss, der sich von den Bergen her ergießt das Selbst, die unwandelbare Wirklichkeit, das Unbegrenzbare!

Das Selbst, das Verehrungswürdige, das im Herzen sitzt, ist die Kraft, die den Atem bewegt. Vor ihm verneigen sich alle Sinne.

Was kann schon übrig bleiben, wenn der Bewohner dieses Körpers die abgetragene Hülle verlässt, da Er doch wahrlich das unsterbliche Selbst ist?

Der Mensch lebt nicht vom Atem allein, sondern durch das Selbst, von dem die Kraft des Atems ausgeht ...

Es ist Eines nur: der Herr und das innerste Selbst aller. Aus einer Form nur bestehend, macht Er aus sich selbst viele Formen. Jenem, der das Selbst in seinem eigenen Herzen offenbart sieht, gehört ewiger Friede, niemandem sonst!

Er ist die Intelligenz des Intelligenten, das Ewige mitten im Vergänglichen; obwohl Er Einer nur ist, erfüllt Er das Verlangen vieler. Jenem, der das Selbst im eigenen Herzen offenbart sieht, gehört ewiger Friede nur ihm und niemandem sonst!

Katha Upanishad

Unsere innere Intelligenz ist die wirkliche Person

Je mehr wir unser Leben und unsere Erfahrungen in ihren Grundzügen analysieren, desto besser verstehen wir, welchen Grenzen unsere Erfahrungen im Leben ausgesetzt sind und erkennen andererseits aber auch immer mehr die immensen und grenzenlosen Möglichkeiten, die in unserer inneren Intelligenz angelegt sind.

Die meisten Leute bewegen sich auf einer primitiven Ebene und denken, dass sie der Körper sind und nichts darüber hinaus. Die höhere Erfahrung widerspricht dieser rudimentären Erfahrung des Durchschnittsmenschen. Sie erkennt den Menschen in erster Linie als Manifestation der Intelligenz und erst in zweiter Linie als Körper. Jeder von uns ist ein Zentrum der Intelligenz. Intelligenz hat eine Lichtnatur. Wenn du die Menschen von diesem Standpunkt aus betrachtest, wirst du sie schwerlich als Körper bezeichnen können. Du wirst sie dann deiner Wahrnehmung entsprechend als Zentren der Intelligenz bezeichnen müssen. Die Frage stellt sich jetzt, was Intelligenz ist, wie sieht sie aus, was ist ihr Wesen? Ist sie ein Objekt wie diese Blume? Welche Form, welchen Charakter, welche Funktion und welchen Ursprung hat sie?

Hat der Körper die Intelligenz hervorgebracht, produzieren die Gehirnzellen Intelligenz? Je mehr wir ein Phänomen hinterfragen, desto eher wachsen wir über die Grenzen hinaus, die uns von unseren groben Sinneswahrnehmungen und den darauf aufbauenden Wissenschaften vorgegeben sind.

Es gibt die behavioristische Psychologie, die materialistische oder wissenschaftliche Psychologie. Diese sagt, dass Intelligenz ein Produkt der Gehirnzellen ist. Doch der Wissenschaftler ist so sehr in seine Experimente vertieft, dass er das über seine enge Betrachtungsweise hinaus Sichtbare nicht erkennt. Deshalb unterlaufen ihm Fehler. Er stellt die Behauptung auf, Intelligenz sei das Produkt der Gehirnzellen, geht aber keinen Schritt weiter. Auch die Gehirnzellen sind Materie, sie sind Objekte, sie sind sichtbar. Warum dämmert es dem Wissenschaftler nicht, dass etwas Sichtbares, Objektives, Materielles keine spirituelle Intelligenz erzeugen kann, die unsichtbar und nicht objektiv ist? Das ist die Frage!

Nicht die Materie ist der Erzeuger der Intelligenz (oder des Bewusstseins), es sind nicht die Gehirnzellen, die Intelligenz ‚herstellen'; es ist genau umgekehrt: Materie wird von Intelligenz oder Bewusstsein erzeugt, und die Gehirnzellen werden lediglich von der Intelligenz benutzt, um ihre verschiedenen Funktionen in einer Welt materieller Erfahrung auszudrücken.

Bevor die Materie überhaupt existierte, war Intelligenz schon da. Materie ist eine Manifestation der Intelligenz.

Als Beispiel mag uns der Traum dienen: Wie kann eine so feine und unsichtbare Intelligenz im Traum etwas so Solides wie einen Stein hervorbringen? Wenn dich in deinem Traum ein Stein trifft, wirst du nicht auf den Gedanken kommen, du seiest von etwas Unwirklichem getroffen worden. Vielleicht wirst du vom Schock des Aufpralls aufwachen. Aber die Erfahrung ist da, und du erfährst die Dinge als solide und wirklich, solange du träumst.

Es ist also die Intelligenz, die solide Dinge erschafft. Intelligenz ist kreativ. Als Einstein den Kosmos betrachtete, konnte er nicht anders als feststellen, dass eine andere, mächtigere Intelligenz als die menschliche die Ordnung geplant und geschaffen hat, die der Mensch jetzt studiert und langsam entschlüsselt.

Wie mächtig muss eine solche Intelligenz sein, dass sie einen Kosmos mit schier unendlichen Räumen und zahllosen Sternen und lebenden Wesen erschaffen kann! Wo findet diese grandiose Schöpfung des Universums statt, wo hat sie ihr Dasein? Innerhalb der Intelligenz, im Bewusstsein des Schöpfers!

Wo, an welchem Ort, erhält Gott das Universum? In Sich Selbst wie auch der Traum im Träumenden selbst stattfindet. Gott ist eine unvorstellbar mächtige Intelligenz unendlich! Das Wesen Seiner Intelligenz ist Licht. Als solches befähigt sie unsere Augen zu sehen, unsere Ohren zu hören, unsere Zunge zu schmecken. Die Intelligenz Gottes ist der Sinn der Sinne, die Intelligenz aller Intelligenz, das Licht der Lichter. Du bist deshalb das Licht der Lichter, weil du Gottes Intelligenz in dir trägst. Du bist nicht deine Nase! Das, was dir die Fähigkeit gibt zu sehen, zu hören, zu riechen, zu denken, zu fühlen das bist du!

Du bist nicht deine Augen; du kannst ohne Augen leben. Du bist auch nicht deine Ohren. Wenn du geistig weggetreten oder ohnmächtig bist, hören deine Ohren nichts.

Dein wirkliches Wesen ist jene Intelligenz, die das Licht hinter dem vergänglichen Licht ist das bist du! Du bist ein Kind des Lichts. Augen, Ohren und der Körper sind Instrumente, die du benutzt. Aber du selbst bist mehr als der Körper. Und du bist anders als der Körper!

Was bist du also? Intelligenz, Licht!

Der christliche Mystiker Heinrich Suso hat diese Tatsache deutlich wahrgenommen. Er sagte: "Der Mensch ist Gott in Gott." Das heißt, anders ausgedrückt, dass der Mensch ein Punkt der Intelligenz innerhalb einer unendlichen Intelligenz ist. Der Mensch ist ein Punkt des Lichts im grenzenlosen Licht Gottes.

Was ist die Quelle des Lichts, das der Mensch ist? Diese Quelle ist das grenzenlose Licht, das ewige Licht, das absolute Licht.

Du allein bist Du, das unvergängliche, verehrungswürdige Licht. Große Herrlichkeit ist Dein Name. Niemanden gibt es neben Dir. Niemand ist Dir gleich. Unsichtbar ist Deine Gestalt, unsichtbar für sterbliche Augen.

Die Seher allein schauen Dich in ihren gereinigten Herzen Sie allein sehen Dich. Sie allein sind unsterblich.

Shvetaswatara Upanishad

Ihn erleuchtet die Sonne nicht noch der Mond, weder die Sterne noch der Blitz und auch nicht die Feuer, die auf der Erde entzündet werden.

Er ist das eine Licht, das allen Licht spendet. Wenn Er scheint, scheint alles übrige auch.

Katha Upanishad

 
Auf wessen Geheiß denkt der Verstand? Wer heißt den Körper zu leben? Wer lässt die Zunge sprechen? Wer ist das leuchtende Wesen, welches das Auge zu Form und Farbe lenkt und das Ohr zum Laut?

Das Selbst ist das Ohr des Ohrs, der Verstand des Verstands, die Sprache der Sprache. Es ist auch der Atem des Atems und das Auge des Auges.

Indem die Weisen die falsche Identifikation des Selbst mit den Sinnen und dem Gemüt aufgeben und wissen, dass das Selbst Brahman ist, werden sie beim Verlassen dieser Welt unsterblich.

Kena Upanishad

Wissenschaft und Religion sind komplementär

So wie das weiße Licht sich in die sieben Farben aufteilt, so breitet sich die eine Wirklichkeit als das vielfarbige und vielgestaltige Universum aus. Zahllos sind die Wesen groß und klein, doch in ihnen allen ist die göttliche Wirklichkeit wirksam. Überall ist sie gegenwärtig: Sie ist in der Schönheit der Blumen, in der Leuchtkraft der Sonne, in der Intelligenz des Menschen, in der Liebe im Herzen eines jeden. Sie ist der Urgrund allen Lebens und aller Existenz. Sie ist die Inspiration hinter den Werken großer Genies. Sie ist im Gesang der Vögel, in der Stille und in allen Arten von Lauten, sie ist im Sichtbaren und im Unsichtbaren. Sie ist in der Zeit gegenwärtig und doch ist sie das Zeitlose. Sie ist das Wunder der Wunder!

In unserer Zeit sind auch die Wissenschaftler Wunderwirker. Welche Wunder die modernen Wissenschaftler doch geschaffen haben! Wie die Weisen, so vollbringen auch die Wissenschaftler Wunder.

Die Weisen sprechen zu uns von der unsichtbaren göttlichen Wirklichkeit. Auch die Wissenschaftler befassen sich heute mit den verschiedensten unsichtbaren Wirklichkeiten. Sie machen das Unsichtbare sichtbar, das Unbestimmte bestimmbar. Das ist die Aufgabe der heutigen Wissenschaft. So groß ist der Fortschritt, den die Wissenschaft in einem halben Jahrhundert erzielt hat!

Es wäre höchst interessant, die spirituellen Möglichkeiten und Fähigkeiten einer wirklich großen wissenschaftlichen Intelligenz einer Prüfung zu unterwerfen. Der Wissenschaftler stößt zu den elementaren Faktoren des Universums vor; der Weise geht einen Schritt weiter und berührt jenseits davon die letzte Wirklichkeit, welche die Basis aller elementaren Faktoren ist.

Emotionalreligiöse Überzeugungen brauchen nicht bloß emotionalreligiöse Überzeugungen bleiben: Sie können zu wissenschaftlichen und logischen Konzepten und Ideen werden. Die emotional-religiösen Überzeugungen haben ihre Wurzeln in wissenschaftlichen und logischen Konzepten.

Die letzte Wirklichkeit ist höchst rational. Sie ist die Wahrheit der Wahrheiten und stattet deshalb sogar emotional-religiöse Überzeugungen mit Vernunft aus. Es würde vielleicht tausende Jahre wissenschaftlichen Fortschritts in Anspruch nehmen, um zum Beispiel die Sprache der Vögel verstehen zu lernen. Und doch hatte ein heiliger Franziskus die natürliche Begabung dazu. Wer ist in diesem Fall der größere Wissenschaftler?

Und es sind vielleicht tausende Jahre nötig, bis die Wissenschaft fähig wäre, die letzte, unsichtbare göttliche Wirklichkeit zu entdecken, während diese Entdeckung eine natürliche Fähigkeit und Funktion eines gereinigten Gemüts ist. Für den Weisen ist es eine spontane Angelegenheit: Sein inneres Wesen hat jenes Stadium der Evolution erreicht, in dem er nicht nur fähig ist, die innere göttliche Wirklichkeit zu erfahren, sondern ihren Gehalt in seinem täglichen Leben zum Ausdruck zu bringen und ihre Kräfte anzuwenden.

Die Wissenschaft und die Religion sind deshalb einander nicht entgegengesetzt, sondern komplementär sie ergänzen sich.

Was auch immer irrational am Phänomen, der Erfahrung und dem Konzept der Religion zu sein scheint, wird auch von der Wissenschaft geteilt. Irrationalität charakterisiert beide. Der Mystiker sagt, der Tisch hier sei Bewusstsein oder Gott. Für den normalen Menschen ist das etwas Irrationales, etwas Unbegreifliches, deshalb empfindet er jenen, der eine solche Aussage macht, als nicht normal.

Das Gleiche tut auch der Wissenschaftler: Der Atomphysiker betrachtet nicht das solide Material des Tischs. Er sieht im Tisch nur Wellen und Partikel. Der Tisch als Tisch verschwindet für den Atomphysiker wie auch für den Mystiker. Beide scheinen im selben Boot zu sitzen. Die Sprache des Wissenschaftlers sowie auch die des Mystikers ist für den normalen Menschen unverständlich. Beide befinden sich auf einer höheren Stufe der Evolution. Der Mystiker hat ein Stadium hoher innerer Evolution erreicht, so hoch, dass er in der Lage ist, das Unsichtbare wahrzunehmen; und die Intelligenz des Wissenschaftlers ist so hoch entwickelt, dass sie komplizierte wissenschaftliche Phänomene erfassen kann.

Wissenschaft und Religion teilen sich die Arbeit auf: Die Wissenschaft erforscht die verborgenen Wirklichkeiten des Universums; die Religion ist auf der Suche nach der verborgenen letzten Wahrheit des Universums.

Wenn der Wissenschaftler mit seinem Fortschritt nicht zufrieden ist, sich noch mehr anstrengt und seine Fragen und Nachforschungen weiter in die Tiefe treibt, muss er eines Tages auf die letzte göttliche Wirklichkeit stoßen. Es ist für den Wissenschaftler leichter, eine religiöse Überzeugung zu gewinnen, wenn er ein gutes Herz besitzt und sich bemüht, den höheren Werten entsprechend zu leben, die seine Intelligenz für ihn selbst formulieren kann.

Die heutige Wissenschaft kann der Religion wertvolle Hilfestellungen leisten, und sie kann sich selbst intellektuell und vernunftmäßig bereichern, wenn sie beginnt, die echten religiösen Wahrheiten zu begreifen.

Der religiöse Mensch geht immer einen Schritt weiter als der bloße Wissenschaftler. Könnte dieser das innerste ‚Warum und Wie' der Natur erkennen, würde er sicherlich die göttliche Wirklichkeit berühren. Je schärfer und edler die wissenschaftliche Intelligenz ist, desto eher ist sie in der Lage, sich einer Wahrnehmung der letzten Wirklichkeit anzunähern. Für einen wirklich religiösen Menschen ist jene letzte Wahrheit Gegenstand seines Strebens. Deshalb ergänzen sich Religion und Wissenschaft; sie stellen nicht etwa einen Gegensatz dar.

Die Essenz der göttlichen Wirklichkeit in jedem Wesen hat zahllose Dimensionen und kann sich durch das Herz, die Intelligenz, den Willen oder andere seiner Fähigkeiten ausdrücken. Es gibt viele Wege zur Erfahrung der letzten Wirklichkeit. Die Wissenschaft ist ein Weg, die Religion ein anderer. Würde der Wissenschaftler versuchen, die metaphysischen Dimensionen der Zeit zu entdecken, würde er mit Sicherheit ein Weiser werden. Zeit, Raum und das Kausalprinzip sind wissenschaftliche Themen, und es gibt unzählige wissenschaftliche Konzepte der Zeit.

Das Herz des Weisen aber kennt das wahre ‚Wie und Warum' des Raums. Es entdeckt die raumlose Wirklichkeit im Raum. Eine solche Entdeckung ist das Höchste und Letzte, was wir im Phänomen des Raums finden können.

Die Wissenschaft reduziert Materie zu einem nebulösen Nichts. Das Herz des Weisen reduziert Materie zu Geist. So nahe scheinen sich der Wissenschaftler und der Weise zu sein; und es ist immer der Weise, der den entscheidenden letzten Schritt unternimmt: Hier, in diesem Raum, erfährt er die raumlose Wirklichkeit.

Diese raumlose Wirklichkeit ist kein abstraktes Etwas: sie ist voller Substanzen, voll mit überfließendem, ewigem Leben. Die Zeit, die für den Wissenschaftler ein Problem darstellt, ist kein Problem für die Intelligenz des Weisen: Er sieht die Seele der Zeit in der zeitlosen Ewigkeit.

Ohne die Leinwand kann kein Film abgespielt werden, und das Zeitereignis kann nicht ohne den Hintergrund der zeitlosen Wirklichkeit stattfinden. Je schärfer die Vernunft, desto unnachgiebiger ist das Forschen und Suchen, desto schneller werden wir diesen Hintergrund der Zeit und des Raums entdecken.

Diese höchste Wirklichkeit hat viele Dimensionen. Sie ist nicht abstrakt. Sie ist die höchst lebendige Wirklichkeit, das höchst Lebendige in allen lebenden Wesen. Sie ist das Herz allen Lebens. Sie hat Millionen Augen, Millionen Ohren, Millionen Körper. Sie ist die gleiche Gegenwart für alle überall auf der ganzen Welt, auf allen Sternen, in jeder kleinen Ecke des Kosmos und jenseits davon.

Diese wunderbare Wirklichkeit unterhält unendlich viele Beziehungen mit uns, aber noch wahrer wäre es zu sagen, dass sie die eigentliche Essenz unseres eigenen Wesens ist, das Herz unseres Herzens, die Intelligenz unserer Intelligenz, die Seele unserer Seele.

Je größer unser Wissen ist, desto leichter verstehen und erkennen wir diese göttliche Wirklichkeit. Die Suche nach Gott ist eine wissenschaftliche Suche, doch verlangt sie mehr von uns als das rein wissenschaftliche Forschen: Sie setzt eine Transformation unserer ganzen Persönlichkeit voraus.

Jedes kleine Wachstum an Liebe, Güte, Weisheit, Geduld oder Beharrlichkeit ist ein Schritt vorwärts auf dem geistigen Pfad. Eine große Zahl solcher Schritte führt zu einer vertrauten Beziehung mit der allgegenwärtigen, allwissenden, allmächtigen, allschönen, allliebenden göttlichen Wirklichkeit. Es ist eine Notwendigkeit für den Menschen, ständig Kraft, Frieden, Freude, Inspiration und Weisheit von der göttlichen Wirklichkeit zu beziehen. Eine neue Welt erstaunlicher Erfahrungen und neue Perspektiven tun sich dem Menschen auf, sobald er der göttlichen Gegenwart gewahr wird.

Nicht unterzugehen, sondern das immer währende Leben hier und jetzt zu erfahren: Das ist das Versprechen wahrer Religion. OM

L. A. Ware mit einer Einführung von Swami Vivekananda über Vedanta

Swami Vivekananda über Vedanta: 

Buddha brachte Vedanta ans Licht, gab es dem Volk und rettete Indien. Tausend Jahre nach seinem Tode herrschte ein ähnlicher Zustand. Die Massen und verschiedene Völker waren zum Buddhismus bekehrt worden, aber Buddhas Lehre geriet infolge der Unwissenheit der Massen in Verfall.

Buddha lehrte keinen Gott, keinen Beherrscher des Weltalls, und so holten die Massen ihre Götter, Teufel und Kobolde wieder hervor und machten aus dem Buddhismus in Indien einen unbeschreiblichen Wirrwarr. In Form von Zügellosigkeit bei den höheren und von Aberglauben bei den niederen Klassen gewann der Materialismus wiederum die Oberhand.

Dann kam Shankaracharya und brachte Vedanta zu neuem Leben, indem er es zu einer rationalistischen Philosophie gestaltete. Während die Beweisführung in den Upanishaden häufig sehr undurchsichtig ist, betonte Buddha vor allem die moralische Seite der Philosophie.

Shankara aber brachte deren intellektuelle Seite in den Vordergrund, arbeitete sie aus, stellte sie auf eine rationale Basis und beschenkte die Menschheit mit dem hervorragenden, zusammenhängenden System des Advaita.

Materialismus ist heute wieder vorherrschend, auch in Europa. Wir mögen für das Heil der modernen Skeptiker beten, aber sie geben in ihrem Verlangen nach Vernunft nicht nach.

Die Rettung Europas hängt von einer rationalistischen Religion ab, und Advaita - die Lehre der Nicht-Zweiheit, der Einheit, der Idee des unpersönlichen Gottes - ist die einzige Religion, die bei intellektuellen Menschen Fuß fassen kann. Advaita erscheint immer dann, wenn Religion im Absterben und Irreligiosität vorzuherrschen scheint, und deshalb hat Advaita in Europa und Amerika Wurzeln geschlagen.

Noch etwas ist im Zusammenhang mit dieser Philosophie zu erwähnen. Die alten Upanishaden enthalten erhabene Dichtungen, ihre Verfasser waren Dichter. Plato sagt, die Eingebung komme zu den Menschen durch Dichtung. Es hat den Anschein, als ob diese ehrwürdigen Rishis, jene Seher der Wahrheit, über die Menschheit emporgehoben wurden, um jene Wahrheiten in poetischer Form zu verkünden. Sie predigten nicht, sie philosophierten nicht, sie schrieben nicht: Aus ihrem Herzen kam Musik.

Buddha verkörperte das all-umfassende Herz und die grenzenlose Geduld, die Religion im täglichen Leben anwendbar machte und sie zu jedermanns Tür brachte.

Shankara stellte jene gewaltige intellektuelle Macht dar, die alles mit dem gleißenden Licht der Vernunft beschien.

Was wir heute brauchen, ist die helle Sonne dieser Intelligenz, verbunden mit dem Herzen Buddhas, dem wundervollen Herzen, erfüllt von unendlicher Liebe und Barmherzigkeit. Eine solche Verbindung würde die erhabenste Philosophie hervorbringen, in der sich Wissenschaft und Religion begegnen und die Hände reichen, und Dichtung und Philosophie zu Freunden werden. Dies wird die Religion der Zukunft sein, und wenn wir sie erbauen können, wird sie dauern für alle Zeiten und für alle Völker. Kein anderer Weg ist für die moderne Wissenschaft gangbar; und sie hat ihn schon beinahe betreten.

Wenn der Wissenschaftler behauptet, alles sei die Kundgebung einer einzigen Kraft, erinnert uns das nicht an den Gott, den uns die Upanishaden beschreiben?:

"So wie das Feuer, obgleich eines, die Gestalt von allem annimmt, das es aufzehrt, so nimmt auch das Selbst, ein Einziges, die Form von jedem Ding an, dem es innewohnt."

Ist es nicht offensichtlich, welchem Ziel die Wissenschaft zustrebt?

Das Volk der Hindus ging vom Studium des Geistes aus, mittels Metaphysik und Logik. Die europäischen Völker gehen von der äußeren Natur aus, und sie kommen zu den gleichen Ergebnissen. Durch den Geist forschend, erreichen wir schließlich jene Einheit, jenes allumfassende Eine, die innere Seele, das Wesen und die Wirklichkeit aller Dinge, das Ewig-Freie, das Ewig-Glückselige, das Ewig-Seiende (Sat-Chit-Ananda).

Durch das Studium der materiellen Wissenschaften gelangen wir zu der gleichen Einheit. Die Wissenschaftler erklären heute, alles sei die Kundgebung einer einzigen Kraft, welche die Gesamtsumme alles Bestehenden ist.

Die Menschheit geht der Freiheit entgegen, und nicht der Knechtschaft. Über Sittlichkeit führt der Weg zur Freiheit, Sittenlosigkeit führt zur Knechtschaft.

Warum sonst sollte die Menschheit moralisch sein?

L. A. Ware:

Viele Jahre lang habe ich mich bemüht, die verschiedenen Aspekte westlicher Wissenschaft in ihrer Beziehung zur Vedanta-Philosophie zu studieren.

Eines der Probleme hat mit der Situation zu tun, in der sich Physik und Astronomie befinden, seitdem diese von modernsten und äußerst genauen Instrumenten Gebrauch machen. Obwohl ich mich als nicht genügend kompetent in diesen umfangreichen Sachgebieten betrachte, erlaube ich mir dennoch ein paar Bemerkungen zur Sache.

Ich kleide meine Worte hier in den Ton eines dogmatischen Exponenten der Philosophie. Einerseits, um Ihnen die umstrittenen Aspekte des Problems nahe zu bringen und Sie damit zu weiterem Nachdenken anzuregen, und andererseits, weil ich die Diskussion nicht über wenige Minuten hinaus ausdehnen möchte. Ich muss zugeben, dass ich aus irgendeinem Grund zu etwas unorthodoxen Ansichten in dieser Sache gelangt bin, aber ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als würde ich in diesen Gedankengängen von Seiten meiner Kollegen große Zustimmung finden.

Um den Gegenstand, dem man tatsächlich viele Seiten widmen könnte, nur ganz kurz zu umreißen, möchte ich zunächst ein paar Probleme streifen, die meines Erachtens direkt mit dem Vedanta in Zusammenhang stehen. So weit ich dies von meinem persönlichen Standpunkt aus überblicken kann, eröffnet der Vedanta einen großen Einblick in die Lösung dieser Probleme, auch wenn der Weg dahin lang sein mag. Allgemein gesprochen halte ich dafür, dass, wenn westliche Philosophen und Wissenschaftler ihre Probleme vor dem gewaltigen Hintergrund des vedantischen Systems betrachten würden, sie zu brauchbaren Ergebnissen gelangen könnten.

Ich denke hier besonders an die Bereiche der modernen Physik und Astronomie, in denen wir unter vielen anderen Fragen mit folgenden konfrontiert sind:

1. Die Grundstruktur der Materie.

2. Die Beziehung zwischen Geist und Materie.

3. Das Wesen der Unendlichkeit von Raum und Zeit.

In Bezug auf diese Probleme als Ganzes gesehen befinden wir uns in den interessanten Vorgang verwickelt, Teilchen und Hierarchien von Systemen zu entdecken, fast ohne ein Ende abzusehen. In unserem Bestreben, eine große Bandbreite von Phänomenen zu erklären, hat sich ganz allgemein die Tendenz hin zu einer unendlichen Vielfalt eingestellt. Zugleich aber stellen Wellenmechanik und Relativitätstheorie Versuche dar, die verschiedenen Ideen zu vereinheitlichen.

Zunächst einmal wurde eine große Anzahl neuer, fundamentaler Partikel entdeckt, und weitere werden entdeckt werden. Das so einfach erscheinende Planeten-Atom-Modell von vor 25 Jahren ist kaum mehr erkennbar. Die zwei Partikel Proton und Elektron, die einstmals als einzige das Atom ausmachten, sind von neuen, bisher unbekannten Partikeln fast ganz in den Schatten gestellt worden; es handelt sich bei diesen Neulingen um Neutronen, Positronen, Neutrinos, Mesonen, Photonen usw. Innerhalb einer kurzen Zeitspanne verwandelte sich das Atom für uns bei gewissen Anlässen in ein ziemlich ätherisches Etwas, das seinen repräsentativen Ausdruck in der mathematischen Welt fand, darüber hinaus aber nicht viel mehr darstellte. Kurz gesagt: Die Physik hat mit der Relativitätstheorie Materie und Energie vereinheitlicht und dann diese Kombination nahezu ausgelöscht, wobei sich zeigte, dass Materie und Energie austauschbar und von einer ziemlich zweifelhaften Existenz sind. Was daraus resultiert wie dies auch immer aussehen mag erscheint schließlich als eine Reihe von Symbolen in einer mathematischen Gleichung. Das könnte uns gewogen machen, mit Sir James Jeans anzunehmen, Brahman in seinem schöpferischen Aspekt sei ein Mathematiker.

Es besteht eine Gedankenströmung, die einen glauben machen möchte, es finde in der Physik jeder das, was er unbewusst und zu irgendeiner weit zurückliegenden Zeit darin niedergelegt habe.

In der Astronomie haben Einstein und andere durch den Gebrauch reiner Mathematik eine bessere Erklärung der Phänomene vorgebracht als die Theorien Newtons sie zu geben vermochten; doch um dies zu erreichen mussten sie Zeit und Raum in eine untrennbare Einheit verschmelzen und anstelle des Gravitationsgesetzes den mathematischen Ausdruck für natürliche Pfade (Raumkrümmung) in einem vierdimensionalen Raum setzen, eine eigentümliche Region, in der das als Raum und Zeit Bekannte überhaupt nicht mehr voneinander unterscheidbar ist.

Es ergibt sich daraus eindeutig das Gefühl von Unwirklichkeit, ein Gefühl, dass das Beobachtete in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist oder aber im Augenblick nur in einer Form beobachtbar ist, die sich zu unserer Verwirrung später in einer anderen Form zeigt. Dieses Gefühl herrscht bei einer ganzen Anzahl von Physikern vor, auch wenn es selten zum Ausdruck gebracht wird.

Das Bild der Physik kann also summarisch so zusammengefasst werden, dass der Finger des Fortschritts auf eine eventuelle Einheit von möglicherweise asymptotischer* Annäherungsweise hindeutet, wobei zugleich auch ein allmähliches Wegfallen all dessen, was einstmals als wirklich und substanziell betrachtet wurde, festzustellen ist.

Es scheint so, als ob diese beiden gemeinsam voranschritten, das heißt, das Wegfallen dürfte ungefähr zum gleichen Zeitpunkt beendet sein, zu dem auch die Einheit erreicht ist. Alles in allem haben wir in letzter Analyse die Situation vor uns, wo nicht mehr viel Unterschied besteht zwischen dem Geist, der das Universum betrachtet, und dem Universum selbst.

Die letzten physikalischen Probleme hören erst in den Ordnungen der Unendlichkeit zu bestehen auf; doch der an Genialität begrenzte menschliche Geist gibt oft verzweifelt auf, wenn er vor der endlosen Reihe immer wieder neu entstehender Probleme und der schier unendlichen Zahl von Universen steht.

Ich bin jedoch nicht der Meinung, dass wir angesichts dieses Stands der Dinge einen Grund haben, uns entmutigen zu lassen. Ich denke, dass die Probleme dadurch nur interessanter werden und wir weitermachen sollten, indem wir auf jede Hilfe zurückgreifen, die uns die großen Philosophien anbieten, insbesondere die des Advaita Vedanta.

Was ich nun hier zur Diskussion bringen möchte, ist eine Theorie falls man sie als solche bezeichnen kann , die unmittelbar mit den Ideen des Advaita Vedanta zu tun hat. Einigen mag sie als eine Selbstverständlichkeit erscheinen, anderen jedoch wie das Eingeständnis einer Kapitulation vor dem Defaitismus*, der als etwas höchst Unglückseliges gilt.

Doch glaube ich nicht, dass dies Defaitismus ist, eher eine Einladung, die Welt in einem neuen Licht zu sehen, nämlich als eine unwirkliche Manifestation des Absoluten, in dem wir als Teil dieser Manifestation nicht erwarten können, irgend-etwas anderes zu erlangen als das, was schließlich zum Vorschein kommt, nämlich endlose Ordnungen von Name und Form.

Dem endlichen menschlichen Geist kann nicht zugemutet werden, dass er ein endliches Bild von einer unendlichen Welt erlangen kann.

Noch kürzer und als Schlussfolgerung dargelegt, lässt sich sagen, die Theorie bestehe darin, dass das wirkliche Universum und der sich entfaltende menschliche Geist etwas an sich Inkommensurables* sind.

Der menschliche Geist ist ein Produkt der Maya und betrachtet die Welt voll ungläubigen Staunens. Er steckt endlose Details in sein Bemühen, das Unerklärliche zu erklären.

Fernerhin muss gesagt werden, dass, wenn dieser Zustand inkommensurabel ist, er durch alle Ewigkeiten hindurch andauern wird, jedenfalls solange die Zeit ihre Bedeutung behält. Dieser Zustand löst sich erst auf, wenn die Offenbarungsformen dieser Welt ihrerseits endgültig im Absoluten aufgehen. In diesem Bereich werden Raum und Zeit nicht mehr bestehen, und das Subjekt wird über den Punkt hinausgehen, an dem etwas überhaupt noch vom Denken erörtert werden kann.

Dieses Problem wird zusammen mit weiteren Problemen, die sich mit grundlegenden Dingen befassen, verschwinden, statt gelöst zu werden, wenn das Universum einmal in den Bereich eingetreten ist, wo nur noch in negativen Ausdrücken etwas ausgedrückt werden kann, wie es in Aussagen über Brahman, das Absolute, der Fall ist.

In diesen wenigen Worten habe ich sehr gekürzt wiedergegeben, was eigentlich einer ausführlichen Diskussion bedürft hätte. Doch hoffe ich, ausführlich genug gewesen zu sein, dass Sie die große Tendenz der modernen Wissenschaft, mit Advaita Vedanta zu einem einzigen System zu verschmelzen, erkennen können.

 

Die Menschheit beherrscht die Wissenschaft der Materie. Das Reich Gottes auf Erden naht, wenn die Menschen auch die Wissenschaft des Bewusstseins meistern lernen.

Das Bewusstsein als solches in seiner Unendlichkeit ist Gott.

Das Reich in dir ist größer als das Reich außen. Nichts außerhalb deiner selbst ist so wunderbar wie das, was in dir liegt. Der Weise kennt sich selbst und das höchste göttliche Bewusstsein in seinem Inneren und ist deshalb sehr glücklich, friedvoll und machtvoll. Der Durchschnittsmensch ist zutiefst unwissend in Bezug auf sich selbst. Alles rundherum kennt er, nur nicht sich selbst. Das ist der Grund für die Freudlosigkeit, für das Elend und die Verlorenheit des Menschen, wie er uns täglich begegnet.

Swami Omkarananda

 

*) asymptotisch = (Math.) die Weise, in der sich eine ins Unendliche verlaufende Kurve einer Geraden beliebig nähert, ohne sie je zu erreichen.

*)Defaitismus = Hoffnungslosigkeit, Neigung zum Aufgeben

*) inkommensurabel = nicht messbar, nicht vergleichbar;

 

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